Bauernhöfe │ Bauernklassen │ Kleinbauernstellen

Klaus A.E. Weber

 

Heinade um 1895

© HGV-HHM, Archiv

 

Steuern und Dienste │ Hof- und Wiesenszins

Die bäuerliche Landbevölkerung im braunschweigischen Weserdistrikt war jahrhundertelang grundherrschaftlich gebunden, somit in der Dorf:Region auch die Bauern von Heinade und Merxhausen.

Vor den Agrarreformen des 19. Jahrhunderts waren die Bauern streng in soziale Gruppen getrennt.

Die Entwicklung des Bauernstandes wurde über Jahrhunderte hinweg vom Erbenzinsrecht und vom so genannten Meierrecht sowie von der Einteilung der Höfe nach Bauern- und Höfeklassen geprägt.

Durch den Flurzwang und die Gemeinheitsnutzung waren die Beteiligten unmittelbar aufeinander angewiesen und zum gemeinsamen Handeln verpflichtet.[19]

Bedingt durch den frühneuzeitlichen Bevölkerungsanstieg erfolgte durch den Territorialstaat eine feststehende Einteilung der Bauernhöfe in „Bauernklassen“.

Diese umfassten im 16.-18. Jahrhundert die drei Grundklassen (Bauernstände)

  • Brinksitzer, unterteilt in Unterklassen und „unterbäuerliche“ Schichten.

Dabei bildeten nach WÄCHTER [1] die Reiheleute oder Riegebewohner*innen „den eigentlichen bäuerlichen Kern Niedersachsens“, nämlich die Meier (Teilmeier), Köter und Freien.

 

Bauernklassen

Die wichtigste Bauernklasse bildeten die Meier (Ackerleute), die je nach Hofgröße und Nutzungsberechtigung an der freien Dorfmark in (Groß-)Vollmeier, Halbmeier, Viertelmeier und gar Achtelmeier untergliedert waren.

  • Vollmeier - Großmeier, Vollspänner, Ackerleute

  • Halbhöfe - Halbmeier, Halbspänner

  • Köt(h)(n)er - Groß-/Mittel-/Kleinkötner, Kirchhöfer

  • Brinksitzer

  • An-/Abbauer

Den Höfen der einzelnen Bauernklassen war jeweils eine definierte Anzahl von Morgen Ackerland aus dem herrschaftlichen Grundbesitz verpachtet gewesen.[20]

Bei sonst fehlenden politischen Mitspracherechten bestimmten in der dörflichen Sozialhierarchie die Vollmeier die Ordnung im Dorf bei relativ hoher Selbständigkeit auf ihren eigenen Höfen.

 

Das Meierrecht

bis zur Mitte des 16. Jahrhundert vorherrschendes Besitzrecht

Im Rahmen der von landesherrlichen Verwaltungen angestrebten vereinheitlichenden Ordnungen in Niedersachsen verbreitete sich das Meierrecht unter der Obhut der Landesherren vom Süden und Osten nach Westen und Norden.[14]

Das Meierrecht entwickelte sich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts als vorherrschendes Besitzrecht.

Es war seit dem Salzdahlumer Landtagsabschied vom 03. Juni 1597 in feste Bestimmungen überführt worden.

Nach dem Meierrecht wurde von den Grundherren (Landesherr, Ritter, Klöster u. a.), den Obereigentümern am Grund und Boden, den Bauern (Meier)

  • Ackerland
  • Wiesen
  • Hofstätte

verliehen, in Verbindung mit weitgehend gesicherter und unbeschränkt vererblicher Zeitpacht.

Die Hofgebäude gehörten im Regelfall zum Eigentum des Bauern.[15]

Die Herausbildung der bäuerlichen Anteilswirtschaft - das charakteristische Meierrecht als Lebenszeiterbpacht - war eine wesentliche Folge der spätmittelalterlichen Agrarkrise, einer Krise des Getreideanbaus.

Zwischen westeuropäischer freier Zinspacht und osteuropäischer Gutsuntertänigkeit positioniert, nahm das Meierrecht eine Mittelstellung ein.

Das Meierrecht sicherte dem Landesherrn Steuern und Dienste, dem Grundherrn eine feste kalkulierbare Einnahme.

Für den Bauern ergaben sich aus dem Meierrecht zwei Vorteile:

  • Einerseits war durch die Lebenszeiterbpacht und das Anerbenrecht (Erbrecht nur eines Kindes) die dauerhafte Bewirtschaftung der ungeteilten Hofstelle (erbliches Pachtverhältnis zum Grundherrn mit Eintrag im „Erbregister“) gesichert,
  • andererseits gab es einen gewissen Schutz vor weiteren Abgabenerhöhungen seitens des Grundherrn.

Das Anerbenrecht beendete die vormals bestehende Realteilung, die Aufteilung des Hofes unter mehreren erbberechtigten Kindern.

Der Bauer durfte das übernommene Meierland weder teilen oder veräußern, noch verpfänden.

