Protoindustrielle Arbeiterkolonie

Klaus A.E. Weber

 

Ab 1753 erfolgte systematische Anlage des gewerblichen Dorfes Hellental zur „Beförderung des commerce

 

"Statthabende“ Planung und Einrichtung

der seit 1753 im Ausbau befindlichen "Colonie im Hellenthale

Die dörfliche Neusiedlung Hellental verdankt ihre Entstehung in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts dem Gewerbe - der „Beförderung des commerce“ unter Herzog Carl I. (1713-1780) von Braunschweig-Wolfenbüttel.

Es ist ein anschauliches Beispiel für "die Anfänge der Besiedlung der bis dahin so gut wie unbesiedelten geschlossenen Waldgebiete des Sollings und Hils".[32]

So zeigen nach TACKE [12] die Anfänge des Dorfes Hellental im Solling "sehr schön einige Grundsätze der v. Langenschen Siedlungs- und Bevölkerungspolitik".

 

Hellenthal

was wegen des neuen Anbaus

und Einrichtung eines Dorfes

daselbst vorgekommen und

verordnet worden.

ab ann[o]: 1753.

Aktenbestand NLA WO, 2 Alt 14459

 

"Anbau zu Hellenthale" ab 1753

Nach Westen hin um die Quelle und in Nordost und Südwest

Am Ende des 18. Jahrhunderts stieg, trotz wiederholter landwirtschaftlicher Krisen, die Bevölkerung sprunghaft an.

Anfangs der 1750er Jahre setzte unvermittelt eine "kräftige Zusiedlung" ein.[48]

Hierbei kann nur in einem größeren historischen Zusammenhang auch die Siedlung von Hellental während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verstanden werden.

Jene gilt in ihrer Art als typisch für Bestrebungen von Herzog Carl I.[40] und seines fortschrittlichen Oberforstmeisters Johann Georg v. Langen in Fürstenberg im Hinblick auf die staatlichen Maßnahmen nach der herzoglichen Verordnung zum "Neuen Anbau auf dem Lande" vom 19. März 1753.[39]

Es war die Zeit der aufkommenden Wirtschaftsform des Merkantilismus, in der das Braunschweiger Land zu seinen Gunsten Produktionsbetriebe förderte bzw. neu gründete mit dem ökonomischen Ziel, durch eine verstärkte Ausfuhr in Verbindung mit eingeschränkter Einfuhr die defizitäre Staatskasse zu füllen („positive Außenhandelsbilanz“).

Vor diesem fiskalischen Hintergrund erfolgte vor und während des Siebenjährigen Krieges (1756-1783), in den Jahren 1753-1765, im Hellental der an seiner topografischen Situation orientierte Ausbau zu einer dörflichen Siedlung mit dem Dorfplatz um die Bergquelle (Mitte des heutigen Oberdorfes) und entlang des steil abfließenden Baches, der „Steinbeke“.

In dem genannten Zeitraumes siedelten sich im Dorf 15 neue "Ab-/Anbauer" als Handwerker an, die zunächst jeweils einen ½ - 1 Morgen Wiesenland aus dem Merxhäuser Forstgrund erhielten.

Auf dem wenigen Grünland konnten sie allerdings nur wenig Vieh halten.

1765 waren - neben verbliebenen Glashüttenleuten und Forstarbeitern als „alte Ansiedler“ – insgesamt 15 steuerpflichtige Gewerbetreibende "zu Hellenthal" ansässig.

 

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Abbildungen aus JÜRGENS [8]

 

Planmäßig angelegte Arbeiterkolonie

Entstanden durch „Anbauer“ als Zusiedler

Um die dörflich geprägte Besiedlungsphase im Hellental historisch zu erklären, ist darauf hinzuweisen, dass während der Neuzeit die Förderung des ländlichen Gewerbes im kleinen Braunschweiger Territorialstaat eine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung erlangte.

Neben der Verbesserung der landwirtschaftlichen Ertragsfähigkeit durch eine rationellere Landwirtschaft trieb Herzog Carl I. die Gewerbe- und Forstwirtschaft voran, wobei u. a. auch die Anordnung von Gebäuden und Gärten durch eine systematisch-planerische Geometrie ersetzt wurde.[37]

Für den Wirtschaftsraum des Herzogtums Braunschweig wurden auch externe Arbeitskräfte angeworben, da bei beschleunigtem wirtschaftlichem und sozialem Wandel die „Binnenkolonisation“ staatsökonomisch hoch bewertet wurde.[1]

Im Rahmen dieser territorialstaatlichen Wirtschaftsförderung mit Binnenkolonisation entstand schließlich auch die planmäßig angelegte, staatlich geförderte Anlage eines gewerblichen Dorfes - einer Arbeiterkolonie -  mit Beginn des Jahres 1753 im unteren Hellental, an der Stelle der „alten Hütte“.

