Das Ortsfamilienbuch 2005

Klaus A.E. Weber

 

Eine wertvolle Hilfe bei der Spurensuche

Zentrales Anliegen regional- und dorfgeschichtlicher Veröffentlichungen ist es, zum einen „Zusammenhänge im geschichtlichen Rahmen regional transparent zu machen” [ECKSTEIN 1992], zum anderen verborgene Wurzeln zur Gegenwart eines Siedlungs- und Lebensraumes aufzufinden, im Spiegel historischer, insbesondere politischer, wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Rahmenbedingungen.

Als Publikationsplattform hierfür sollen die Veröffentlichungen der lokalhistorisch und heimatkundlich angelegten  Dorf–Schriften–Reihe des des Heimat- und Geschichtsvereins für Heinade–Hellental-Merxhausen e.V. einen wichtigen Beitrag leisten [WEBER 2005, S. 221 ff.].

Den für ein Ortsfamilienbuch wesentlich erscheinenden Aspekten des einstigen „guten alten“ dörflichen Lebens, des Wohnens und Arbeitens zwischen dem nördlichen Solling und dem Holzberg gilt es in der Dorf-Schriften-Reihe nachzugehen.

Hierbei wurde der Fokus auf eine möglichst umfassende genealogische Darstellung von Einwohnern und Familien in Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen zwischen 1648 und 1926 gerichtet – also über einen Zeitraum von fast 280 Jahren, einem 1/4 Jahrtausend.

Wir begreifen heute den Menschen als Namen tragendes Gemeinwesen.

Seit es für den modernen individualisierten Menschen Namen gibt, erzählen diese Geschichte wie Geschichten, insbesondere aber jene Familiennamen, welche während des Mittelalters entstanden.

Familiennamen ermöglichen heute Einblicke in längst vergangene Epochen, sie erzählen vom vielfältigen Handwerksleben, von den Waren und Gerätschaften, die für mittelalterliche Menschen bedeutsam waren, aber auch von der Abhängigkeit der bäuerlichen Bevölkerung und von der Art und Weise, wie Menschen von ihrer sozialen Umgebung gesehen und beurteilt wurden [DUDEN 2005; S. 5].

In diesem Zusammenhang ist das vorliegende Ortsfamilienbuch eine regional wesentliche personengeschichtliche Sekundärquelle für alle genealogisch und sozialhistorisch Forschenden sowie für Bürgerinnen und Bürger unseres örtlichen Gemeinwesens und auch darüber hinaus.

Die dem genealogischen Hauptband vorangestellten historischen Betrachtungen und ortsgeschichtlichen Beiträge verfolgen nicht das Ziel, ein geschlossenes Geschichtsbild der hier betrachteten vier Dörfer zu entwerfen.

Einen solchen Anspruch kann, wenn überhaupt, nur eine Ortschronik näherungsweise erfüllen.

Mit einiger Berechtigung kann heute angenommen werden, dass mehr oder minder auch die „kleinen Landleute“ zwischen dem nördlichen „Sölling“ und dem Holzberg in die regelmäßigen, wellenförmigen Veränderungen, in den konjunkturellen Auf- und Abwärtsbewegungen des überregionalen bishin europäischen Wirtschaftsgeschehens, eingebettet waren [HÄNDLER 2005].

So vielgestaltig die historische Kulturlandschaft dieser Kleinregion ist, so mannigfach ist auch ihre jahrhundertealte Geschichte, die im Wesentlichen vom Verlauf der Agrarkonjunktur abhängig war.

Dabei kennzeichneten während des Mittelalters wie auch in der frühen Neuzeit insbesondere schwere landwirtschaftliche Krisen und anhaltende Agrardepressionen mit Hungerjahren das bäuerliche Leben und Arbeiten.

Die Dörfer Heinade, Hellental und Merxhausen, wie auch Denkiehausen, sollen hier als eigener Sozialraum betrachteten werden, bis heute gekennzeichnet vom sozialen Miteinander - und auch Gegeneinander.

Aus der heutigen Position des beginnenden 21. Jahrhunderts zurückblickend, mag vordergründig bisweilen das Dorf als eine festgefügte Gemeinschaft weitgehend sozial gleichgestellter Personen erscheinen.

Dieser zu einfachen wie vereinfachenden Annahme wird im Kontext der historischen Betrachtung auch anhand der hier veröffentlichten Personendaten zu widersprechen sein.

Eingebettet zwischen den nördlichen Ausläufern des Solling-Mittelgebirges und dem markanten Holzberg gehörte dieser entlegene Sozial- und Grenzraum des heutigen Weserberglandes vormals, seit dem Spätmittelalter, zum alten Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel.

Aber erst nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, also nach 1648, war der alte Weserdistrikt stärker in das Blickfeld der Zentralverwaltung des Landes Braunschweig getreten.

Während Heinade, Merxhausen und Denkiehausen mittelalterliche Bauerndörfer des hier betrachteten südniedersächsischen Berglandes sind, kann das Hellental mit seiner späten, erst frühneuzeitlichen Besiedlung hingegen eher als vorindustrielle „Gewerbelandschaft“ angesprochen werden.

Die wichtigste Einnahmequelle der Landleute der beiden nördlichen Sollingranddörfer Heinade und Merxhausen war ehemals die Landwirtschaft.

Heute sind die Folgen der modernen Mechanisierung und Spezialisierung in der Landwirtschaft allgegenwärtig.

So spielt die ehemals bedeutende Landwirtschaft in den hier betrachteten vier Dörfern eine immer mehr nachlassende Nebenrolle.

Inzwischen entwickelten sich Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen vornehmlich zu Wohn-Pendler-Orten mit Freizeit-Feierabendgemeinschaften.

Neben einer orientierenden Skizze zum traditionellen bäuerlichen Landleben soll unter gewerbegeschichtlichen Aspekten gerade auch der facettenreiche teils legale, teils illegale Nebenerwerb durch ländliches Handwerk und Gewerbe - die Landleute als nichtzünftige „Pfuscher“ am Solling und Holzberg - mit einer angemessenen Betrachtung bedacht werden.

Während der frühen Neuzeit teilte sich die Landbevölkerung in „Vollbauern“ und „unterbäuerliche Schichten“ auf, die sich charakterisierend für diese Epoche stetig vergrößerte.

Angehörige jener „unterbäuerlichen Schichten“ waren typischerweise Kleinbauern ohne ausreichend großes Land für ihre auschließlich agarische Subsistenz, aber auch alleinige Hausbesitzer sowie land- und hausbesitzlose Familien.

Sie konnten sich nicht alleine auf landwirtschaftlicher Grundlage bedarfsgerecht ernähren.

Eine minimale Acker- oder Viehwirtschaft, nichtzünftiges ländliches Handwerk, hausgewerbliche Tätigkeiten sowie Lohnarbeit dienten, wie in Hellental, als Lebensgrundlage.

Zeittypisch für Hellental, wie auch für andere Sollingdörfer, war, dass der Lebensunterhalt der meisten Familien nur durch Erwerbsarbeit verdient oder ergänzt werden konnte; Lebensmittel mussten gekauft oder zumindest zugekauft werden.

Archäologische Spuren in Form steinerner Hinterlassenschaften prähistorischer Menschen weisen heute darauf hin, dass wahrscheinlich bereits vor 7.500–10.000 Jahren - während der Mittelsteinzeit (Mesolithikum), der Übergangsphase zwischen Alt- und Jungsteinzeit - zwischen dem Dassler Becken und dem Stadtoldendorfer Raum, aber auch im Verlauf des Hellentales nomadisierende Menschen als Rentierjäger aktiv gewesen sind.

Hierzu kann auf einige wenige frühgeschichtliche Funde in der Nähe von Heinade, Merxhausen und Denkiehausen sowie neuerdings auch im Hellental verwiesen werden.

Zudem bedeutet der Einzelfund eines schlichten Absatzbeils aus Kupferlegierung, dass sich auch während der älteren Bronzezeit (um 1.600 v. Chr.) Menschen in diesem nördlichen Sollingrandgebiet aufgehalten haben.

Darüber hinaus gehende Zeugnisse frühgeschichtlichen Lebens und Arbeitens zwischen Nordsolling und Holzberg liegen bis dato nicht vor.

Mit dem Band 1 der vereinseigenen Dorf-Schriften-Reihe - dem Ortsfamilienbuch „Hellental - Geschichte und Einwohner von 1717 bis 1903” – wurde im Dezember 2003 die erste größere und in sich geschlossene Veröffentlichung vorgelegt.

Das Hellentaler Ortsfamilienbuch wurde von den beiden Autoren Wolfgang F. Nägeler und Dr. Klaus A. E. Weber als erstes Teilprojekt der noch zu erstellenden Gesamtausgabe der „Ortschronik der Gemeinde Heinade” erarbeitet.

Mit dem hier vorliegenden Band 2 der Dorf-Schriften-Reihe unseres Heimat- und Geschichtsvereins wird ein weiteres, umfangreicheres Ortsfamilienbuch veröffentlicht, das „Ortsfamilienbuch Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen ab 1648“.

