Der Niedersachsenorkan vom 13. November 1972

Klaus A.E. Weber

 

2022 - Vor 50 Jahren: Das Extremwetterereignis Quimburga

Es geschah während des Wahlkampfes zur richtungsweisenden Bundestagswahl am 19. November 1972 und die bundesdeutsche Gesellschaft den im Frühjahr 1972 vom Club of Rome vorgelegten Bericht die "Grenzen des Wachstums“ diskutierte, der er eine ökonomische Umkehr der unbegrenzten Ressourcennutzung forderte und auf die globale Dimension der Naturzerstörung hinwies.

Im November 1972 brach der schlimmste Orkan des 20. Jahrhunderts über Norddeutschland herein - im nördlichen Niedersachsen das Extremwetterereignis bei Tiefdrucklage am Montag, 13. November 1972, mit Maximum um 13-14 Uhr.

Das außergewöhnliche Sturmereignis des Orkantiefs mit Namen „Quimburga“ wird als „Novemberorkan“, „Jahrhundertorkan“ oder als „Niedersachsen-Orkan“ (in der Fachliteratur) bezeichnet.

Das Orkantief zog als Jahrhundertsturm am 13. November 1972 über Mittel- und Westeuropa und richtete in England, Belgien, den Niederlanden und Norddeutschland schwere Schäden an.

 

֍ Der Jahrhundertsturm 1972 - Originalaufnahmen aus Syke

In Niedersachsen war dadurch rund 1/10 der Waldfläche betroffen, einhergehnd mit einem immensen ökonomischen Schaden .

Aus heutiger Sicht nicht völlig unerwartet, betraf es nämlich – als historische Fehlentwicklung - blockweise die Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts erfolgten Aufforstungen von Nadelholzmonokulturen mit Fichten und Kiefern.

In der Folgezeit wurde eine bislang unbekannte Intensität der Sturmholzaufarbeitung erforderlich – mit einer Reihe von ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgen.

Schließlich setzte im traditionell-konservativen, hierarchischen Forst allmählich ein multifunktionales Denken mit Veränderungen im Waldmanagement ein.

 

Literatur

Aus dem Walde“, die forstliche Schriftenreihe des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:

Nr. 27: Dokumentation der Sturmkatastrophe vom 13. November 1972:

Teil I: Darstellung des Schadensereignisses, Kremser, 1977

Teil II: Die Aufarbeitung des Sturmholzes, Autorengruppe

 

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Eine Übung für den Klimawandel?

Der Historiker Niels Petersen vom Institut für Historische Landesforschung in Göttingen führt 2022 im Rahmen einer Tagungseinladung aus:

Die bundesdeutsche Gesellschaft diskutierte noch die "Grenzen des Wachstums", den im Frühjahr 1972 vom Club of Rome vorgelegten Bericht, der er eine ökonomische Umkehr der unbegrenzten Ressourcennutzung forderte und auf die globale Dimension der Naturzerstörung hinwies, als am Vormittag des 13. November 1972 mit Quimburga der schlimmste Orkan des 20. Jahrhunderts über Norddeutschland hereinbrach.

Innerhalb kürzester Zeit wurden zahllose Dächer abgedeckt, viele Kirchen und Windmühlen schwer beschädigt und enorme Waldbestände vernichtet.

21 Menschen kamen in Niedersachsen durch den Sturm ums Leben, 73 in Europa insgesamt.

Der Sturm traf Politik, Behörden und die Bevölkerung gleichermaßen unvorbereitet. Nun musste zuerst die Versicherungswirtschaft reagieren und kalkulierte bald vermehrt Umweltrisiken ein.

Für die besonders geschädigte Forstwirtschaft bedeutete der Sturm sogar nichts weniger als eine Zeitenwende.

War er ein Startschuss für die Umweltbewegung im Land?

Aus heutiger Sicht erscheint Quimburga als ein Vorbote der Extremwetterereignisse im fortschreitenden Klimawandel.

Vom Einzelereignis zu neuer Normalität also?

Mit dem Sturm und der Reaktion der betroffenen Akteure beschäftigte sich eine Veranstaltung, zu der das Institut für Historische Landesforschung am 04. November 2022 in Göttingen eingeladen hatte.

Hierbei beschäftigen sich fünf wissenschaftliche Vorträge sich mit dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven, von der Landesgeschichte über die Wirtschafts- und die Forstgeschichte bis zur Geographie und Klimaforschung.

Auch wurde diskutiert, welche Bedeutung Quimburga in der Landesgeschichte besitzt und welche Rolle Ansätze der Umweltgeschichte in der Forschung fortan spielen müssen.

 

 

Sturmkatastrophe am 13. November 1972 im Solling

Meteorologisch gesehen, war der Solling von dem Sturmereignis am 13. November 1972 „nur“ am Rande betroffen gewesen.

Dem Zeitungsbericht von Friedrich Schwerdtfeger mit dem Titel „November 1972: Der Solling vom Sturm zerfetzt“ im Täglichen Anzeiger Holzminden vom 16. November 2002 ist hierzu folgende rückblickende Beschreibung zu entnehmen:

Die Sturmkatastrophe vom 13. November 1972 ist in der Forstgeschichte des Sollings ohne Beispiel.

Der Orkan verursachte einen Sturmholzanfall im Regierungsbezirk Hildesheim mit einer Gesamtmasse von 1.667.300 Erntefestmetern ohne Rinde, davon waren 85 Prozent Nadelholz.

Das waren sieben Prozent des produzierenden Holzvorrates.

Verwüstet wurde 3.259 Hektar (vier Prozent der Holzbodenfläche).

Nach ersten Anlaufschwierigkeiten waren 1.075 Waldarbeiter im Einsatz, unterstützt durch 258 Rückeschlepper, elf Entrindungsmaschinen und 13 Langholzfahrzeuge.

Hinzu kamen die hochtechnisierten Holzerntesysteme aus Schweden und Österreich.

Neue Möglichkeiten der Holzkonservierung durch Beregnungsanlagen und Wasserlagerung wurden angewendet.

Die Aufgeschlossenheit aller an der Aufarbeitung beteiligten Personen machte es möglich, dass schon anderthalb Jahre nach Eintritt des Schadens das gesamte Sturmholz aufgearbeitet war. …

Für den Solling wurde außerdem ein schwedischer Holzerntezug eingesetzt (Logma).

Im Vertrag mit der Swedforest wurde die Aufarbeitung von 55.000bis 60.000 Festmetern-Fichten-Stammholz vorgesehen.

Diese Menge wurde auch zum großen Teil erfüllt.“