Die wahrscheinlich in eher einfacher Bauausführung errichtete Glashüttensiedlung drohte um 1746 wüst zu fallen.[2]

Wohl nicht zuletzt durch die oft beschriebene Umsichtigkeit und regionalplanerische Tatkraft des Braunschweiger Hof-Jägermeisters Johann Georg v. Langen (1699–1776), dem auch die Leitung der Siedlungsentwicklung im Solling-Weserraum ("Weser-District") oblag [3], entstand im Hellental anstelle der weitgehend verlassenen und zunehmend zerfallenden Glashüttensiedlung in einer zweiten Siedlungsphase ein neues, das eigentliche Sollingdorf Hellental am westlichen Berghang des trichterförmigen Seitentales.

Auch die erneute Besiedlung des Hellentales am Standort der ersten, glashistorischen Besiedlungsphase kann nur im übergeordneten historischen Kontext verstanden und zeittypisch betrachtet werden.

Von fast allen Fürsten jener Zeit wurde eine Ansiedlungspolitik betrieben, die zugleich eine Abwanderung aus anderen Gebieten bedeutete.

Bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts ermunterte der Herzog Carl I. zur binnenwirtschaftlichen Förderung und aus fiskalwirtschaftlich-merkantilen Gründen auch zur Ansiedlung in seinen Braunschweiger Landen.[33]

Unternehmungen sollten planmäßig ausgebaut und ab 1753 eine verstärkte Förderung des "Neuen Anbaus auf dem Lande" hinzukommen.

Ansiedler sollten als Hilfskräfte für die Landwirtschaft und das Leinengewerbe angeworben werden.

So soll nach TACKE [41] „in vielen Dörfer, die seit Jahrzehnten keinen nennenswerten Ausbau mehr zu verzeichnen gehabt haben“, durch „beträchtliche Baukostenzuschüsse und sachliche Baubeihilfen“ rasch 10-20 Neuanbauerstellen entstanden sein.

Ohnehin gab es während des Wirkens des Oberjägermeisters v. Langen zur Mitte des 18. Jahrhunderts einen wesentlichen Industrialisierungsschub in der Sollingregion [4] (u. a. Gründung der Porzellanmaufaktur Fürstenberg 1747 [34]).

In diesem wirtschaftlichen Zusammenhang ist bekannt, dass v. Langen zahlreiche auswärtige Facharbeitskräfte anwarb und für sie Arbeiterzusiedlungen errichten ließ, um die „Handarbeiter“ zur Sesshaftigkeit zu motivieren.

Als finanziellen und materiellen Anreiz zur Ansiedlung sollten die Anbaustellen "auf Lebenszeit" von allen "oneribuis publicis" (öffentliche Abgabelasten) frei sein und entweder das Bauholz frei Baustelle geliefert oder aber 20 Reichstaler ausgezahlt werden.

Zudem wurde Land für einen Garten vorgesehen.[5]

Die landesherrlich ehemals großzügigen Bauvergünstigungen wurden in Folge des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) bei späteren Neuanbauern erheblich beschnitten.

Nach BLOSS [47] waren noch 1753 bauwillige Anbauer von allen "oneribis publicis" freigestellt, so wurden die nun die Freijahre auf 22 bzw. 14 Jahre zurückgefahren.

Die freie Bauholzabgabe wurde ganz fallen gelassen, bestensfalss der Forstzins reduziert.

 

"... abgesondert von allen Straßen zur Colonie im Hellenthale"

Der verlassene Werkweiler in Hellental unterstand noch einige Jahre dem Schorborner Hüttengericht.[43]

Ausgehend von der Kleinsiedlung der stationären Glashütte Steinbeke wurde - siedlungstypisch für die frühindustrielle (merkantilistische) Epoche im Lande Braunschweig - in einer staatlichen Forstfläche am nördlichen Sollingrand die "Dorfschaft Hellenthal" durch wirtschafts- und siedlungspolitische Maßnahmen

  • unter Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel im Zusammenwirken
  • mit seinem Hofjägermeister Johann Georg v. Langen (1699-1776)
  • und dem Kommissar Christoph Jacob Laurentius

planmäßig angelegt und systematisch durch Neuansiedelung zur "Colonie im Hellenthale" ausgebaut.

