Ne anrüchige Baigiwenhat!

Klaus A.E. Weber

 

Auch die folgende amüsante Geschichte wurde von LESSMANN [1] zum Dorfleben im Waldarbeiterdorf Hellental hinterlassen:

"Karl Duistermann was en Holthauer, wie et alle Helldölschen Mannsluie ewest sind, as seck düsse Geschichte aw’espielt hätt.

Sain Huis stund dichte an’n Berge.

Nich wait vonner Bieke.

Vorn harr et ne hauge Treppen, un hin’n ging et vonner Küken uit dorr de Hinderdür gradewegs in dein Barg.

Sea is dat hiute noch in Helldale, un wer et nich glöben will, kann seck jeder Tait davon overtuigen.

Vor dein Kailbuils bruiket huite kaaner mehr Angest tea heb’n.

Dai Tait, wu et jümmer häten hett:

„Wei künnt uise Heuner! ...“ un sea weier, is all längerst vorbai.

Un dat is geat, denn dai Intucht maake seck all ganz bannig miusig.

Wer seck in’n Holte uitkennt, wait auk, dat dai Holthauers an Dag na Waihnachten ühren unschuldigen Kindertag faierten.

An düssen Dage wärt dai Schlückere nich sea genau etellt.

Dai Holthauers nühmet seck det morgens all ne graute Kriuka vull davon mie.

Un wenn et düchtig kault was, wurd underwaigens auk schon mol annelicket.

Upper Arbaitsstie wurd ierst gar kaane Äxen annepacket.

En ganz aulen Eowerglauben segt:

„Wer an düssen Dage ne Äxan anpacket, hauet seck bestimmt in dat Bain.“

Na alsea!

Jede Faierdag mot nun mol sainen Grund heb’n.

Un da de Förster kaan Tiekebock sain wolle un feste miehauln hätt, was alles in bester Ordnunge.

Bai Gesang, Schluck un siuern Heersche gaff et kaane Langewaile.

Av un tea wur’n mol halfechte, aber noch öfters ganz echte Witze vertellt.

Dai Holthauers würn da inne nich sea zimperlich; un husch, was de Dag rümmer.

Wenn et anfung duister tea wärn, marschiern se ingehacket int Dörp und sungen:

Weisst du noch wo Hellental liegt,

Hellental liegt am Berge,

Wo’s die schönen Mädchen gibt,

Und die hab’ ich gerne.

Wobai ihre Baine ganz schön hen und her eschlenkert sind.

Aber dat was ja woll kaan Wunder!

Harr’n se seck doch all en ganz schönen Aapen innefongen.

Sea was et nun auk bai Korl Duistermann.  

Hai kamm kiume de Treppen rupper.

Saine Hannichen packene derbe undern Arm, un mie veraanten Kräften ging et doch noch ganz geat.

Korl kräg noch nich emol Schellesche von sainer Aulschen.

Dai Helldölsche Frussluie harren an düssen Dage schon damie reeket.

Et was ja auk schon viele Generaschionen sea.

Hannichen hälpene noch baim iuttrecken, un bumms, lag hai in Bedde.

Et diuere nich mehr lange, bet Korl an tea schnorken fung.

Hannichen was frau, dat alles noch sea geat eklappet harre.

Aber wie et auk gahn mag - dat dicke Enne kümmt jümmer taulest.

Sea was et auk bai Korl; denn midden inner Nacht kräg hai en hölleschen Druck upp de Bloase.

Hauchblustern un an de Hinderdür was aans.

Ober dichte bai düsse Dür stund dat Kükenschapp.

Un wail et duister was, grappsche Korl in sainen besopenen Koppe de Schappdür, rät se upp, un schon wa’s passiert, watt nich passieren drofte.

Ober wer kann fort Mallör?

Korl strunkele tearügge naan Bedde.

Ass hai seck henleggen wolle, waake saine Friue upp un fraug na dain Weddere.

„Ach, Frussminsche“, sea Korl, „dat is stickeduister, un eck konn nich sain. Ober ganz Helldole stinket na Käse.“

„Watt segst diu Kollerkopp do?

Ganz Helldole stinket na Käse?

Dat mot eck meck ober mol sülmst ankaiken!“

Stund upp, sticke seck ne Funzel an un ging rasche na de Küken.

Nun sag se dai Beschäresche.

Un’n iuten Schappe, da wu datt  Miuselock satt, ging et mannte immer drüpp, drüpp, drüpp, un ne lüttsche Bieke laipp all quer dor dai Küken.

Nun was ober dai Duibel laas.

„Beste Hülpe“ schrie Hannichen, „diu besoppene Keerl.

Hett deck de laibe Gott denne ganz un gar verlaten?

Wenn diu kaan Schluck verdraigen kannst, dene most ne iuten Balge loten,“ Korl häre all löngerst nich mehr.

Hai harre seck dat Bedde eobern Kopp etrecket un was schon wier feste am schnorken.

