"Unter des Teufels Vorbehalt"

Klaus A.E. Weber

 

In der historischen Novelle „Höxter und Corvey“ - von der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg um 1673 erzählend - findet bei Wilhelm Raabe auch das Bauerndorf Merxhausen seine Erwähnung.

Nach Raabes Handschrift von 1873/1874 wird dort im Kapitel V ein "Fährmann" namens "Hans Vogedes" aus Merxhausen erwähnt, in Höxter als Biedermann in wütender Konfrontation mit dem jungen Studenten Lambert Tewes in der Kneipe zu Sankt Veit am Corveytor stehend.

In diesem Zusammenhang beschreibt RAABE [8] - in biblischer Anspielung auf Matthäus 4, Verse 5–9 - eine besondere, lokale Variante von Jesu Versuchung:

  • Als nämlich der böse Feind, der Versucher, unseren Herrn Jesus Christus auf die Zinne des Tempels in Jerusalem führte, sprach er zu ihm – nach einer Tradition, die sich an der Weser erhalten hat -: „Wenn du niederfällst und mich anbetest, soll dir dieses alles gehören bis – bis auf Merxhausen und Sievershausen dort im Solling; - die beiden Dörfer behalte Ich mir vor.“

Ob Wilhelm Raabe hierdurch auf eine besonders ausgeprägte dörfliche Wilddieberei auch in Merxhausen hinweisen wollte?

Oder wollte Raabe vielmehr damit zum Ausdruck bringen, dass selbst der Teufel das schön gelegene Dorf lieben musste?[1]

Am östlichen Rande des „Naturparks Solling-Vogler“ gelegen, erstreckt sich am nördlichen Sollingrand das alte bäuerliche Kapellendorf Merxhusen vom Nordwesten nach Südosten entlang der ehemaligen „Sollingstraße“ von Holzminden nach Einbeck (heute entlang der Landesstraße 580).

Der noch als geschlossen imponierende Ortskern des alten Haufendorfes - mit seinen ortstypischen Fachwerkhäusern - wird an seiner nördlichen Flanke überragt vom prominenten Heukenberg, der zur Mitte des 16. Jahrhunderts als Harkensberge oder Henkenberge bezeichnet wurde, Mitte des 18. Jahrhunderts als Heidenberg.[2]

Das heutige Dorf Merxhausen gilt von den drei Ortsteilen der Gemeinde Heinade gemeinhin als die älteste Ansiedlung, deutet doch die Endung –hausen auf eine (Neu-)Ansiedlung in der Zeitspanne zwischen dem 5.-8. Jahrhundert hin.

Um 1600 trägt die dörflich geschlossene Siedlung nachweislich den Namen Marckshusen (Haus - niederdeutsch: -husen, hochdeutsch –hausen).

Hierzu ist anzumerken, dass mit –husen gebildete Ortsnamen in Südniedersachsen eine namenstypische Häufung aufweisen.

In diesem östlichen Bereich des Weserberglandes stießen vormals die Grenzen der drei Bistümer Hildesheim, Mainz und Paderborn zusammen.

Ursprünglich gehörte Merxhausen wahrscheinlich zum Bistum Mainz bzw. zur Herrschaft Everstein, später zum Amt Fürstenberg und seit 1649 zu dem davon abgetrennten Amt Allersheim.[3]

Um 1890 sind die Post sowie die Kalkbrennerei besonders ortshistorische erwähnenswert.[4]

Von Bewohnern umliegender Dörfer wird das "Dörp under Sollige" noch heute gerne „Klein Berlin“ genannt, nachweislich bereits auch um 1935.[1]

Dieser beliebte Spitzname ist nach HENZE/LILGE [7] möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sich durch die weitläufigen Handelbeziehungen im Leinengewerbe in Merxhausen „gewisse Umgangsformen“ entwickelten, die „den biederen Sollingern aber höchst befremdlich vorkamen“.

Im heutigen Dorfzentrum befinden sich als Nachbargebäude (Merxhausener Str. 8) zur alten Kapelle die ehemalige Pension und das Cafe „Haus Berlin“.

Da für Merxhausen bislang keine umfassenden ortschronistischen Aufzeichnungen oder gar eine Ortschronik selbst erstellt wurden, blieb bislang vieles der wechselvollen Dorfgeschichte weitgehend unerforscht, unbekannt und Spekulationen überlassen.

Eine besondere ortsgeschichtliche Bedeutung dürfte

  • den Mühlen (Papier- und Kornmühle)

  • der Trinkwasserversorgung

  • der Leinenweberei

  • der Familie Rothschild

  • dem jüdischen Friedhof

  • der Landwirtschaft

  • den handwerklichen Betrieben (Tischlereien)

  • der Kalkbrennerei

  • der Eisenverhüttung (drei Hammerhütten)

  • der Versorgung mit Elektrizität

  • den Vereinen

  • den Gastwirtschaften

  • und der Feuerwehr

aber auch anderen, ortsgeschichtlich wesentlichen Themenbereichen zukommen.

 

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[1] aus dem mundartsprachlichen Zeitungsartikel „Im Blauen Engel to Brunswiek“, Fragment aus einer unbekannten Zeitung, datiert 1935

[2] ANDERS 2004, S. 20.

[3] ANDERS 2004, S. 15; RAULS 1983, S. 22 f., 50.

[4] KNOLL/BODE 1891, S. 395.

[6] STEINACKER 1907, S. 190.

[7] HENZE/LILGE 1989, S. 144 f.

[8] RAABE 1873/74; 2002/2003, S. 34.