Kolonialwarenhandlungen und der Konsumverein

Klaus A.E. Weber

 

Kolonialwarengeschäft und Bäckerei Kempe │ Haus №ass. 67

© Historisches Museum Hellental

 

Der als schlitzohrig geltende Schuhmacher Heinrich Daniel Erich Brakmann (Brackmann │ * 31. Mai 1898 in Hellental) [2] meldete am 29. April 1933 ein neues Gewerbe für „Kolonial-Material“ und „Kurzwaren“ an.[1]

Erich Brakmann war Lagerhalter im „Konsum & Sparverein Holzminden“ mit einer Verkaufsstelle in Hellental, die er in eigener Regie Anfang 1933 von dem früheren Geschäftsführer übernommen hatte.[1]

Die Hellentaler Konsumverkaufsstelle war während der Weimarer Republik im Jahr 1925 errichtet worden.

Als Genossenschaft im Einzelhandel war der „Konsumverein“ insbesondere für Waren des täglichen Bedarfs eine verbraucherorientierte Konsumgenossenschaft.

Die Nationalsozialisten bekämpften die Konsumgenossenschaften und schalteten im 1933 die Konsumgenossenschaften gleich, wodurch sie aufgelöst wurden.

Hierbei wurde von Nationalsozialisten für Hellental angegeben, die Gastwirtschaften hätten „die Jahre hindurch einen schweren Kampf gegen den Konsum und Sparverein führen“ müssen.[1]

Als Kolonialwarenhändler führte Erich Brakmann einen Rechtsstreit wegen der Weitergewährung der Erlaubnis des Kleinhandels mit Branntwein vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig gegen die Kreisdirektion Holzminden.[1]

Bereits sein Vater, der 1857 in Braunschweig geborene Schuhmacher Karl Wilhelm Ferdinand Brakmann, hatte im Jahr 1912 die Erlaubnis zum Verkauf von Branntwein in Hellental inne.[1]

Im Urteil vom 02. Januar 1934 wurde Erich Brakmann das Recht zuerkannt, „den Handel mit Branntwein in seinem Betriebe ungehindert fortsetzen zu dürfen“.[1]

Fortan erfolgte in seiner Kolonialwarenhandlung im Haus Nr. ass. 30 der Verkauf von Spirituosen in festversiegelten und verkorkten Flaschen.

Bei dem rechtlich ausgetragenen Konflikt ist hervorzuheben, dass 1933 der nationalsozialistische Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand in die Nationalsozialistischen Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisationen (NS-HAGO) überführt worden war.

Im benachbarten Merxhausen etablierte sich in diesem Zusammenhang eine NS-HAGO Ortsgruppe.

Wegen des Urteils des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 02. Januar 1934 zugunsten von Erich Brakmann berichtete die „NS-HAGO Ortsgruppe Merxhausen“ am 29. Januar 1934 an die Kreisleitung der NS-HAGO Holzminden:[4]

"Dem Kaufmann Erich Brakmann, Hellental, ist die Erlaubnis zum Kleinhandel mit Spirituosen zu versagen und zwar aus folgenden Gründen.

Durch die überwiegend sozialdemokratisch eingestellte und im Konsum-Verein kaufende Bevölkerung Hellentals wurde dem Brakmann in den letzten Jahren derartig der Rücken gestärkt, dass er glaubte, die beiden anderen Kolonialwarengeschäfte und die beiden Gastwirtschaften ruinieren zu können.

Trotzdem Brakmann vor ca. 3 Jahren in die Partei eintrat, hat sich bis heute noch nichts in seiner Handlungsweise als ehemaliger Marxist geändert.

Auch heute versucht er noch immer durch sein als Konsum-Lagerhalter erworbenes Kapital die Kunden an sich zu fesseln und durch den Handel mit Spirituosen die Gaststätten zu schädigen.

Und ist es bereits so weit gekommen, dass man beobachten konnte, wie des Öfteren Personen aus seiner Wohnung heraus kamen, die nicht mehr  ganz nüchtern waren, was zumindest zu dem Schluss führen muss, dass Brakmann Schnaps glasweise verkauft und zwar billiger als die Gastwirte.

Da außerdem jedem Kolonialwarenhändler der Handel mit Spirituosen untersagt, bei Brakmann keinerlei Bedürfnis dafür vorliegt, dieses zu erlauben, muss ihm dieses traurige Überbleibsel aus seliger Konsumvereinsmeierei unbedingt entzogen werden.