Auf Grund des großen Text- und Datenumfanges war es redaktionell erforderlich, das Ortsfamilienbuch in Halbbände zu gliedern:

 

Erster Halbband

Kapitel 1-5

Historische Betrachtungen und ortsgeschichtliche Beiträge

von Dr. Klaus A. E. Weber

 

Zweiter Halbband

Kapitel 6

Einwohner und Familien

von Wolfgang F. Nägeler

 

Ein Ortsfamilienbuch, in der Fachliteratur oft auch als „Ortssippenbuch“ bezeichnet, verfolgt im Wesentlichen das Anliegen, Sippen als größere Gruppen verwandter Personen wie auch Einzelpersonen eines Ortes von der frühesten nachweislichen Beurkundung bis zu einem definierten Zeitraum genealogisch (familiengeschichtsforschend) zu ermitteln und nach anerkannten Regeln zusammenzustellen.

Die hieraus resultierenden Erkenntnisse werden zur öffentlichen Verfügbarkeit aufbereitet, um sie für nachfolgende Generationen bleibend zu erhalten.

Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass sich Familiennamen erst in der Zeit der ausgeprägten Binnenwanderung während des Mittelalters entwickelten, woraus auch Herkunftsnamen entstanden.

Anzumerken ist auch, dass in der verfügbaren Literatur nur gleichsam fragmentarisch nebeneinander stehende, themenspezifische Abhandlungen und Betrachtungen zu unterschiedlichen Einzelaspekten über die Dörfer Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen und zu ihrer spätmittelalterlichen, im Falle von Hellental relativ jungen frühneuzeitlichen Geschichte zu finden sind.

Hingegen fehlt bislang aber eine umfassende, inhaltlich bündelnde Zusammenschau dessen, was die vier Dörfer heimat- und naturkundlich wie auch vornehmlich ortsgeschichtlich auszeichnet.

Für zahlreiche Ortschaften im Landkreis Holzminden wurden bereits Höfe-, Häuser- oder Dorfchroniken erstellt; zudem liegen auch umfängliche Register und Chroniken mit überwiegend familienkundlichem Bezug vor.

Auf die Ortsfamilienbücher von Nachbargemeinden wird daher verwiesen (u.a. NÄGELER, Wolfgang F.: Ortsfamilienbuch Braak. 1722-1900.)

 

„Die Zukunft beginnt in der Vergangenheit“

Dem vorliegenden Ortsfamilienbuch ist ein orientierender historischer Rückblick auf das eng mit den jeweiligen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bedingungen und nachfolgenden Veränderungen verquickte Schicksal der Menschen in den Dörfern Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen innerhalb des alten Weserdistrikts im ehemaligen Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel vorangestellt.

Hierbei soll aus dem Blickwinkel unseres modernen Zeitalters gleichsam von unten der „Geschichte vor Ort“ nachgegangen und der Dorfgeschichte personenbezogen Namen gegeben werden.

Tiefreichende Veränderungen der ländlichen Lebensbedingungen und damit verbunden auch des dörflichen Siedlungsbildes waren durch die demografischen und ökonomischen Entwicklungen vom 16.-19. Jahrhundert ausgelöst worden.

Bei weitgehend fehlender ortsgeschichtlicher Analyse kann hier nur auf die Beschreibungsebene zurückgegriffen werden.

Angereichert mit wenigen alltagsgeschichtlichen Darstellungen, illustrierenden Abbildungen und Tabellen werden einleitend im ersten Halbband historische „Skizzen“ von für Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen wesentlichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Prozessen der hier betrachteten Epochen zwischen 1648-1926 vorangestellt.

Die mehrjährigen historischen Auseinandersetzungen mit der in das überregionale Geschehen, insbesondere aber in die „Geschichtslandschaft Weserbergland“ eingebetteten Dorfgeschichte liess - frei nach Wilhelm Raabe (1831-1910) – für den Autor deutlich erkennen: „Im engsten Ringe – weltweite Dinge“

In den Naturräumen des nördlichen Sollings und der anschließenden hügeligen Landschaft des Holz- und Heukenberges mit den Talsenken um Heinade, Merxhausen und Denkiehausen und im Hellental vollzog sich ein beispielhaftes Wechselspiel zwischen der durch Menschenhand veränderten Natur und Landschaft und den sich lokal auswirkenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen während des ausgehenden Spätmittelalters, der frühen Neuzeit und des Aufbruchs zur Industrialisierung gegen Ende des 18. Jahrhunderts.

Das folgende 19. Jahrhundert gilt als die eigentliche Epoche der Industrialisierung.

Die Bedeutung der zuvor bestehenden, alten landwirtschaftlichen Ordnung wird ebenso skizziert wie deren Aufhebung durch die Agrarreformen des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts (→ Abschnitte 1.5, 1.13).

Zudem gilt es die zahlreichen Einwanderungen, vor allem aber die erheblichen Auswanderungen im 18./19. Jahrhundert (Aufbruch in die „Neue Welt“ – das „Americafieber“) und deren politische wie soziale Dimension im demografischen Wandel zu skizzieren (→ Abschnitte 1.19).

Hierbei wird deutlich, dass Migration und „demografischer Wandel“ nicht nur besonders zentrale (wieder entdeckte) Themen der Gegenwart sind, sondern vielmehr bereits auch welche in der Vergangenheit waren.

Das vorliegende Werk über Landleute zwischen Nordsolling und „Holtzberg“ kann nicht zuletzt aus redaktionellen Gründen nicht alle wesentlichen Aspekte der Siedlungs-, Wirtschafts- und Gewerbe-, Sozial- und allgemeinen Dorfgeschichte von Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen zwischen 1648-1926 aufgreifen.

Daher wurden nur einige für das Ortsfamilienbuch wesentlich erscheindende Segmente ausgewählt und in den Buchabschnitten 1.1 – 1.25 des ersten Halbbandes näher beleuchtet.

Die ländlichen, agrarischen wie nicht-agrarischen Einkommensstrukturen erlangten in der frühen Neuzeit zunehmend an Bedeutung.

Sie werden daher in ihren Grundzügen gegenübergestellt. Wirtschafts- bzw. gewerbegeschichtlichen Aspekten wurde insbesondere auch deshalb nachgegangen, da in unserer Zeit der klassischen Erwerbsarbeit nicht mehr die Bedeutung zukommt, die sie früher einmal innehatte. Erwerbsarbeit gilt heute nicht mehr als alleinig Sinn stiftend.

 

Die Landschaft formte die Arbeit der Menschen und die Menschen formten die Landschaft

Die aufkommenden, vielfältigen ländlichen Nebentätigkeiten der hier betrachteten Dorfbewohner orientierten sich an der seit Jahrhunderten vorherrschenden Landwirtschaft und etwa ab dem 18. Jahrhundert maßgeblich auch an den zwischen Solling und Holzberg vorgefundenen, anderen natürlichen Ressourcen, wie u.a. Holz, Wasser und Buntsandstein.

Neben dem traditionellen bäuerlichen Haupterwerb nahm hierbei in den Dörfern das facettenreiche Landgewerbe allmählich mit staatlicher Förderung an Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung zu, wie insbesondere an der frühneuzeitlichen Dorfentstehung und -geschichte von Hellental anschaulich dokumentiert werden kann.

Wie darzustellen ist, kam in den vier Dörfern dem Heimgewerbe, allen voran dem ergiebigen, exportorientierten Garnspinnen und Leinenweben (→ Abschnitt 1.14), eine hervorgehobene wirtschaftliche und damit verbunden auch eine besondere soziale Bedeutung im Siedlungsraum zwischen dem nördlichen Sollingrand und dem Holzberg zu, aber auch dem Arbeiten in Glashütten, Hämmern, Kalköfen und in den Solling-Steinbrüchen.

Das im Hellental seit dem Mittelalter beheimatete Glashütenwesen erhält dabei in der einleitenden historischen Betrachtung einen eigenen Schwerpunkt, nicht zuletzt auf Grund der hier in den letzten Jahren allmählich vorangeschrittenen Untersuchungen und der neueren Entdeckungen (→ Abschnitt 1.7).

Die in den vier hier betrachteten Dörfern lebenden und arbeitenden Familien schufen in den zurückliegenden Jahrhunderten wichtige Grundlagen und buchstäblich „Bausteine” zu unserem heutigen Lebensstandard und Lebensgefühl in den spätmittelalterlichen Bauerndörfern Heinade (→ Abschnitt 2.1), Merxhausen (→ Abschnitt 2.3) und Denkiehausen (→ Abschnitt 2.4) sowie im entlegenen Waldwinkel Hellental (→ Abschnitt 2.2).

Lange Zeit galt insbesondere das Arbeiterdorf Hellental als eines der abgelegenen Armenhäuser des ehemaligen Weserdistrikts im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel.

Obgleich Denkiehausen als malerisch zwischen dem Amts- und Holzberg eingebetteter Ortsteil der Gemeinde Wangelnstedt nicht zur Gemeinde Heinade gehört, wurde das „jenseitige“ Dorf dennoch berücksichtigt, da die genealogische Forschungsarbeit von Wolfgang F. NÄGELER einerseits einen engen familiären Zusammenhang mit Heinade und Merxhausen ergab, andererseits Denkiehausen - seit 1698 ehemals zum Kirchspiel Deensen zählend - später der „Pfarre“ Heinade zugeordnet wurde.