Kam er seinen Auflagen nicht nach, so konnte er vom Grundherrn „abgemeiert“ werden, da zwischen ihm, dem Inhaber einer Hofstelle, und dem Grundherrn zuvor in einem Meierbrief, einem schriftlichen Vertrag, der Umfang des Hofes mit Ländereien, Waldungen, Wiesen und Gärten festgelegt worden war, zudem auch die Abgaben in Naturalien und Geld sowie die zu erbringenden Leistungen als Hand- und Spanndienste.

Die Meiergüter bewirtschaftenden Bauern waren letztlich die Hauptsteuerquelle für die Landesherren.[16]

Als Nachteil erwies es sich allerdings, dass die Bauern das überlassene Meierland in althergebrachter Weise zu bewirtschaften hatten.

Die Mehrzahl der Bauern war Lebenszeitpächter zu Anerbenrecht.

Zumeist wöchentlich 1-2 Diensttage (Hand- und Spanndienste) erhielt der Landesherr, der Grundherr hingegen vorrangig Naturalleistungen.

Da die durchschnittliche Hofgröße in der hiesigen Region aber eher klein blieb, war die soziale Differenzierung zumeist nicht besonders ausgebildet.[17]

 

Herrendienstpflichtige

Dienste der Bauernstände

Bestimmungsgemäß sollten sich

  • dienstpflichtige Ackerleute (Vollmeier) wöchentlich 2 Tage,
  • Halbspänner (Halbmeier) oder Großköter 1-2 Tage

mit dem Pferdegespann samt erforderlichem Ackergerät und „tüchtigen Personen“ im Sommer um 05 Uhr von Jakobi bis Michaelis (Erntezeit, 25. Juli – 29. September) und im Winter um 7 Uhr bei den Aufsichtsführenden des zuständigen Amtes (Wickensen, Fürstenberg, Allersheim) oder in den Adelsdörfern des Gutsherren einstellen.

Im Sommer sollte die Arbeit um 18 Uhr beendet werden, im Winter um 14 Uhr, bei zwei Ruhestunden im Sommer und einer Ruhestunde im Winter.

Großköter wurden alternativ auch einen Tag zum Handdienst (ohne Pferd) herangezogen, Kleinköter oder Kirchhöfer 1-2 Tage alle zwei Wochen.

Entsprechend seines Bauernstandes hatten auch die Müller ihren Dienst zu leisten.

Von Merxhausen ist bekannt, dass die dort Herrendienstpflichtigen aufgrund der großen Entfernung zu Allersheim (Amt) lediglich in der sommerlichen Erntezeit 1-2 Tage Roggen zu mähen hatten.

Hingegen wurden sie vermehrt als Treiber und Träger bei fürstlichen Jagden im Solling wie auch für Botendienste (Briefe, Amtssachen) nach Gandersheim oder sogar bis nach Wolfenbüttel eingesetzt.[22]

 

Abgabe des Zehnten

Hof- und Wiesenszins

Neben der Grundherrschaft belastete die Bauern die Zehntherrschaft.

Der Zehnt, ursprünglich eine kirchliche Abgabe, bedeutete für den Bauern, einerseits 1/10 seiner Ernte abzugeben, andererseits sein zehntpflichtiges Land in herkömmlicher Weise zu bewirtschaften.[18]

Neben der Herrendienstpflichtigkeit der Bauernstände wurde zudem der Zehnte in Form der Getreideabgabe als Hofzins sowie Wiesenszins erhoben.[21]

 

Höfe und Kleinstellen

Als zu Beginn des 16. Jahrhunderts bei allgemeinem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum auch die Landwirtschaft einen Aufschwung nahm, kam es nicht zur Gründung neuer Dorfanlagen, jedoch zur Neuschaffung von Kleinbauernstellen:

  • Kötner
  • Beibauern
  • Brinksitzer
  • Heuerlinge.

Die Kleinbauern bildeten eine sozial neue Bewohnergruppe innerhalb der Dörfer.[23]

Die voll- und mittelbäuerlichen Klassen (Meier, Köter) verfügten in der Regel über mindestens so viel Land, dass sie ihre Familien mit Naturalien sicher versorgen konnten.

Dem hingegen war die Lebensmittelversorgung der Kleinstellenbesitzer (Brinksitzer) äußerst prekär.

Sie waren auf den Zukauf von Lebensmitteln durch Bargeld angewiesen.

Angewiesener Maßen praktizierten daher die Kleinstellenbesitzer ein ländliches Handwerk oder Gewerbe bzw. gingen einer Tagelöhner- oder gewerbliche Heimarbeit nach.