Wat blääf Hannichen anders eober, as seck auk hentealeggen.

Un nunschnorken sai baade ümme dai Wedde!"

 

Hochdeutsche Version

Karl Düstermann war ein Waldarbeiter, wie es alle Hellentaler Männer waren, als sich diese Geschichte zugetragen hat.

Sein Haus stand dicht am Berge, nicht weit von der Bache (Anm.: Rinnsal).

Vorn hatte es eine hohe Treppe und hinten ging es von der Küche direkt in den Berg.

So ist es heute noch in Hellental.

Wer es nicht glauben will, kann sich jederzeit davon überzeugen.

Vor den Keilbeuteln (Anm.: Waldarbeiter) braucht keiner mehr Angst zu haben.

Die Zeit, wo es immer geheißen hat „Wir können unsere Hühner selbst ...“, ist schon längst vorbei und das ist gut so, denn die Inzucht machte sich schon bemerkbar.

Wer sich im Wald auskennt, weiß auch, dass die Waldarbeiter einen Tag nach Weihnachten ihren unschuldigen Kindertag feiern.

An diesem Tag werden die Schnäpse nicht so gern gezählt.

Die Waldarbeiter nahmen sich morgens alle eine große Flasche davon mit.

Wenn es tüchtig kalt war, wurde unterwegs schon einmal angenippt.

Auf der Arbeitsstelle wurden keine Äxte angefasst.

Ein alter Aberglauben sagt:

„Wer an diesem Tag eine Axt anfasst, der hackt sich ins Bein.“

Na, also!

Jeder Feiertag muss nun einmal einen Grund haben.

Und da der Förster keine Zecke sein wollte und fest mitgehalten hat, war alles in bester Ordnung.

Bei Gesang, Schnaps und saurem Hering gab es keine Langeweile.

Ab und zu wurden halbechte, aber auch öfters ganz echte Witze erzählt.

Die Waldarbeiter waren da nicht sehr zimperlich und husch, war der Tag vergangen.

Beim Dunkelwerden marschierten sie untergehakt ins Dorf und sangen:

Weißt Du noch, wo Hellental liegt,

Hellental liegt am Berge,

Wo’s die schönen Mädchen gibt

Und die hab’ ich gerne.

Dabei sind ihre Beine ganz schön hin und her geschlenkert.

Kein Wunder! Hatten sie doch alle einen ganz schönen Affen eingefangen.

So war es auch bei Karl Düstermann.

Er kam die Treppe herauf.

Seine Frau Hannichen packte ihn kräftig unter dem Arm und mit vereinten Kräften ging es doch ganz gut.

Karl bekam noch nicht einmal Schimpfe von seiner Alten.

Die Hellentaler Frauen hatten an diesem Tag schon damit gerechnet.

Es ging auch schon seit mehreren Generationen so.

Hannichen half ihm noch beim Ausziehen, und „bumms“ lag er im Bett.

Es dauerte nicht mehr lange bis Karl zu schnarchen begann.

Hannichen war froh, dass alles noch so gut geklappt hatte.

Aber wie es auch gehen mag, das dicke Ende kommt immer zuletzt.

So war es auch bei Karl.

Mitten in der Nacht bekam er einen höllischen Druck auf die Blase.

Aus dem Bett hoch sausen und aus der Hintertür, das war eins.

Aber dicht neben der Tür stand der Küchenschrank.

Und weil es dunkel war, fasste Karl in seinem betrunkenen Kopf nach der Schranktür.

Schon war es passiert, was nicht passieren durfte.

Aber wer kann schon für so ein Unglück.

Karl torkelte zurück in sein Bett.

Als er sich hinlegen wollte, wachte seine Frau auf und fragte, wie das Wetter draußen sei.

„Ach, Frauensmensch“, sagte Karl, „Das ist stockdunkel und ich konnte nichts sehen.

Aber ganz Hellental stinkt nach Käse.“

„Das muss ich mir erst einmal selber angucken!“

Sie stand auf, steckte sich ein Licht an (es gab noch nichts Elektrisches) und ging in die Küche.

Nun sah sie die Bescherung.

Aus dem Schrank, da, wo das Mausloch war, ging es immer „tropf - tropf –tropf“.

Eine kleine Bache floss quer durch die Küche.

Nun war der Teufel los!

„Beste Hilfe“, schrie Hannichen, „Du besoffener Kerl.

Hat Dich der liebe Gott denn ganz und gar verlassen?

Wenn Du keinen Schnaps vertragen kannst, dann musst Du ihn aus dem Bauch lassen!“

Karl hörte das längst nicht mehr.

Er hatte sich das Deckbett über den Kopf gezogen und fing an, feste zu schnarchen.

Was blieb Hannichen anderes übrig, als sich auch hinzulegen.

Und so schnarchten sie beide um die Wette.

 

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[1] LESSMANN 1984, S. 101-103.