Daher sind Personenstandsdaten des Dorfes Denkiehausen im Kirchenbuch von Heinade hinterlegt und somit genealogisch mit erfassbar gewesen.

Denkiehausen soll erstmals 1295 urkundlich erwähnt worden sein, als das Kloster Amelungsborn Land erwarb.

In der Folgezeit wechselte das Dorf häufig seine Besitzer, bis es schließlich zum Herzogtum Braunschweig kam.

Denkiehausen hat noch heute einen Gutshof, dessen Ursprung sich bis in das 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.

Die ursprüngliche Idee, zunächst ein Ortsfamilienbuch für Hellental zu erstellen und im Rahmen der Dorf-Schriften-Reihe unseres Heimat- und Geschichtsvereins als Pilotprojekt gesondert zu veröffentlichen, entstand nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass gerade die Genealogie (Familiengeschichtsforschung) von Glasmachern eine wesentliche Voraussetzung zur Erforschung der Glasmacherkunst und der damit verbundenen regionalen und überregionalen Wirtschafts- und Sozialgeschichte darstellt.

Dies gilt speziell auch für das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus einer aufgegebenen, ehemals ortsfesten Glashütte im nördlichen Solling planmäßig entstandenem und staatlich gefördertem Arbeitermigrationsdorf Hellental.

Die zu Beginn des 18. Jahrhunderts zahlreich zugewanderten Glasmacher-Familien waren die ersten Namensträger im bzw. in Hellental überhaupt.

Sie trugen meist Familiennamen, die auf eine entfernte Herkunft ihrer eingewanderten Träger hindeuten.

Weitere Familiennamen kamen während der zweiten Besiedlungsphase in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts hinzu.

Einige der ursprünglichen Familiennamen (z.B. Seitz) finden sich noch heute in Hellental.

Neben den vorwiegend genealogischen Betrachtungen kam noch hinzu, dass das Hellental - als typisches Grünlandtal tief in den Hochsolling eingeschnitten und eines der schönsten Wiesentäler im südniedersächsischen Berg- und Hügelland - ein auch historisch interessanter, von schwerer menschlicher Arbeit geprägter Lebens- und Kulturraum ist.

Dies gilt im Übrigen auch für die spätmittelalterlichen Nachbardörfer Heinade, Merxhausen und Denkiehausen mit ihrem vorwiegend bäuerlichen Entwicklungshintergrund in der „Wilhelm Raabe Region“.

 

Erster Halbband

Landleute am Solling und Holzberg 1648–1926

Historische Betrachtungen und ortsgeschichtliche Beiträge

Alle im vorliegenden Ortsfamilienbuch von 1648–1926 genannten, wie auch die aus verschiedenen Gründen ungenannt gebliebenen Personen agierten ehemals als Einzelne, im Verbund der Familie oder in sonstigen sozialen Arbeits- und Lebensverbindungen mehr oder minder aktiv auf der breiten Bühne der „großen“ wie „kleinen“ Geschichte.

Wesentliches Ziel der anschließenden „historischen Betrachtungen“ war es daher, für die einstigen Akteure - als Landleute zwischen Solling und Holzberg - zeitgeschichtliche Kulissen zu skizzieren, die die historisch bedeutsamen Epochen und Vorgänge wie auch die „großen“ und „kleinen“, die europäischen, nationalstaatlichen, regionalen und lokal-dörflichen Ereignisse näherungsweise abbilden.

Um diesen Lebenskontext verstehbar zu machen, wird im ersten Halbband (Kapitel 1–4) ausschnittsweise das Zeitfenster des 17.-20. Jahrhunderts geöffnet.

Dabei kann kein Anspruch auf eine thematische, regional- und zeitgeschichtliche Vollständigkeit erhoben werden.

Ebenso wenig soll dieser Eingangsband eine unter wissenschaftlichen Kriterien erstellte Ortschronik für die vier Dörfer darstellen oder diese gar vorweg nehmen.

Vielmehr ist es das Ziel, im Rahmen des Ortsfamilienbuches einen orientierenden historischen Überblick zu geben, unter Einbindung des naturräumlichen und historischen, insbesondere aber landeshistorischen Umfeldes.

Die intensivierte ortsgeschichtliche Erforschung von Heinade, Hellental und Merxhausen hat erst begonnen und befindet sich noch „in statu nascendi“.

Die Ortsgeschichte von Denkiehausen hingegen wurde bereits von Wolfgang ANDERS hinreichend erforscht und in seinem Anfang Oktober 2004 veröffentlichten Werk „Geschichte der Gemeinde Wangelnstedt und ihrer Ortsteile“ ausführlich niedergelegt (ANDERS 2004 → Teil I, S. 13-84).

Hinsichtlich der Siedlungs- und Stadtgeschichte der benachbarten Stadt Stadtoldendorf, heute Verwaltungssitz der gleichnamigen Samtgemeinde, zu der auch die hier betrachteten vier Dörfer der Gemeinde Heinade zählen, wird auf die alten Chroniken von Ernst EGGELING (1936) und Wilhelm RAULD (1974) sowie insbesondere auf das von Hans-Günter PARTISCH verfasste „Urkundenbuch der Stadt Stadtoldendorf“ (2005) verwiesen.

Stadtoldendorf feierte in der ersten Jahreshälfte 2005 das 750-jährige Bestehen als Stadt (Verleihung der Stadtrechte).

Soweit bislang für den Autor des ersten Halbbandes erschließbar, wurde für die historische Einleitung im Wesentlichen regionale Sekundärliteratur sowie nicht in jedem Falle im Original eingesehenes, aber in Fotokopie vorliegendes primäres Quellenmaterial vornehmlich aus dem Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel orientierend ausgewertet.

Viele ortsgeschichtliche Aussagen zu Heinade, Hellental und Merxhausen sind somit nur als vorläufig anzusehen, da sie teilweise bislang quellenmäßig nicht ausreichend belegt erscheinen.

Das Erschließen, Dokumentieren und Auswerten primärer Quellen wird künfig eine zentrale Aufgabe der noch zu erstellenden „Ortschronik der Gemeinde Heinade“ sein.

Bei oft auch fehlender Quellenlage zur frühen Dorfgeschichte kommt gerade den im zweiten Halbband vorgelegten genealogischen Forschungsergebnissen von Wolfgang NÄGELER eine historisch wertvolle, „kompensierende” Funktion zu.

Ein besonderer Akzent künftiger Vereinsarbeit wäre sicherlich auch in der Erstellung eines „Häuserbuches“ bzw. einer Häuserchronik für Heinade, Hellental und Merxhausen zu sehen - mit der Zuordnung von Einwohnern und Familien zu ihren Wohnsitzen bzw. von Häusern zu ihren ehemaligen Bewohnern.

In der vorliegenden Veröffentlichung konnte dieser lokalhistorisch interessante Blickwinkel allerdings nur stellenweise und in Ansätzen berücksichtigt werden.

Erwartungsgemäß sind für die kleinen Dörfer Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen keine gesonderten expliziten sozialwissenschaftlichen oder sozialhistorischen Untersuchungen und Veröffentlichungen verfügbar.

Deshalb erfolgen in der historischen Einleitung Hinweise auf regionale und überregionale geschichtliche Vorgänge und Geschehnisse des 17.-20. Jahrhunderts, die Annahmen und Interpretationen für die Dorfgeschichte und das Leben, Wohnen und Arbeiten der Einwohner und ihrer Familien in den Dörfern herleiten lassen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Herzogtum Braunschweig des 17.-19. Jahrhunderts die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Dorf zu Dorf teilweise erheblich variierten.

Beispielhaft angeführte Überlieferungen lokaler (mundartsprachlicher) Volkserzählungen, die im 19./20. Jahrhundert aufgezeichnet wurden, sollen das Bild des facettenreichen Lebens und Arbeitens der Landleute am Nordsolling und Holzberg abrundend illustrieren.

Um im Text häufig verwendete historische Begriffe stichwortartig zu erläutern, wurde ein Glossar - ein Stichwörterverzeichnis mit Worterklärungen, einschl. alter Orts- und Flurbezeichnungen sowie alter Maßeinheiten und Münzen - am Ende des ersten Halbbandes eingefügt.

Zur kurzgefassten historischen Übersicht wurde eine Zeittafel, die als Kalendarium die vier Dörfer im Spiegel der Geschichte vom Spätmittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts präsentiert, erstellt.

Das Autorenteam war sich bei der Erstellung des Ortsfamilienbuches sehr wohl bewusst, dass ein Ortsfamilienbuch allgemein nicht Zeile für Zeile gelesen werden kann, wie etwa Romane, Erzählungen oder Presseberichte.

In dem Ortsfamilienbuch soll vielmehr individuell und gezielt nachgeschlagen werden, zur eigenen, vielfach wohl auch spannenden Erkenntnisanreicherung.

Beim aufmerksamen Lesen der historischen Personendaten wird rasch deutlich werden, dass es sich hierbei durchaus um „sprechende” und „erzählende” Zahlen und Angaben handelt, die Lokalgeschichtliches wie auch Dorfgeschichten vermitteln können.

Es war erklärtes Ziel aller Autoren, ein „lesbares“ Ortsfamilienbuch zu gestalten, in Verantwortung vor der Vergangenheit und in Würdigung verstorbener Menschen.