Nach dem offensiven landesherrlichen „Wirtschaftsförderungsprogramm“ wurden gezielt „Anbauer“ als Zusiedler sesshaft gemacht.

Staatlich durch eine Anbauerlaubnis gefördert, siedelten sich vornehmlich Holzhauer, Leinenweberund andere Landhandwerker an.

Um den Lebensunterhalt ihrer Familien zu sichern, erhielten die zugewanderten Neusiedler jeweils Wiesenland im Hellental zugewiesen, wo sie eine kleine Nebenerwerbslandwirtschaft betrieben.

Deren strukturreiche Spuren sind noch heute in dem Sollingtal als kulturhistorische Landschaftselemente zu erkennen, die es zu bewahren gilt.

"Hellenthal" erhielt 1758 ein eigenes Kirchenbuch, das vom Schulmeister Franke geführt wurde.

Nach BLOSS sind danach von den bekannten Glasmachernamen nur noch die Namen "Seitz" und "Kunkel" dokumentiert, die aber in anderen Berufen tätig sind.[45]

So wurde unter Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713-1780) die ortsfest angelegte Kleinsiedlung mit einfachen, werkhallennahen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden jener Glashütte zur historischen „Keimzelle“ des Sollingdorfes Hellental.

Im Rahmen des „fürstlichen Landesausbaus“ wurde ab 1753 der allmählich zerfallende Werkweiler durch Neuansiedelung "abgesondert von allen Straßen zur Colonie im Hellenthale" ausgebaut, planmäßig angelegt als man im 18. Jahrhundert in den Braunschweiger Staatsforsten verstärkt Holzhauer benötigte.

Hellental entwickelte sich in der Folgezeit zu einem bedeutenden Waldarbeiter- und Landhandwerkerdorf im nördlichen Solling.

Anzunehmen ist hierbei, dass in den Jahren vor 1753 erste staatliche Vorarbeiten und Entscheidungen zur "planmäßigen Anlage eines gewerblichen Dorfes" im Hellental getroffen wurden [42], nachdem die von der ehemaligen Glashüttenbelegschaft zurückgelassenen "Hütten" zu verfallen begannen.

TACKE [42] schrieb in seinem Beitrag zur Entwicklung der Landschaft im Solling:

„Sehr schön zeigen einige Grundsätze der v. Langenschen Siedlungs- und Bevölkerungspolitik die Anfänge des Dorfes Hellental.“

 

Zwei alte Eichenbalken als Schwelle verbunden mit einem Spanneisen │ Januar 2021

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Rekonstruktion der Dorfanlage

Siedlungsgrundriss mit strenger Regelmäßigkeit

Das damalige landesherrliche Wirtschaftsförderungsprogramm sah vor, auch am alten Glashüttenstandort „im Hellental am Steinbeck“ gezielt Anbauer als Zusiedler sesshaft zumachen.

So erhielten nach „dem Eingehen der Gundelachschen Glashütte“ die

  • "alten und aus anderen Ländern nach dem Hellenthale zugezogenen Köhler, Holzhauer, Glasmacher und Leineweber die gnädigste Freiheit, daselbst zu wohnen und die alten eingefallenen Hütten neu anzubauen, zu reparieren und zu erhalten".[10][12][39][44]

Danach waren bei den "Anbauern" zunächst folgende Berufs-/Gewerbegruppen in Hellental vertreten:

  • Köhler

  • Holzhauer

  • Glasmacher

  • Leineweber

Die angesiedelten Holzhauer wurden in der ersten Zeit insbesondere für den Betrieb der Schorborner Glasmanufaktur benötigt.

Wie aus der Denkschrift des braunschweigischen Kammerrates von Heinemann vom 30. Oktober 1786 hervorgeht, ergab sich hinsichtlich der Verdienste "in der umliegenden Gegend" der Schorborner Glashütte ein Holzhauerlohn der Gemeinde Hellenthal in Höhe von 1.056 Thalern.[22]

Um eine staatliche Anbauerlaubnis im Hellental zu erhalten, richteten bald darauf mehrere Einwohner benachbarter Dörfer ihre Gesuche an den braunschweigischen Hofjägermeister Johann Georg v. Langen.[12]

Wegen des "Anbaus zu Hellenthale" (Zusiedlung) entspann sich in den Jahren zwischen 1754-1756 eine relativ rege behördliche Korrespondenz zwischen dem herzoglichen "Commissarius Laurentius" (Lorenz) und dem Braunschweiger Hof von Herzog Carl I., im Weserdistrikt vertreten durch seinen Hofjägermeister v. Langen.