Was seinen Kolonialwareladen anbetrifft, wäre es auch da ratsam, diese Stätte ehemaliger Marxistischer Kalendermacherei auszuheben, da Br. von Beruf Schuhmacher ist, 2 Kolonialwarengeschäfte noch am Orte bestehen, und man heute noch nicht weiss, wie lange es noch dauern wird ,bis diese beiden Geschäfte der Konkurrenz, von Br. zum Opfer gefallen sind.

Denn wer vorher zum Konsum lief, läuft heute auch noch dorthin.

Und unsere alten Parteigenossen können mit diesem Kapitalisten nicht aushalten.

Daher wäre es ganz angebracht, jetzt die Revolution auch hier ganz zu beenden.“

Der Kreisamtsleiter der NS-HAGO schrieb daraufhin am 31. Januar 1934 an die Kreisdirektion Holzminden:

"Obenstehend überreiche ich Ihnen urschriftlich einen Bericht des O.A.L. Pg. Kraus, Merxhausen, welchen ich zur eindeutigen Klärung in dieser Sache von dort einholte.

Ich habe dem nichts hinzuzufügen, da ich gewohnt bin mich auf meine von mir eingesetzten O.A.L. und die mein volles Vertrauen haben. zu verlassen.

Ich lehne also dementsprechend die Erteilung des Kleinhandels mit Branntwein an Brakmann ab."

Entgegen des denunzierenden Berichts der NS-HAGO Ortsgruppe Merxhausen und seiner vorhergehenden Auffassung stellte am 16. Februar 1934 der Kreisamtsleiter der NS-HAGO Holzminden nunmehr fest, „dass der Erteilung der Erlaubnis zum Verkauf von Spirituosen in verkapselten und versiegelten Flaschen an Brackmann nichts im Wege steht.“

Auch entgegen der handschriftlichen Stellungnahme des „Gemeindevorstehers zu Hellental Roloff“ vom 05. Juni 1934 erteilt die Kreisdirektion Holzminden per Verfügung vom 13. Juni 1934 den Erlaubnisschein "in dem Grundstück Nr. ass. 39 den Kleinhandel mit Branntwein und Spirituosen in festverschlossenen Flaschen zu betreiben.

Ein Genuß vor Ort und Stelle ist streng untersagt."

Am 23./25. Juli 1934 wurde eine „eingebesserte Erlaubniserteilung“ mit dem Hinweis ausgestellt, dass der Betrieb von der Landjägerstelle Merxhausen überwacht werde.

Auch Anfang 1938 wird wiederum der Verdacht in Umlauf gebracht, Erich Brakmann betreibe einen unerlaubten „Winkelausschank“.

 

Kolonialwarenhandlung mit Werbeschild "Persil"

Georg Sturm │ um 1934

© Historisches Museum Hellental

 

Im Jahr 1934 verfügte Hellental über zwei Gastwirtschaften und drei Kolonialwarenhandlungen, wie jene von Karl Georg Heinrich Otto Sturm (* 29. November 1884 - † 19. August 1957) [5].

Der Kolonialwarenhändler Erich Brakmann erzielte in dieser Zeit einen Umsatz von ca. 50 – 60 Liter Branntwein, was etwa dem gleichen Quantum der beiden Gastwirtschaften zusammen entsprach.[1]

Der Branntwein wurde hauptsächlich von den Waldarbeitern gekauft.

Nachfolgend wurde am 01. August 1960 von der selbständigen Verkäuferin Dora Muhr (* 10. August 1924, geb, Schurm) der Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zum Kleinhandel mit Branntwein im Haus Nr. 30 gestellt.[1]

Am 05. Januar 1961 erteilte der Landkreis Holzminden die Erlaubnis für den Kleinhandel mit Branntwein im dortigen Lebensmittel-Einzelgeschäft.[1]

 

_____________________________________________________

[1] KreisA HOL 1064.

[2] NÄGELER/WEBER 2004, S. 542 Ziff. 548.

[3] NÄGELER/WEBER 2004, S. 542 Ziff. 536.

[4] KreisA HOL 1050.

[5] NÄGELER/WEBER 2004, S. 1108 Ziff. 5927.