 

Zweiter Halbband

Einwohner und Familien von Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen

Die umfangreichen Personenstandsdaten des Ortsfamilienbuches (Kapitel 6) und ihre genealogisch erkennbaren Zusammenhänge wurden von dem auch überregional gut ausgewiesenen Familienforscher Wolfgang F. NÄGELER (Stadtoldendorf) mit großem Engagement und in mühevoller, zeitintensiver Forschungsarbeit in den Jahren 2002-2005 ermittelt, rechnergestützt ausgewertet (Personenstandsarchiv) und im zweiten Halbband mit Registerteilen übersichtlich und nutzungsbezogen zusammengestellt.

Unter Wahrung datenschutzrechtlicher Belange reicht die vorgelegte genealogische Personenerfassung von 1648-1926, also über eine Zeitspanne von fast 280 Jahren.

 

Mit ihrer persönlichen schriftlichen Zustimmung wurden zudem jene Personen und Familien zusätzlich berücksichtigt und bis Anfang 2005 aufgenommen, die dies gegenüber dem Redaktionsteam ausdrücklich gewünscht haben.

Zu seinen genealogischen Datenrecherchen zog Wolfgang F. Nägeler als archivalische, personengeschichtliche Primärquellen die Personenregister der verfügbaren Original-Kirchenbücher und Nebenregister von Amelsen, Arholzen, Braak, Deensen, Deitersen, Eilensen, Ellersen, Emmerborn, Heinade, Hellental (c), Krimmensen, Lenne, Linnenkamp, Markoldendorf, Mackensen, Schorborn, Stadtoldendorf, Wangelnstedt aus dem 17.-20. Jahrhundert heran (Geburts-, Tauf-, Trauungs-, Sterbe-, Beerdigungseinträge).

Für den genealogisch untersuchten Zeitraum konnte Wolfgang F. NÄGELER bei über 18.600 Personendatensätzen (Personenstandsdaten von Einzelpersonen) mit über 6.350 erfassten Familien für die Dörfer Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen systematisch dokumentieren und somit für künftige Generationen erhalten.

Legt man konservativ geschätzt pro genealogisch umfänglich erfasstem Personendatensatz realistisch eine durchschnittliche Ermittlungszeit von ca. 30 Minuten zugrunde, so ergibt sich hieraus eine Gesamtbearbeitungszeit von 9.250 Stunden.

Bei einer angenommenen 38,5-Stundenwoche würden sich dabei rund 240 Arbeitswochen bzw. über 1.200 Arbeitstage (über 3 Jahre) bei einem 8-Stunden-Tag allein für die Erfassung der hier im Ortsfamilienbuch veröffentlichten Einwohner- und Familiendaten ergeben.

Ein wesentliche Anliegen von Wolfgang F. NÄGELER war es, alle verfügbaren Quellen inhaltlich vollständig auszuschöpfen, um eine möglichst lückenlos erfasste Genealogie zu erstellen.

Die Vollständigkeit eines Datensatzes ist naturgemäß jedoch davon abhängig, welche Informationen sich aus der jeweiligen Quelle ermitteln lassen.

Hierbei ergab sich aus mehreren Gründen nicht immer die genealogisch gewünschte Quellenlage, so dass ein Anspruch auf Vollständigkeit des hier veröffentlichten Personen- bzw. Namensbestandes nicht erhoben werden kann.

Auch die Veränderlichkeit von Familiennamen und ihrer Schreibweise brachte gelegentlich Schwierigkeiten bei ihrer Registeraufnahme mit sich.

Wie allgemein üblich, wurden die ermittelten Einwohner und Familien alphabetisch geordnet, innerhalb eines Familiennamens chronologisch aufgelistet.

Die Schriftleitung kommt nicht umhin, kritisch anzumerken, dass von Wolfgang F. NÄGELER des Öfteren persönliche wie insbesondere administrative Hürden zu nehmen waren, die zwar in dem einen oder anderen Fall nachvollziehbar erschienen, hingegen aber in ihrer Summe durchaus geeignet waren, die gemeinnützige genealogische Arbeit zu konterkarierten und gar die Erstellung des Ortsfamilienbuches in Frage zu stellen.

Es gilt zum besseren Verständnis darauf hinzuweisen, dass die Führung von Kirchenbüchern erst mit der Einführung der Reformation im Jahre 1569 angeordnet worden war und diese wichtigen Quellen allerdings „nur in seltenen Fällen vollständig erhalten geblieben“ sind [RAULS 1983, S. 80].

  • Mit seinem genealogischen Kernbeitrag hat Wolfgang F. Nägeler eine wichtige Grundlage für eine bleibende Erinnerung an die zahlreichen Bauern- und Landhandwerkerfamilien und ihre oft schwere dörfliche Lebens-, Arbeits- und Leidensgeschichte im 17.-20. Jahrhundert geschaffen. Dafür gebührt ihm seitens der Schrift- und Redaktionsleitung besonderer Dank und höchste Anerkennung für sein bürgerschaftliches Engagement im Ehrenamt.

  • Es sei aber auch all jenen ganz herzlich gedankt, durch deren kritische Anregungen, Hinweise, Mitteilungen und Zuarbeit die Erarbeitung des Ortsfamilienbuches eine wertvolle Ergänzung erfahren hat.

  • Der besondere namentliche Dank gilt Herrn Dr. Christian Leiber (Holzminden), Archäologe und Leiter der Archäologischen Denkmalpflege des Landkreises Holzminden. Er begleitete mit Hilfestellungen und durch motivierende Unterstützung wohlwollend kritisch-fachlich das ehrgeizige Buchprojekt. Zudem ist Herrn Ministerialdirigent Dr. Thomas Sporn (Hannover) für seine besonderen Literaturhinweise zu Wilhelm Raabe zu danken. Ein weiterer namentlicher Dank gebührt Frau Birgit Rawisch (Heinade) für ihre stets freundliche, verständnisvolle und engagierte Unterstützung bei den Recherchearbeiten in den Kirchenbüchern von Heinade.

  • Die Entstehung des Ortsfamilienbuches wurde von Mitgliedern der örtlichen Arbeitsgruppen unseres Heimat- und Geschichtsvereins (HGV-HHM) begleitet und in unterschiedlicher Intensität unterstützt, was sich nicht zuletzt auch in den historischen Betrachtungen und bei den einzelnen dorfgeschichtlichen Darstellungen widerspiegelt.

Eine letztlich nicht übersehbare, zeitintensive Archiv- und Literaturarbeit und Befragung von Zeitzeugen steht den drei HGV-Arbeitsgruppen in den nächsten Jahren noch bevor, um das Ziel der Erstellung einer umfänglichen „Ortschronik für die Gemeinde Heinade“ voranzubringen und tatsächlich realisieren zu können.

Wegweisend sei angemerkt, dass es das Anliegen der Autoren war, mit dem Ortsfamilienbuch einerseits einen besonderen Beitrag zur heimatlichen und sozialen Geschichte und zum Erhalt des ortsgeschichtlichen und kulturellen Erbes zu liefern, andererseits dieses zugleich den heutigen Bewohnern von Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen und darüber hinaus zu verdeutlichen.

Es soll von in Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen lebenden, jungen wie alten (alteingesessenen) Familien, wie gerade aber auch von jenen, die in der Vergangenheit die alten Bauerndöfer Heinade, Merxhausen und Denkiehausen oder das Landhandwerkerdorf Hellental aufgrund privater, sozialer oder wirtschaftlicher Veränderungen verlassen haben, zur persönlichen Erforschung der eigenen Ahnen- und Familiengeschichte dienen, zur Erkundung der eigenen biografischen Wurzeln.

Des Weiteren kann es auch als „zeitloses“ Daten- und Nachschlagewerk für das wissenschaftliche Arbeiten anderer genealogisch, sozialwissenschaftlich oder sozialhistorisch interessierter Personenkreise und Forschender herangezogen werden.

Beim näheren Hinsehen berichten die Personendaten über ein einfaches oder auch abenteuerliches Leben und Arbeiten, über Glück und Wohlstand, über Aufstieg und Fall, über Armut und Elend von Landleuten zwischen dem Nordsolling und dem Holzberg. Das bisher erkennbare ländliche Alltagsleben der kleinen Leute in den vier Döfern - vom letzten Drittel des 17. Jahrhunderts bis zum frühen 20. Jahrhundert - gibt keinerlei Anlass für eine romantisierende ländlich-dörfliche Verklärung früherer Arbeits- und Lebensverhältnisse, wie sie etwa bei Hermann Löns noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts für das abgelegene Hellental nachzulesen ist.

Die mit dem Band 1 bereits Ende 2003 begonnene und mit dem jetzt vorliegenden zweiten Band fortgeführte Dorf-Schriften-Reihe unseres Heimat- und Geschichtsvereins soll einerseits zum gemeinschaftlichen Bekenntnis, andererseits zum historischen Vermächtnis unserer Dörfer und ihrer Familien einen Beitrag leisten, aber auch als Identifikationsgrundlage und zur Förderung des Selbstbewusstseins aller hier lebenden Menschen dienen.

