1945 Tieffliegerangriffe im Hellental

Klaus A.E. Weber

 

Zu Tieffliegerangriffen im "Luftkrieg im Weserbergland" veröffentlichte CREYD 2007 eine Chronologie der Ereignisse von 1933-1945; zudem wird auch auf die Veröffentlichung von MEYER verwiesen.[1]

 

Zeitzeugenerzählungen von Hannelore Schulz, Hellental (1932-2020) [6]

 

Fotografie vom Tatort 1

Oberes Hellental mit Petersilienplacken

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Erster Tieffliegerangriff im März 1945

im oberen Hellental [7]

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges sollte am Ostersamstag, 31. März 1945, die 25-jährige Hermine Engelbrecht (geb. 1920) im oberen Hellental beim Petersilienplacken auf einer höher im Wald gelegenen Wiese (Viehweide) für ihren Vater Carl Engelbrecht (1874-1954) Dünger streuen.

Carl Engelbrecht hatte die Düngesäcke mit seinem Kuhgespann dorthin gebracht und an seiner Wiese am Petersilienplacken deponiert.

Dann kamen im Tiefflug US-amerikanische Jagdflugzeuge ("Spitfire"?) und schossen mit dem Bordmaschinengewehr auf die verteilten Düngesäcke - wohl in der irrigen Annahme, dass es sich dabei um deutsche Soldaten handelten würde.

Im oberen Hellental aufgefundene Patronenhülsen können als mögliche „stumme Zeugen“ des Tieffliegerangriffes im dortigen Areal interpretiert werden.[10]

Die junge Hermine Engelbrecht ist daraufhin um Leib und Leben fürchtend weggerannt und versteckte sich in dem abgelegenen Sollingtal.

Unversehrt überlebte sie den Tieffliegerangriff des "Luftkrieges im Weserbergland" (CREYDT 2007).

 

Skizze vom Tatort 2

Dorfplatz von Hellental mit 3-jährigem Kind [6]

© [hmh, Skizze: Hannelore Schulz, Hellental

 

Zweiter Tieffliegerangriff im April 1945

im Sollingdorf Hellental [8]

Nach der Bombardierung von Holzminden am Dienstag, 03. April 1945, waren die Bekannten und Verwandten der Familie von Hannelore Schulz samt Gepäck per Kleinlaster von Holzminden durch den Sollingwald nach Hellental gekommen.

Der kleine Haushalt der Eltern von Hannelore Schulz (1932-2020) - Anbauer Karl Julius August Siebers (1894-1961) und Ehefrau Johanne Hermine Minna Siebers, geb. Kiene - wies daraufhin im Wohnhaus Ass.-№ 49 ungefähr 30 Personen auf.

Vom wesernahen Getreidespeicher in Holzminden war dort gelagerter Zucker nach der Bäckerei des Bäckermeisters Theodor  Kempe (geb. 1896) – genannt „August“ - transportiert worden und sollte anfangs April 1945 unter den geflüchteten Holzmindener verteilt werden.

Die Leute standen bis auf dem Dorfplatz Schlange, um ihre Zuckerration in Empfang nehmen zu können.

Die älteste Tochter der Familie Otto Kunkel [9] und Emma Kunkel, geb. Teiwes (1917-1993), die 3-jährige Bärbel Kunkel (30. April 1941 - 29. Juli 2006), spielte in einem auffällig roten, selbstgestrickten Kleidchen auf dem Dorfplatz unterhalb des alten Dorfteiches als plötzlich ein anglo-amerikanisches Jagdflugzeug aus dem langgestreckten Sollingtal anfliegend auf das kleine Mädchen mit dem Bordmaschinengewehr schoss.

Da die Maschinengewehrschüsse des Tieffliegers ihr Ziel verfehlten, passierte zum Glück nichts, das heftig erschrockene Kind blieb unverletzt.

Der US-Pilot musste, um nicht am nahen Berghang zu zerschellen, sein Jagdflugzeug gleich wieder „hochreißen“ - und konnte deshalb nicht genau zielen.

Eine Patrone flog am Dorfplatz durch das Dach des Wohnhauses Ass.-№ 72 und soll über Jahrehin einen Bordwaffeneinschuss hinterlassen haben.

 

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[1] MEYER 1980, S. 31-70, 154-161.

[5] Karl Julius August Siebers /(geb. 18. August 1894 in Hellental, verst. 03. Mai 1961 ebd.).

[6] Nach Erzählungen (2015/2016) von Hedwig Hannelore Schulz, geb. Siebers (geb. 02. Oktober 1932 in Hellental, verst. 18. April 2020).

[7] Vergl. CREYDT 2007, S. 336.

[8] Vergl. CREYDT 2007, S. 343.

[9] Am Ende des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft auf einem englischen Gutshof.

[10] Patronenhülsen: BMG – Bordmaschinengewehr Cal. 50. Bodenfund mittels Metallsonde von Magnus Kliewe, Einbeck, Herbst 2015, und Michael Begemann, Holtensen (Einbeck) 2019.