„Exceß” auf preußischem Forstgrund 1878

Klaus A.E. Weber

 

Ein Kampf zwischen Braunschweigern und Preußen

Wohl unter starkem Alkoholeinfluss kam es in jener angespannten Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts auch zu tätlichen Auseinandersetzungen, Ordnungskonflikten und „Exzessen“, mit der Folge repressiver polizeilicher Maßnahmen seitens der Obrigkeit, jedoch ohne wirkliche strukturelle Veränderungen.[1]

So wurde am 04. Mai 1878 in der örtlichen Tagespresse [2] über einen am ersten Osterfeiertag anlässlich des traditionellen Osterfeuers von Einwohner*innen des zum Amtsgerichtsbezirk Stadtoldendorf gehörenden Arbeiterdorfes Hellental "auf preußischem Forstgrund verübten Exceß" berichtet - „ein Kampf zwischen Braunschweigern und Preußen”.

 

 

"Stadtoldendorf, 2. Mai.

Ueber den am ersten Osterfeiertage von Einwohnern des zum hiesigen Amtsgerichtsbezirke gehörenden Dorfe Hellenthal auf preußischem Forstgrund verübten Exceß wird dem ”S. B.” aus Dassel geschrieben:

„Die Einwohner des Dorfes Hellenthal im Braunschweigischen haben seit längerer Zeit die Gewohnheit, auf preussischem Forstgrund, sogar hinter dem dort gezogenen Gatter, ein möglichst grosses Osterfeuer anzuzünden, wozu sie diesmal nicht blos das sehr kostspielige Gatter, sondern auch mit Äxten und Beilen auf preußischem Grund und Boden abgeschlagene Bäume verwendeten.

Da außer diesem Holzdiebstahl und der Demolierung des Gatters durch das Abbrennen des Osterfeuers auch leicht ein Waldbrand entstehen kann, so begab sich der Oberförster aus der Oberförsterei Dassel mit 6 Forstbeamten und einem Gendarm an Ort und Stelle, um den groben Unfug zu inhibiren.

Sie trafen am Abend etwa 150 - 200 Leute aus Hellenthal an dem Orte, wo das Feuer abgebrannt werden sollte, die unter furchtbarem Lärmen und Toben Drohungen gegen die Forstbeamten ausstießen und gewaltsam auf den für das Feuer bestimmten Platz drangen, Stroh mit sich führend, um dasselbe anzuzünden.

Nachdem von den Forstbeamten alles Mögliche aufgeboten worden, die Leute in Güte von ihrem Vorhaben abzuhalten, legten letztere dennoch gewaltsam Feuer an, so daß zur Verhaftung der Betreffenden geschritten werden mußte.

Hierbei wurden die Forstbeamten und der Gendarm von den Tumultanten angegriffen, so daß erstere zum Gebrauch der Waffen schreiten mußten.

Die 7 Forstbeamten und der Gendarm hieben wacker drein und hatten nach einem kurzen Gefecht den etwa 200 Mann starken Feind derartig geschlagen, daß sie den fraglichen Platz allein behaupteten.

Die Schußwaffe kam nicht in Anwendung, dagegen wurden aber die Hirschfänger tüchtig gebraucht, jedoch sind lebensgefährliche Verwundungen nicht vorgekommen."

 

Die tätlichen Auseinandersetzungen blieb erwartungsgemäß für einige wenige Hellentaler Teilnehmer am Osterfeuer auf fremdem, zumal preußischem Grund nicht ohne polizeiliche und strafrechtliche Folgen.

Hierzu war ein halbes Jahr später in den Braunschweigischen Anzeigen [3] zu lesen:

"Bekanntlich gab das Abbrennen des Osterfeuers am ersten Ostertag dieses Jahres die Veranlassung zu einem förmlichen Kampfe zwischen einer großen Anzahl Bewohner des braunschweigischen Dorfes Hellenthal im Solling und den preußischen Forstbeamten der Oberförsterei Dassel.

Jene wollten in früher hergebrachter Weise das Osterfeuer auf einem preußischen Forstgrundstücke abbrennen, letztere solches, wie auch schon in früheren Jahren, nicht dulden, um die unvermeidlichen Beschädigungen der Forst zu verhindern.

Nach längerem Hin- und Herreden wurden die Forstbeamten von den Hellenthalern angegriffen und so arg mißhandelt, daß sie sich der Angreifer nur unter Gebrauch der Hirschfänger erwehren konnten.

Die eingeleitete Untersuchung hatte ein nur sehr ungenügendes Resultat; im Schutze der Dunkelheit waren nur wenige der Hellenthaler bei dem begangenen Vergehen erkannt und beim Leugnen derselben war nur Weniges nachzuweisen.

Einige, fünf oder sechs Personen, konnten wegen Beschädigung des Wildgatters und der Forst dem Polizeigericht zur Bestrafung überwiesen werden, zwei wurden am 3. d. M. wegen Widerstandes bzw. Angriffs auf Forstbeamte vor die Strafkammer gestellt, aber auch nur gegen einen der letzteren ergab sich genügendes Untersuchungsmaterial.

Umso schärfer und für ihn unerwartet war die erkannte Strafe; er erhielt ein Jahr Gefängnis. Der andere Angeklagte wurde freigesprochen."

 

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[1] SCHUBERT 1997.

[2] in LESSMANN 1984, S. 96. Braunschweigische Anzeigen Nr. 104 vom 04. Mai 1878.

[3] Braunschweigische Anzeigen Nr. 214 vom 22. September 1878.