Am 08. April 1755 war „Cand. jur. Laurentius“ zum „Commissario, wie auch zum Justitiario bey den [Fürstlichen] Spiegel- und Glashütten“ ernannt worden. [19][20][23]

Als Beteiligter trat Kommissar Christoph Jacob Laurentius auch bei der „statthabenden“ Planung und Einrichtung der seit 1753 im Ausbau befindlichen, jetzt „schon über 30 Familien stark[en] Colonie im Hellenthale“ hervor.[21]

Nachdem Herzog Carl I.besagten Ort durch mehrere neue Anbauer [zu] erweitern und größer anlegen [zu] laßen gnädigst gestattet“ hatte, wurde Laurentius am 07. November unter „Anweisung“ von v. Langen der Auftrag erteilt, „weiter zu untersuchen und festzusezzen wie die Einrichtung wegen des Dorffes Hellenthal zu machen“ zu realisieren sei, worauf hin Laurentius jenen „anbefohlenen Bericht“ am 02. Februar 1756 dem Braunschweiger Hof vorlegte.[3]

In einem die Bauvergünstigung begründenden Bericht vom 15. Juli 1753 schrieb v. Langen über die alte Siedlung im Hellental:

  • "Wann dieser Ort gantz neu bebauet, sich auch die Bewohner einiger Maßen erholet, wird ein jeder sowohl das Schutz- als Weide-Geld bezahlen, seine Pflicht und Schuldigkeit seyn laßen."[11][39]

Mit Schreiben vom 08. April 1754 soll der invalide Hellentaler Holzhauer Johann Heinrich Warnecke um ein Gnadengehalt sowie um einen Vorschuss zum Hausbau gebeten haben.

Herzog Carl I. beauftragte daraufhin v. Langen mit der Erledigung dieses Gesuches.

Zudem ist namentlich bekannt, dass der Schuster und Häusling Christof Meier aus Merxhausen ein Gesuch an v. Langen richtete.[12]

Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um den im Oktober 1699 in Merxhausen geborenen Christoph Friedrich Meier.

Am 25. Mai 1754 schrieb daraufhin v. Langen an Herzog Carl I.:[12][13]

  • "Ob nun Ew. Herzogl. Durchl. besagten Ort durch mehrere neue Anbauer erweitern und größer wollen anlegen lassen, dependiert lediglich von Ihro Höchstem Willen und Gutbefinden. Daß es einen anderen und besonderen Nutzen für das Land haben solle, als daß unter Zeiten ein guter junger Soldat daselbst geboren werde, die Consumtion in etwas augumentiert und sich ein Hundert und mehr Menschen kümmerlich daselbst ernähren und durchbringen können, lässet sich im voraus nicht wohl determinieren. Doch wird es allemal den Nutzen haben, daß die Bewohner etwas mehr aufbringen, als solche den Forsten und anderen Einrichtungen schaden."

Herzog Carl I. besonders gut gefallen zu haben scheint die Anmerkung seines Hofjägermeisters, dass "unter Zeiten daselbst ein guter junger Soldat könne geboren werden", denn Carl I. schrieb an den Rand des Schriftstückes:

  • "Es möge geschehen."[12][13]

Des Weiteren forderte Herzog Carl I. von seinem Kommissar Laurentius umgehend einen Kartenriß, "den ferneren Anbau von Hellental betr." ein.[12]

Im Zeitraum von Ende 1755 bis Anfang 1756 wurden die geforderte Beschreibung und der "Riß von Hellenthal" zur (steuerlichen) Aufnahme des künftigen Dorfes erstellt.

Am 17. Februar 1756 erging dann den "Anbau zu Hellenthal betreffend" an den Oberjägermeister v. Langen die herzogliche Verfügung, „auch jedem im Hellental sich neu Anbauenden ½ bis 1 Morgen Wiesen aus der Forst anzuweisen“, einschließlich eines Platzes für ein Wohnhaus.[12][38][39]

Zudem wurde als "Dorfraum "ein Platz von 6 Morgen 90 Ruten Größe "nach Westen hin um die Quelle" vorgegeben, wo "13 Häuser bequem stehen könnten".