Die Veröffentlichung dieses Ortsfamilienbuches fällt in einen ökonomisch wie demografisch schwierigen, teilweise sich zuspitzenden Zeitabschnitt, in dem langfristig u.a. vielen Dörfern eine soziale und kulturelle Verödung und dem Gemeinwesen insgesamt eine weitere so genannte Unterjüngung bevorsteht.

Es ist eine Zeit des raschen Wandels mit tiefgreifenden wirtschaftlichen und damit einhergehenden sozialen „Umbrüchen“ und sich verschärfender Verteilungskämpfe.

Eine weitere bedeutsame Entwicklung ist zudem, dass der einst natur- und dorfkonform wirtschaftende Bauer zunehmend von Landwirtschaftsunternehmen verdrängt wird [HAUPTMEYER 1995].

Sieht man einmal von den da und dort wachsenden Bemühungen des kleinbetrieblichen ökologischen Landbaues ab, so gehört in erschreckend zunehmendem Maße und in absehbarer Zeit der vormals traditionelle Typus des „natur- und dorfkonform wirtschaftenden Bauerns“ der dörflichen Vergangenheit an.

Damit wird es auch erforderlich, nachfolgenden Generationen die in unseren vornehmlich agrarisch gepägten Dörfern mit Familiennamen verknüpften Entwicklungen und Strukturen ländlichen Lebens und der traditionellen bäuerlichen Hofwirtschaft verdeutlichen.

Daher wird in den historischen Betrachtungen auch über die Phasen und den Wandel der Mensch und Natur bestimmenden Landwirtschaftsgeschichte berichtet.

Das Autorenteam wünscht sich eine rege fachliche Begleitung und konstruktive Kritik für eine weitere Auflage.

Möge auch der zweite Band unserer Dorf-Schriften-Reihe Anregungen zum weiteren Nachdenken geben und eine große Verbreitung finden - denn, „nur wer die eigene Geschichte kennt, ist für die Zukunft gerüstet.”

Dabei gilt gerade im „Einsteinjahr 2005“, aber auch darüber hinaus, dass es wichtig ist, niemals aufzuhören, zu fragen.

Auch hierzu soll das vorliegende Buch einen bescheidenen Beitrag leisten.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine spannende historische Entdeckungs- und Zeitreise – begleitet von zahlreichen Landleuten zwischen dem Solling und dem Holzberg.

Hellental, im Mai 2005 (Redaktionsschluss: 01. Juni 2005)

Dr. Klaus A. E. Weber

Redaktions- und Schriftleitung

stellvertretender Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins für Heinade-Hellental-Merxhausen e.V.

 

Vorstellung des Ortsfamilienbuches

am 27. Juni 2005 im Gemeindezentrum Heinade

Vortrag von Dr. Klaus A.E. Weber (Schriftleitung)

 

Als Leiter der Dorf-Schriften-Reihe unseres Heimat- und Geschichtsvereins darf ich Sie zu unserer außergewöhnlichen, produktorientiert geradezu gewichtigen Veranstaltung ganz herzlich willkommen heißen.

Wir begreifen heute den Menschen als Namen tragendes Gemeinwesen.

Seit es für den modernen individualisierten Menschen Namen gibt, erzählen diese Geschichte wie Geschichten.

Familiennamen ermöglichen heute interessante Einblicke in längst vergangene Epochen.

Sie erzählen vom vielfältigen Handwerksleben, von den Waren und Gerätschaften, die für mittelalterliche Menschen bedeutsam waren.

Die Familiennamen erzählen aber auch von der Abhängigkeit der bäuerlichen Bevölkerung und von der Art und Weise, wie Menschen von ihrer sozialen Umgebung gesehen und beurteilt wurden.

Insbesondere in der familienkundlichen Erforschung - in der Genealogie – stoßen Forschende immer wieder an persönliche wie auch fachlich-methodische Grenzen.

Genau diese Grenzen aber machen Forschende besonders neugierig – so auch die beiden Hauptautoren des Ortsfamilienbuches für das Kirchspiel Heinade mit seinen vier Dörfern.

Die Veröffentlichung unseres Buches mit dem Haupttitel „Geschichte und Einwohner zwischen Solling und Holzberg ab 1648“ fällt in einen ökonomisch wie demografisch schwierigen, teilweise sich auch zuspitzenden Zeitabschnitt.

In den kommenden Jahren steht vielen Dörfern eine soziale und kulturelle Verödung und unserer Gesamtgesellschaft ein enormer herausfordernder „demografischer Wandel“ bevor.

Es ist eine eng am Kapital orientierte Zeit des raschen Wandels mit tief greifenden wirtschaftlichen und damit einhergehenden sozialen „Umbrüchen“ und sich verschärfenden Verteilungskämpfen.

Dabei sollte inzwischen ein gesellschaftlicher und politischer, bis hin auch kommunalpolitischer Konsens gereift sein, dass die finanziellen Aufwendungen für das, was wir zu Recht und mit gelegentlichem Stolz gerne als „unsere Kultur“ bezeichnen, nicht als bloße „Subvention“ anzusehen sind.

Subventioniert werden beispielsweise schwarze Zahlen schreibende Industrieunternehmen oder auch agrarindustrielle Produzenten.

Eine intelligente Gesellschaft und Politik muss sich heute darüber im Klaren sein, dass für deren Zukunftsfähigkeit ausreichend in eben diese „unsere Kultur“ investiert werden muss – zumindest auf Landes- und kommunaler Ebene.

In diesem Zusammenhang sei mir ein nachdenklicher und zugleich auch fragend appellierender Exkurs gestattet, dessen Inhalt mich während der Erstellungsphase des Ortsfamilienbuches zunehmend beschäftigte und gefangen hielt.

Rückblickend gilt nach dem Hannoveraner Historiker Carl-Hans Hauptmeyer das alte bäuerliche bzw. vorindustrielle Dorf als ein Bereich des Friedens, der Nachbarschaft und der guten Wirtschaft.

Ausblickend gab Carl-Hans Hauptmeyer bereits vor 10 Jahren aber kritisch zu bedenken:

„Die in der gesamten Industrialisierungsphase seit der Mitte des 19. Jahrhunderts schon arg gebeutelte und nach städtisch-romantischen Mustern folklorisierte dörfliche Kultur stirbt nun völlig ab und wird endgültig zum musealen Restgut. Traditionen lassen sich kaum mehr weiter tragen, weil die Zahl der Menschen, denen etwas tradiert werden könnte, immer kleiner wird.“

Hierbei drängt sich für uns alle eine Vielzahl grundsätzlicher Fragen auf, auf die wir alle - in unseren unterschiedlichen Funktionen - in absehbarer Zeit konkrete, zukunftsweisende Antworten finden müssen.

  • Welche Zukunft werden die heutigen Dörfer haben, insbesondere jene, die in einer peripheren Region liegen?

  • Wer bewohnt heute und künftig noch das Dorf als solches?

  • Was ist zu tun, um die dörfliche, heute nur noch mit Relikten einst vielfältiger Funktionsangebote ausgestattete Infrastruktur wieder herzustellen?

  • Ist das Dorf inzwischen eine in sich langsam, aber stetig zerfallende Welt – und muss dieser Zerfallsprozess zwingend so akzeptiert werden?

  • Haben wir in den Dörfern noch soziokulturelle Restwerte, die es zu bewahren oder gar zukunftsweisend zu reaktivieren gilt?

  • Was war positiv, was war negativ am alten Dorf?

  • Was sind die biografisch gewachsenen Interessen früherer und heutiger Dorfbewohner?

  • Was kann aus der Dorfgeschichte für die Gestaltung unserer Zukunft abgeleitet werden?

Mit dem vorliegenden Band 2 der Dorf-Schriften-Reihe unseres Heimat- und Geschichtsvereins wird heute Abend ein Ortsfamilienbuch veröffentlicht, das auf Grund seiner Konzeption und seines Text- und Datenumfanges von rund 1.200 Seiten redaktionell in Halbbände gegliedert wurde.

Der erste Halbband beinhaltet historische Betrachtungen und ortsgeschichtliche Beiträge zum Leben und Arbeiten der Landleute zwischen Nordsolling und Holzberg.

Im zweiten Halbband werden rund 18.600 Personen mit über 6.350 Familien für die Dörfer Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen systematisch genealogisch in verschiedenen Registern zusammengefasst.

Die benannten Dorfbewohner lebten in der wechselhaften, oft auch leidvollen Zeit

  • des Wandels der Verwaltung im Weserdistrikt des einstigen „blau-gelben“ Kleinstaates Braunschweig

  • der traditionellen bäuerlichen Hofwirtschaft und der agrarischen Modernisierung

  • der edlen freien Kunst der Herstellung von Hohl- und Flachgläsern im „gläsernen Herzen Niedersachsens“

  • des Besetzens, Mordens, Brandschatzens und Plünderns im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648

  • der Schreckensjahre des Siebenjährigen Krieges 1756-1763

  • des Flachsanbaus, des Garnspinnens, der Leinwandproduktion und des aufkommenden Landhandwerks

  • der kurzen, aber gewaltigen „Napoleonischen Epoche" 1807-1813

  • der schweren Choleraepidemie von 1850

  • des beschwerlichen Aufbruchs zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert mit Verschärfung der sozialen Situation „kleiner Landleute“, begleitet von dramatischen Binnen- und Auswanderungen

  • der Lust der Sollinger am Tumultieren von 1848

  • der verbreiteten Wilddieberei als besondere, rebellische „Nebentätigkeit“

  • der „Volldampf voraus-Gesellschaft“ der „Wilhelminischen Ära“ - mit Nationalismus, Allmachtsgedanken und der verheerenden Idee eines „Großen Krieges“

  • und der darauf folgenden „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, des Ersten Weltkrieges 1914-1918.