Brinksitzer wurden hierbei die Träger des Gewerbezweiges der Leinwandproduktion, neben der Landwirtschaft dem wichtigsten im frühneuzeitlichen Weserdistrikt.[24]

Im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel gab es um 1656 [25]

11 %

  • große Höfe

  • Ackerhöfe (Meier)

17 %

  • mittelgroße Höfe

  • Halbspänner (Halbmeier)

72 %

  • Kleinstellen

  • Kothöfe (Köter)

Zwischen 1650-1800 nahm im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel die Zahl der Ackerhöfe und Halbspännerhöfe nur um 40 % zu, bei den übrigen Hofklassen hingegen aber um 23 %.[26]

 

Bäuerliche Proteste und Anregungen

Die Gemengelage der Flurstücke bedingte einen Flurzwang, der aber die agrarische Weiterentwicklung behinderte.

Wald und Weide waren landwirtschaftliche Ergänzungsflächen, die zwar von berechtigten Dorfbewohnern gemeinsam als Gemeinheit (Almende) genutzt, aber oftmals unzureichend gepflegt wurden.

Die Lebens- und Vermögensverhältnisse der Großbauern unterschied sich erheblich von denen der Kleinstellenbesitzer.

Die Kleinbauern, oft von gemeindlichen Rechten ausgeschlossen, lebten in der Dorfhierarchie sozial getrennt von den dorfbestimmenden Vollbauern.

Trotz Über- und Unterordnung bestand aber ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis.[27]

Am Ende des 18. Jahrhunderts stieg, trotz wiederholter landwirtschaftlicher Krisen, die Bevölkerung sprunghaft an.

Als das Bevölkerungswachstum stetig zunahm, die „Französische Revolution“ von 1789 die Leibeigenschaft und Dienstbarkeit politisch brandmarkte und zudem auch Erntekrisen und Hungersnöte verbreitet auftraten, wurden durch den ökonomischen Druck schließlich Forderungen nach einer rationelleren, modernen Landwirtschaft auch bei den „gebildeten Ständen“, in adligen und bürgerlichen Kreisen, erhoben.

Zudem beeinflusste auch die Aufklärung mit ihren Prinzipien der Vernunft die Landwirtschaft, nach HAUPTMEYER [4] den „Leitsektor der Ökonomie in der alten ständischen Gesellschaft“.

Nur eine innovative Landwirtschaft mit Bodenverbesserung konnte langfristig die anwachsende Bevölkerung sicher ernähren - u.a. Kleeanbau als Brachenbesömmerung, Stallmistnutzung.

Trotz vorherrschender Skepsis wurden dennoch aufgeklärte Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarökonomie zunehmend diskutiert (u.a. landwirtschaftliche Betriebsführung, Fruchtwechselsysteme, Kartoffelanbau, Schafzucht), begleitet sowohl von bäuerlichen Protesten als auch von bäuerlichen Anregungen.[28]

 

Landschaftsbild und Gemeindeflächen

Landwirtschaftliche Nutzflächen im 18. Jahrhundert

Im 18. Jahrhundert beherrschte den Grundriss noch die mittelalterliche Gewannflur als zeittypisches Flurbild – mit unterschiedlichem Kulturzustand und mit unterschiedlichen Anbauverhältnissen.

Die Gemarkungen waren „in eine größere oder kleinere Anzahl von Gewannen (Wannen) eingeteilt, deren Größe etwa zwischen 30 und 300 Morgen schwankte“.[29]

Die Wannen wiederum waren, je nach Besitzverhältnissen, in kleinere, oft nur einen ½ oder einen noch kleineren Bruchteil eines Morgens umfassende Flurstücke zerteilt, die nur wenige Meter breit waren, aber dafür langgezogene und geschwungene Ackerflächen beinhalteten.

Dies verlieh den Gemarkungen ein „eigenartig gewelltes Aussehen“.

Daneben gab es in geringer Zahl auch so genannte Kampflure, die meist in den Außenbezirken der Gemarkungen und „an den Bergen herum belegen“, spätmittelalterliches oder neueres Rodland waren.

Feldwege erschlossen dabei die Gemarkungen nur unvollständig.

Zur Gewannflur zählten die Dreifelderwirtschaft und der Flurzwang mit einheitlichem und gleichzeitgem Bestellen der Ackerflur.[30]

 

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[1] WÄCHTER 1959, S. 13 f.

[2] HAUPTMEYER 2004.

[14] HAUPTMEYER 2005.

[15] HOFFMANN 2004, S. 19; TACKE 1943, S. 32f.

[16] WÄCHTER 1959, S. 13.

[19] HAUPTMEYER 2004, S. 98 ff.

[20] MÄRZ/ZELL 2004, S. 84.

[21] ANDERS 2004, S. 234 f.; HAUPTMEYER 1995; RAULS 1983, S. 59.

[22] RAULS 1983, S. 60.

[23] HAUPTMEYER 2004, S. 65 f.

[24] MÄRZ/ZELL 2004, S. 84 f.

[25] SCHNEIDER/SEEDORF 1989.

[26] SCHNEIDER/SEEDORF 1989.

[27] HAUPTMEYER 2004, S. 89.

[28] HAUPTMEYER 2004, S. 87 ff.

[29] TACKE 1943, S. 97 ff.

[30] TACKE 1943, S. 97 ff.