Auch sollte den "Anbauer"

  • "angedeutet werden ..., daß sie zeitlebens von allen oneribus publicis (öffentlichen Lasten) frei sein und sich auch einiger Bau-Douceurs, wo unsere Forsten in der Nähe liegen, am Eichenholze, sonst aber an barem Gelde ... zu erfreuen haben".[46]

Dieses wirtschaftspolitische Planungsvorhaben war offenbar bereits um 1765 weitgehend erfüllt.[12]

 

Rekonstruktion des planmäßigen "Anbaus" und der Entwicklung

der "Colonie im Hellenthale" in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

  1. Dorfraum "nach Westen hin um die Quelle" [12][14]
  2. "Anbau in Nordost und Südwest oberhalb der vorhandenen Häuser und Gärten"

mit Kartenauszug (s.u.) aus der Braunschweigischen General-Landes-Vermessung

von 1792 [33]

NLA WO, 2 Alt Nr. 11 104 / K 3344

 

 

"Colonie im Hellenthale"

mit Verengung des dörflichen Grundrißbildes

Wie noch heute erkennbar, wurde bei der Anlage des Dorfes planmäßig und systematisch vorgegangen, vergleichbar mit dem schachbrettartigen Grundriss der Schorborner Glashüttensiedlung.

Deren Siedlungsanlage wie auch die Hausanlage der Fabrikantenhäuser soll Oberjägermeister v. Langen persönlich entworfen haben - mit "einerlei Größe und gleicher Einrichtung", vorgesehen für zwei Familien (Hauswirt und Mietsleute).[47]

Eine Fläche von sechs Morgen und 90 Ruten (= 151.971 m²) wurde als Dorfraum "nach Westen hin um die Quelle" bestimmt, wo "13 Häuser bequem stehen könnten".[14]

Für den Aufbau des neuen Sollingsdorfes stellte Herzog Carl I. jeweils freies Bauholz aus dem staatlichen Merxhäuser Forstrevier zur Verfügung, zudem auch einen Platz für ein Wohnhaus mit Wiesen- und Gartenland, wobei ein

  • "Anbau in Nordost und Südwest oberhalb der vorhandenen Häuser und Gärten"

in Betracht gezogen wurde.

Der Anbau wurde darüber hinaus durch Zuschüsse und Steuererleichterungen staatlich begünstigt.

Neben einer Hausstelle wurden jedem Anbauer "zu großem Nachtheil der Forst" ½ - 1 Morgen "zur Wiese" zur Verfügung gestellt (aus der staatlichen Forst von Merxhausen).[7]

Insgesamt waren dafür in Hellental etwa 18 - 27 Morgen zu bestimmen.

Dies betraf Bestandsflächen des alten Merxhäuser Forstreviers, dass nach FÖRSTER [36] alle östlich und nördlich der Linie Hellental – Hundebruch – Hasselbach – Frauengrund - Rote Wasser liegenden Flächen bereits seit 1668 umfasste (vergl. Karte der Merxhäuser Forst von 1745)

Für die Gemarkung und Dorfanlage von Hellental waren demnach zum einen kleine Flächen für die Wohngebäude und für die dazugehörigen gebäude- wie ortsnahen Wiesen und Gärten aus der Forst Merxhausen herausgenommen worden, zum anderen auch Flächenstreifen im landwirtschaftlich nur erschwert nutzbaren Gelände des südwestlich gelegenen Hülsebruchs, einige Kilometer fernab des Dorfes.

Dem oben genannten Schreiben vom 17. Februar 1756 ist auch zu entnehmen, dass die „Neubauer” nach Ablauf ihrer Freijahre "Contribution" (landesherrliche Steuer) zu entrichten hatten und katastermäßig als "zugehörig" zu erfassen waren.

Spätestens ab 1753 begann die planmäßige Besiedlung mit „neuen Anbauern und Handwerkern“ im Hellental.

Einwohner aus benachbarten Dörfern und aus dem fernen Harz seien hier angesiedelt worden.[15]

Um 1765 dürfte dieses wirtschaftliche Planungsvorhaben weitgehend abgeschlossen gewesen sein, denn in Hellental befanden zu diesem Zeitpunkt bereits 15 neue Anbauer [16], unter ihnen gewerbetreibende

  • 11 Leinenweber
  • 1 Schuster
  • 1 Schuhflicker
  • 1 Tabakspinner
  • 1 Krämer.