Die vorangestellten historischen Betrachtungen und ortsgeschichtlichen Beiträge verfolgen allerdings nicht das Ziel, ein in sich geschlossenes Geschichtsbild der hier betrachteten vier Dörfer zu entwerfen.

Einen solchen Anspruch kann, wenn überhaupt, nur eine wissenschaftlich orientierte Ortschronik näherungsweise erfüllen.

Archäologische Spuren in Form steinerner Hinterlassenschaften prähistorischer Menschen weisen darauf hin, dass wahrscheinlich bereits vor 7.500 bis 10.000 Jahren – also während der Mittelsteinzeit, der Übergangsphase zwischen Alt- und Jungsteinzeit - zwischen dem Dassler Becken und dem Stadtoldendorfer Raum, aber auch im Verlauf des Hellentaler Grabenbruchs Menschen aktiv waren.

Hierzu kann auf einige wenige frühgeschichtliche Funde in der Nähe von Heinade, Merxhausen und Denkiehausen sowie neuerdings auch im Hellental verwiesen werden.

Zudem bedeutet der Einzelfund eines schlichten Absatzbeils aus Kupferlegierung, das sich während der älteren Bronzezeit Menschen in diesem nördlichen Sollingrandgebiet aufgehalten haben.

So vielgestaltig die historische Kulturlandschaft der hiesigen Kleinregion ist, so mannigfach ist auch ihre jahrhundertealte Geschichte.

Sie war im Wesentlichen vom Verlauf der Agrarkonjunktur abhängig.

Dabei kennzeichnete während des Mittelalters wie auch in der frühen Neuzeit insbesondere schwere landwirtschaftliche Krisen und anhaltende Agrardepressionen mit Hungerjahren das bäuerliche Leben und Arbeiten.

Aus der Position des beginnenden 21. Jahrhunderts zurückblickend, mag das Dorf vordergründig bisweilen als eine fest gefügte Gemeinschaft weitgehend sozial gleichgestellter Personen erscheinen.

Dieser vereinfachenden Annahme wird im Kontext der historischen Betrachtungen und der veröffentlichten Personendaten zu widersprechen sein.

Während Heinade, Merxhausen und Denkiehausen spätmittelalterliche Bauerndörfer des südniedersächsischen Berglandes sind, kann das Hellental mit seiner späten, erst frühneuzeitlichen Dauerbesiedlung hingegen eher als vorindustrielle „Gewerbelandschaft“ angesprochen werden.

Wie wir heute formulieren, siedelten hier etwa ab dem 18. Jahrhundert Personen mit Migrationshintergrund.

Neben einer orientierenden Skizze zum traditionellen bäuerlichen Landleben soll unter gewerbegeschichtlichen Aspekten gerade auch der facettenreiche, teils legale, teils illegale Nebenerwerb durch ländliches Handwerk und Gewerbe angemessenen bedacht werden.

Während der frühen Neuzeit teilte sich die Landbevölkerung in „Vollbauern“ und „unterbäuerliche Schichten“ auf.

Letztere vergrößerte sich charakterisierend für diese Epoche stetig.

Angehörige „unterbäuerlicher Schichten“ waren typischerweise Kleinbauern ohne ausreichend großes Land für ihre agrarische Subsistenz, aber auch alleinige Hausbesitzer oder land- und hausbesitzlose Familien.

Sie konnten sich nicht alleine auf landwirtschaftlicher Grundlage bedarfsgerecht ernähren. Eine minimale Acker- oder Viehwirtschaft, nichtzünftiges ländliches Handwerk, hausgewerbliche Tätigkeiten sowie Lohnarbeit dienten ihnen als Lebensgrundlage.

Als Sozialmediziner interessierte es mich ganz besonders, aus dem Blickwinkel unseres modernen Zeitalters gleichsam von unten der „Geschichte vor Ort“ nachzugehen und der Dorfgeschichte personenbezogen Namen zu geben. Bei weitgehend fehlender ortsgeschichtlicher Analyse kann dabei bislang nur auf die Beschreibungsebene zurückgegriffen werden.

Angereichert mit alltagsgeschichtlichen Darstellungen, illustrierenden Abbildungen und Tabellen werden im ersten Halbband historische „Skizzen“ von für den Sozialraum Heinade, Hellental, Merxhausen und Denkiehausen wesentlichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Prozessen der hier betrachteten Epochen zwischen 1648 bis 1926 entworfen.

Tiefreichende Veränderungen der ländlichen Lebensbedingungen und damit verbunden auch des dörflichen Siedlungsbildes waren durch die demografischen und ökonomischen Entwicklungen vom 16.-19. Jahrhundert ausgelöst worden, die es in groben Zügen in einzelnen Kapiteln darzustellen galt.

Die aufkommenden, vielfältigen ländlichen Nebentätigkeiten der Dorfbewohner orientierten sich zunächst an der seit Jahrhunderten vorherrschenden Landwirtschaft – der „old economy“ - und etwa ab dem 18. Jahrhundert maßgeblich auch an den zwischen Solling und Holzberg vorgefundenen natürlichen Ressourcen, wie Holz, Wasser und Buntsandstein.

Neben dem traditionellen bäuerlichen Haupterwerb nahm hierbei in den Dörfern das vielgestaltige Landgewerbe allmählich und mit staatlicher Förderung an Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung zu, wie insbesondere an der frühneuzeitlichen Siedlungsentstehung und Dorfgeschichte von Hellental veranschaulicht werden kann.

In den Dörfern des Siedlungsraumes zwischen nördlichem Sollingrand und dem Holzberg kam ehemals dem Heimgewerbe, allen voran dem ergiebigen, exportorientierten Garnspinnen und Leinenweben, eine hervorgehobene wirtschaftliche und damit verbunden auch eine besondere soziale Bedeutung zu; ebenso dem Arbeiten in Glashütten, Hämmern, Kalköfen und in den Solling-Steinbrüchen.

Die mit teils auch mit amüsanten Dorfgeschichten gewürzte Lokalhistorie zwischen Nordsolling und Holzberg umfasst in vier Hauptabschnitten:

  • Heinade als ein altes Bauern- und Pfarrdorf zwischen Solling, Holzberg und Heukenberg,

  • Hellental als ein fast tirolerisch anmutendes Holzhauerdorf im nördlichen Sollinge,

  • Merxhausen als ein altes bäuerliches Dörp undern Sollige

  • Denkiehausen als ein idyllisch zwischen dem Holzberg und den Amtsbergen gelegenes Kapellendorf.

Obgleich Denkiehausen als malerisch zwischen dem Amts- und Holzberg eingebetteter Ortsteil der Gemeinde Wangelnstedt nicht zur Gebietskörperschaft der Gemeinde Heinade gehört, wurde das „jenseitige“ Dorf dennoch berücksichtigt, da die genealogische Forschungsarbeit einerseits einen engen familiären Zusammenhang mit Heinade und Merxhausen ergab, andererseits Denkiehausen einst der „Pfarre“ Heinade zugeordnet wurde.

Wie aus dem Buchtitel hergeleitet werden kann, beinhaltet das Ortsfamilienbuch wesentliche Aspekte einer ortsgeschichtlichen Abhandlung über die vier Dörfer, ohne jedoch den fachlich qualifizierten Anspruch einer echten Ortschronik erheben zu können und zu wollen.

Eine letztlich nicht übersehbare, zeitintensive Archiv- und Literaturarbeit und Befragung von Zeitzeugen steht den drei HGV-Arbeitsgruppen in den nächsten Jahren noch bevor, um das ehrgeizige Ziel der Erstellung einer „Ortschronik für die Gemeinde Heinade“ voranzubringen und in eigener Regie realisieren zu können.

Dieses Vorhaben bedarf aber eines gleichgewichtigen Engagements und einer tatsächlichen, großen Schreibfreude in allen drei Ortsteilen.

Die umfangreichen Personenstandsdaten des zweiten Halbbandes und ihre genealogisch erkennbaren Zusammenhänge wurden von dem auch überregional gut ausgewiesenen Familienforscher Wolfgang Nägeler mit großem Engagement und in mühevoller, zeitintensiver Forschungsarbeit in den Jahren 2002-2005 ermittelt, rechnergestützt ausgewertet und mit Registerteilen übersichtlich von „A-Z“ - von „Wilhelm Abeking“ bis „Heinrich Zurmöhle“ - zusammengestellt.

Unter Wahrung datenschutzrechtlicher Belange reicht die vorgelegte genealogische Personenerfassung von 1648-1926, also über eine Zeitspanne von fast 280 Jahren.

Mit ihrer persönlichen Zustimmung wurden zudem auch jene Personen und Familien zusätzlich aufgenommen, die dies gegenüber dem Redaktionsteam ausdrücklich wünschten.

Zu seinen genealogischen Datenrecherchen zog Wolfgang Nägeler als Primärquellen aus dem 17.-20. Jahrhundert die Personenregister der verfügbaren Original-Kirchenbücher und Nebenregister von Amelsen, Arholzen, Braak, Deensen, Deitersen, Eilensen, Ellersen, Emmerborn, Heinade, Hellental, Krimmensen, Lenne, Linnenkamp, Markoldendorf, Mackensen, Schorborn, Stadtoldendorf und Wangelnstedt heran.

Legt man - konservativ geschätzt - pro genealogisch erfaßtem Personendatensatz eine durchschnittliche Ermittlungszeit von ca. 30 Minuten zugrunde, so ergibt sich hieraus eine Gesamtbearbeitungszeit von 9.250 Stunden bzw. von rund 240 Arbeitswochen für die Erfassung der im Ortsfamilienbuch veröffentlichten Einwohner- und Familiendaten.

Mit seinem genealogischen Kernbeitrag im Ortsfamilienbuch hat Wolfgang Nägeler eine wichtige Grundlage für eine bleibende Erinnerung an die zahlreichen Bauern- und Landhandwerkerfamilien und ihre oft schwere dörfliche Lebens-, Arbeits- und Leidensgeschichte geschaffen. Dafür gebührt ihm seitens der Schriftleitung besonderer Dank und höchste Anerkennung für sein ehrenamtliches bürgerschaftliches Engagement.

Herrn Wolfgang Anders danke ich für seinen spannenden Beitrag zur Dorfgeschichte von Denkiehausen und zur Frage, wie Merxhausen und Denkiehausen dem Kirchspiel Deensen im 17. Jahrhundert zugeschlagen wurde.

Mein namentlicher Dank gilt ebenso Herrn Dr. Christian Leiber, der als Kommunalarchäologe und Leiter der Archäologischen Denkmalpflege des Landkreises mit Hilfestellungen und durch motivierende Unterstützung wohlwollend wie kritisch-fachlich das Buchprojekt begleitete.

Es sei aber auch all jenen gedankt, durch deren kritische Anregungen, wertvollen Hinweise und Hilfen sowie mit deren Leihgabe von Bildmaterialien und Dokumenten die Erarbeitung des Ortsfamilienbuches wertvolle Ergänzungen erfahren hat.

An dieser Stelle möchte ich mich bei Frau Hella Engel-Nägeler und meiner Frau, Christel Schulz-Weber, ausdrücklich und ganz herzlich dafür bedanken, dass sie über die lange Zeit hinweg, in der wir berufstätigen Ehemänner in unzähligen ehrenamtlichen Stunden mit Hochdruck an dem Ortsfamilienbuch arbeiteten, mit großer weiblicher Intuition und Geduld uns stets ein hohes Maß an Verständnis, Entlastung und Unterstützung zuteilwerden ließen.

Dies gilt insbesondere für die letzten Wochen der angespannten redaktionellen Endphase, in der uns der Computerbildschirm oft häufiger und länger gesehen hat als unsere lieben Ehefrauen.

Beim näheren Hinsehen berichten die vielen Personendaten über ein einfaches oder auch abenteuerliches Leben und Arbeiten, über Glück und Wohlstand, über Aufstieg und Fall, über Armut und Elend von Landleuten zwischen dem Nordsolling und dem Holzberg.

Das bisher erkennbare ländliche Alltagsleben der kleinen Leute in den vier Dörfern gibt keinerlei Anlass für eine romantisierende ländlich-dörfliche Verklärung früherer Arbeits- und Lebensverhältnisse, wie sie etwa bei Hermann Löns zu Beginn des 20. Jahrhunderts für das abgelegene Hellental nachzulesen ist.

Beim aufmerksamen Lesen der Personendaten wird rasch deutlich, dass es sich hierbei um „sprechende” und „erzählende” Zahlen und Angaben handelt, die im Kontext mit den historischen Betrachtungen Lokalgeschichtliches wie auch Dorfgeschichten durchaus lebendig vermitteln können. Anhand ausgewählter Beispiele aus dem druckfrischen Ortsfamilienbuch möchte ich Ihnen dies veranschaulichen:

 

Erstes Beispiel

Die alte Brinksitzerfamilie Engelbrecht kann stellvertretend für das oftmals schwere, auch schicksalhafte Leben von Dorfbewohnern im 19. Jahrhundert herangezogen werden.

Anhand dieser Familie aus Hellental wird deutlich, welche zeitgeschichtlich interessanten Informationen zum früheren Familienleben sich aus den genealogisch ermittelten Personenstandsdaten im Einzelfall ergeben können.

Es handelt sich um das Familienschicksal des 1815 in Hellental geborenen Brinksitzers Carl Friedrich Ludwig Daniel Engelbrecht.

Carl Engelbrecht heiratete 24jährig in Hellental die 22jährige Sophie Catharine Luise Meier.

Aus deren Ehe gingen 3 Kinder hervor.

Das erste Kind wurde 1838 vorehelich geboren, also noch vor der Hochzeit.

Das dritte Kind verstarb knapp 6 Monate nach der Entbindung an „Auszehrung“, möglicherweise an einer Tuberkulose.

Nur wenige Wochen nach der Geburt dieses Kindes war Luise Engelbrecht an „Kehlschwindsucht“, an einer Kehlkopftuberkulose oder Rachendiphtherie, im Alter von 33 Jahren verstorben.

Der 36-jährige Carl Engelbrecht heiratete etwa ein Jahr später Johanne Wilhelmine Luise Kuhlmann, die 26jährige Tochter eines Schuhmachers aus Negenborn.

Aus dieser zweiten Ehe von Carl Engelbrecht gingen drei Töchter hervor.

Die erste Tochter verstarb bereits zwei Wochen nach ihrer Geburt an „Scheuerchen“, an kindlichen Krämpfen unklarer Genese.

1872 verstirbt die dritte Tochter im Alter von vier Jahren an „Rachenbräune“, an der gefürchteten Rachendiphtherie.

 

Zweites Beispiel

Die Plötzlichkeit, Geschwindigkeit und Fremdheit ihres dramatischen Auftretens, verbunden mit einer vergleichsweise hohen Sterblichkeitsrate von 50-60 %, führte zu einer besonderen öffentlichen und politischen Wahrnehmung der Cholera.

Diese die als „große Peitsche“ empfundene eingeschleppte Infektionskrankheit wurde zur großen Leitseuche des 19. Jahrhunderts und zur „Seuche der Armen”.

Soeben noch scheinbar völlig gesund, verfielen an Cholera Erkranke innerhalb weniger Stunden und verstarben unter schmerzhaften Muskelkrämpfen.

Der Choleratod war beim Verlust der Kontrolle über die Ausscheidungsfunktion ein übel riechender, ein wahrhaft schmutziger Tod.

Für die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts mit ihrer ausgeprägten Schamkultur war dies ein unvorstellbar grauenvolles Szenario.

Nach den genealogisch erhobenen Personendaten gab es in den Dörfern Heinade, Merxhausen und Denkiehausen vom 19. August bis zum 08. Oktober 1850 insgesamt 29 Cholera-Sterbefälle.

Dieses Cholera-Cluster ging wahrscheinlich von einem „Indexfall“ in Heinade aus.

Heinade weist mit Abstand sowohl absolut wie auch hinsichtlich der einwohnerbezogenen Sterblichkeitsrate die meisten Cholera-Todesfälle des Jahres 1850 auf.

Der früheste für Heinade dokumentierte Sterbefall datiert vom 19. August, für Merxhausen vom 23. August 1850.

Die Cholera-Epidemie hielt in Heinade mindestens über vier Wochen an, während sie im nahen Merxhausen nur etwa eine Woche währte.

Auch Heinrich Sohnrey beschrieb in seinem 1928 verfassten Solling-Werk „Tchiff, tchaff, toho!” eindrucksvoll die lokale Cholera-Epidemie des Spätsommers 1850.

Dabei wies er auch auf die Besonderheit des Hellentaler Dorfes hin, die Sie dem Ortsfamilienbuch entnehmen können.

 

Drittes Beispiel

An der alten Grenze zwischen dem Herzogtum Braunschweig und dem Königreich Hannover ereigneten sich während der „März-Unruhen“ von 1848 mehrere Übergriffe von „Tumultanten“ gegenüber Verwaltungsstellen.

Insbesondere kam es zu tätlichen Angriffen auf Zollhäuser.

Besonders turbulent war es am 22. März 1848 in Merxhausen zugegangen.

In der Abenddämmerung waren 12-15 Personen aus Heinade, offenbar betrunken und mit Schaufeln, Hacken und anderem Arbeitsgerät ausgerüstet, im nahen Merxhausen erschienen.

Unter ihnen befand sich auch der Ortsvorsteher Friedrich Reuter aus Heinade.

Innerhalb von Merxhausen war es aber zu keinerlei Aktivitäten gekommen, jedoch zu Lärm, Beleidigungen und Drohungen vor dem Gebäude des Nebenzollamtes.

Ein Teil der Heinader „Tumultanten“ zog zu dem nahen braunschweigischen Zollpfahl.

Sie beschädigten diesen „durch Einhacken“ und schlugen das daran befestigte Zollschild ab.