Hinzu kamen noch mehrere Glashütten- und Forstarbeiter, die nach TACKE [16] wahrscheinlich zu den „alten“ Ansiedlern gehört haben.[16]

Der Braunschweiger Hof unterbreitete zudem den Vorschlag, neben Woll- und Leinenwebern, noch "Säge- und andere Schmieden" anzusiedeln und ihre Arbeit durch die "Anlagerung einer Mehl-, Schleif- und Walkemühle", gespeist von der "Quelle vom Hellenthal", zu fördern.

Die Mahlmühle soll 1756 errichtet worden sein.[17]

Noch 1863 stellte LAMBRECHT fest, dass „im Orte“ nur eine Quelle sei, „woraus das nöthige Wasser geschöpft wird“ und der „daraus entstehende Bach“ eine Mahlmühle antreibe.[31]

Bei der Quelle handelt es sich um den in Buntsandstein gefassten „Großen Brunnen“, wie er noch heute im Dorf genannt wird, eine kräftig schüttende Bergquelle im alten Dorfzentrum.

In der Folgezeit wuchs das Dorf Hellental auf etwa 36 Hausstellen an, zu denen Garten- und Wiesenland sowie durchschnittlich 2 - 3 Morgen Ackerland zählten.

Weitere Anbauten folgten in den Jahren zwischen 1793-1798.[18]

 

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[1] HAUPTMEYER 2004, S. 80 ff.

[2] KLEINAU 1967, S. 268.

[3] MEYER 1996; TACKE 1951.

[4] Vermessung von 1792, Feldbeschreibung der braunschweigischen General-Landes-Vermessung - NLA WO, 20 Alt 178; K 3344.

[5] HEBBEL 1999, S. 36 ff.; TACKE 1943, S. 129 ff.

[6] NLA WO, 92 Neu F 501 (Anlage Karte); Vermerk von LESSMANN 1984, S. 31.

[7] RAULS 1974, S. 120.

[8] JÜRGENS, A.: Dorferneuerungsplan Hellental 1994/95. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde Heinade und dem Arbeitskreis für Dorferneuerung in Hellental. Hildesheim/Hellental 1995.

[9] TACKE 1951; 1943, S. 138.

[10] zit. in TACKE 1943, S. 138.

[11] zit. in BLOSS 1950.

[12] TACKE 1943, S. 138-139.

[13] zit. in TACKE 1943, S. 138 - Quellenangabe von TACKE [1943]: LWH. Geh. Rats Registr. Suppl IV, 279.

[14] zit. in TACKE 1943, S. 138 - Quellenangabe von TACKE [1943]: LWH. Geh. Rats Registr. Suppl IV, 279.

[15] KLEINAU 1967, S. 268; LAMBRECHT 1863, S. 706.

[16] TACKE 1943, S. 138-139 - Quellenangabe von TACKE [1943]: LWH. Alte Berg- und Hüttensachen 185/86.

[17] LILGE 1993; LESSMANN 1984.

[18] HEBBEL 1999; KLEINAU 1967, S. 268.

[19] NLA WO, 16 Alt R IV Nr. 18 (S. 22 921).

[20] TACKE/TACKE 1971, S. 61.

[21] TACKE/TACKE 1971, S. 63.

[22] OHLMS 2006, S. 21-22.

[23] Laurentius, Christoph Jakob: Abhandlung von Verbesserung der Windmühlen │ Nürnberg 1759 | Signatur: Res/4 Phys. sp. 302,30.

[24] NÄGELER/WEBER 2004; BLOSS 1950.

[25] NÄGELER/WEBER 2004.

[29] NLA WO, K 3344.

[30] KLEINAU 1967, S. 268.

[31] LAMBRECHT 1863, S. 706.

[32] TACKE 1943, S. 136.

[34] TACKE 1951.

[36] FÖRSTER 1996.

[37] GÖHMANN 1991, S. 37-38.

[39] BLOSS 1950a, S. 12.

[40] biografische Angaben bei JARCK 2006, S. 427-428.

[41] TACKE 1951; 1943, S. 138.

[42] TACKE 1971, S. 61 (Fußnote 4), 63; NÄGELER/WEBER 2004, 2005, S. 306-310.

[44] RAULS 1983, S. 138.

[45] BLOSS 1950a, S. 12.

[46] zit. in BLOSS 1950a, S. 12-13.

[47] BLOSS 1950a, S. 20-21.

[48] TACKE 1943, S. 129-130.