„Durch Schläge und Steinwürfe“ wurde die tumultierende Gruppe auf ihrem Rückweg nach Heinade von einigen Einwohnern aus Merxhausen regelrecht vertrieben.

Offenbar waren aber auch Bewohner von Merxhausen an diesem Angriff beteiligt, da zwei der späteren Angeklagten in Merxhausen wohnten, Dempewolf und Kropp.

Letzterer gab beim Verhör an: „Er habe mit den meisten Einwohnern zu Merxhausen die Plagen der Zollgrenze zu tragen gehabt, und es sei diese Lage durch die Ungefälligkeit des Einnehmers Hartmann noch drückender geworden.“

Die Heinader stießen mit ihrem Vorhaben in Merxhausen deshalb auf keine Resonanz, da zuvor der Leiter des Grenzbezirkes Stadtoldendorf, der preußische Beamte Justus Lohmann, in Merxhausen erschien und dem dortigen Ortsvorsteher zu verstehen gab, dass Merxhausen für den angerichteten Schaden aufkommen müsse, wenn derselbe auch von Fremden angerichtet und kein Einwohner des Dorfes beteiligt gewesen sei.

Des Weiteren drohte Lohmann damit, dass es hiernach die Pflicht der Eingesessenen und ihr eigener Vorteil sei, wenn sie sich dem geplanten Überfalle nicht nur nicht anschlössen, sondern ihn mit aller Macht zu verhindern suchten.

 

Viertes Beispiel

In den politisch wie insbesondere wirtschaftlich zunehmend angespannten 1920er Jahren der „Weimarer Republik“ kam es in einem alten Wohnhaus zu der folgenden Begebenheit zwischen einer im Dorf „Hannechen“ genannten Frau und einer weiteren Ehefrau, die immer in Geldnöten war, da ihr Mann das ohnehin spärliche Einkommen regelmäßig im Dorfkrug „versoff“.

Hannechen hielt sich zu Hause im Wohnzimmer auf.

Sie lag auf dem Sofa und schlief – angeblich -, als die andere Frau zu ihr kam und sie direkt fragte: „Schläfst Du oder wachst Du?“

Hannechen, die die Augen geschlossen hielt, antwortete: „Ja, ich wache!“

Die andere Frau fragte sie daraufhin gezielt: „Kannst Du mir mal 1 Taler borgen?“

Hannechen antwortete prompt: „Nein, ich schlafe!“

Die Frage, um welche beiden Frauen es sich dabei handelte und in welchem der 4 Dörfer sich diese Begebenheit zutrug, wird Ihnen im Ortsfamilienbuch beantwortet.

 

Fünftes Beispiel

Vor 127 Jahren, Anfang Mai 1878, kam es am ersten Osterfeiertag anlässlich des traditionellen Osterfeuers im Hellental zu einem „auf preußischem Forstgrund verübten Exceß“ - „einem Kampf zwischen Braunschweigern und Preußen“, wie es die „Braunschweigischen Anzeigen“ beschrieben.

Die Dorfbewohner von Hellental, das damals noch im Braunschweigischen lag, gingen seit längerer Zeit der Gewohnheit nach, auf dem gegenüberliegenden preußischen Forstgrund ein möglichst großes Osterfeuer anzuzünden, sogar hinter dem dort gezogenen Wildgatter.

Bei dem Osterfeuer vom Mai 1878 wurden nicht nur Teile des kostspieligen Gatters verwendet, sondern auch mit Äxten und Beilen auf preußischem Grund und Boden abgeschlagene Bäume.

Auf Grund des Holzdiebstahls, der Zerstörung des Wildgatters und da durch das Abbrennen des Osterfeuers hätte auch leicht ein Waldbrand entstehen können, begab sich der Oberförster der Oberförsterei Dassel mit sechs Forstbeamten und einem Gendarm an Ort und Stelle, um den groben Unfug zu unterbinden.

Die Vertreter der preußischen Obrigkeit trafen am Abend etwa 150-200 Personen aus Hellental dort an, wo das traditionelle Osterfeuer abgebrannt werden sollte.

Die zahlreichen Hellentaler stießen unter furchtbarem Lärmen und Toben Drohungen gegen die preußischen Beamten aus. Zudem drangen sie gewaltsam auf den für das Osterfeuer bestimmten Platz.

Sie führten zudem Stroh mit sich, um es anzuzünden.

Trotzdem sich die Forstbeamten intensiv bemühten, die Hellentaler Dorfbewohner in Güte von ihrem Vorhaben abzuhalten, legten diese dennoch gewaltsam Feuer.

Daher schritten die preußischen Beamten pflichtgemäß zur Verhaftung der betreffenden Dorfbewohner.

Hierbei wurden die Forstbeamten und der Gendarm von den Tumultanten angegriffen, so dass die Beamten ihre Waffen gebrauchten.

Die an sich in deutlicher Unterzahl agierenden Forstbeamten und der Gendarm hieben wacker drein und hatten nach einem kurzen Gefecht den etwa 200 „Mann“ starken Braunschweiger Feind derartig geschlagen, das sie den fraglichen Platz für sich alleine behaupteten.

Die mitgeführte Schusswaffe kam allerdings nicht zur Anwendung.

Dem hingegen wurden aber die Hirschfänger tüchtig gebraucht.

Jedoch sollen keine lebensgefährlichen Verwundungen vorgekommen sein.

Die tätlichen Auseinandersetzungen bei dem „auf preußischem Forstgrund verübten Exceß“ blieben erwartungsgemäß für einige Hellentaler Osterfeuerteilnehmer nicht ohne polizeiliche und strafrechtliche Folgen.

Zu welchem überraschenden Ergebnis die eingeleitete Untersuchung aus preußischer Sicht schließlich führte, nachdem im Schutz der Dunkelheit nur wenige Dorfbewohner bei dem begangenen Vergehen erkannt worden waren, können Sie im Ortsfamilienbuch nachlesen.

Sechstes und letztes Beispiel

Ein Buchkapitel ist der Binnenwanderung und überseeische Auswanderung gewidmet, einem Phänomen der Armut sozialer Unterschichten.

Von überseeischen Auswanderungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war auch Merxhausen betroffen.

So wurden beispielsweise im April 1866 in den „Braunschweigischen Anzeigen“ die folgenden „beabsichtigten Auswanderungen“ von Merxhausen nach „Amerika“ öffentlich angezeigt:

- der Leineweber Georg Becker, 33 Jahre alt, mit seiner Ehefrau, Louise geb. Bremer, 23 Jahre alt, und seiner Tochter Johanne, 18 Wochen alt;

- die Witwe des Schneiders Carl Dörries, Louise geb. Wagener, 31 Jahre alt, mit ihrem Sohne Carl, 4 Jahre alt;

- die unverehelichte Caroline Bremer, 19 Jahre alt.

Beispielhaft für eine Binnenwanderung findet sich im „Kleinen Werkzeugmuseum“ in Hamburg der Hinweis, dass zu den Hamburger Werkzeugmachern im 19. Jahrhundert auch Heinrich Friedrich Wilhelm Steckel zählte.

Dieser wurde 1819 in Denkiehausen als 5. Kind des Brinksitzers Heinrich Steckel geboren.

Heinrich Friedrich Wilhelm Steckel wohnte seit 1841 in Hamburg.

Er war kurzzeitig - vom Februar bis zum Mai 1843 - in der Werkstatt des Werkzeugmachers Ahrens tätig gewesen.

Bemerkenswert ist, dass der erst 24jährige Heinrich Steckel im Februar 1844 die Hamburger Bürgerrechte erhalten haben soll.

 

Bei unserer Spurensuche wollten wir im Autorenteam das wesentliche Ziel verfolgen, den unterschiedlich langen und unterschiedlich verlaufenen Dorfgeschichten Namen zu geben.

Dabei stellten wir übrigens auch fest, dass früher „die Zeiten weder besser noch die Menschen christlicher“ waren.

Möge auch der zweite Band unserer Dorf-Schriften-Reihe Anregungen zum weiteren Nachdenken geben und eine große Verbreitung finden.

Denn die Zukunft beginnt in der Vergangenheit.

Dabei gilt gerade im „Einsteinjahr 2005“, aber auch darüber hinaus, dass es wichtig ist, niemals aufzuhören, zu fragen.

Auch hierzu soll das Ortsfamilienbuch einen, wenn auch bescheidenen Beitrag leisten.

Im Hinblick auf den angelaufenen Prozess der strategischen Zielbildung des Landkreises kann unser Ortsfamilienbuch auch als kleiner, aber konkreter Mosaikstein zur Stärkung des regionalen Identitäts- und Selbstbewusstseins angesehen werden.

„Armer Leute schlichtes und rechtes Denken und Handeln nachzulesen, ist unseren hastenden Menschen vielleicht ganz heilsam, zum mindesten schadet es keiner Seele.“

So geschrieben bereits vor gut 80 Jahren von Hanshenderk Solljer in den Lebenserinnerungen der Landfrau „Engelchristin“ aus dem Solling.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine spannende historische wie familiäre Entdeckungs- und Zeitreise – begleitet von zahlreichen Landleuten und ihrem Leben, Wohnen und Arbeiten zwischen dem nördlichen Solling und dem „ansehnlichen“ Holzberg, dem Lieblingsberg von Joachim Heinrich Campe.