Historische produktionstechnische Vergleiche

Klaus A.E. Weber

 

Der restaurierte, 8,10 m hohe Heinser Kalkofen │ Oktober 2013

© HGV-HHM, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

Alter Schachtofen im Hagengrund bei Heinsen an der Weser

Nahe dem Transportweg Weser gelegen, gab es einst in der Umgebung von Heinsen, Polle und Brevörde zahlreiche Kalköfen, deren Betrieb im 17. bis 19. Jahrhundert exklusiv Heinser Schiffern mit ihrer "Kalkhandlungscompagnie" oblag.[5][6]

In Heinsen (oberer Hagengrund) an der Oberweser steht ein Schachtofen, in dem bis um 1950 noch Kalk gebrannt wurde.[3]

Der „Heinser Kalkofen“ ist der letzte baulich erhaltene Kalkbrennofen im weiteren Umfeld an der Oberweser, geschützt als Industriedenkmal.

Der zwischen 1999-2003 restaurierte Schachtofen hat eine Höhe von 8,10 m bei einer Tiefe von 4 m und weist an der Frontseite einen Entladungsschacht auf sowie links und rechts einen Befeuerungsschacht.[6]

Es ist zwar nicht der gleiche Prototyp wie der ältere nahe Merxhausen, ist vom Funktionsprinzip (Vorwärmen/Brennen/Abkühlen) und Wirkungsgrad aber dennoch vergleichbar.

Begünstigt durch lokale Kalksteinschichten und die Weser als Transportweg bis nach Bremen gab es einst bei den Oberweserorten Brevörde, Polle und Heinsen zahlreiche Kalköfen; um 1808 waren hier 12-14 Kalköfen in Betrieb.

In der Heinser Ortschronik wird über die bedeutende monopolartige „Kalkhandlungs-Compagnie“ im ehemaligen hannoverschen Amt Polle berichtet, gegründet 1788 und 1792 vom Amt genehmigt.[4]

 

Der Kalkofen in der mittelalterlichen Stadtwüstung Nienover im Solling [1]

Die archäologischen Studien zur Sachkultur der hochmittelalterlichen Gründungsstadt Nienover im südlichen Solling erbrachten den Nachweis eines Kalkbrennofens (Komplex 1) mit Brennkammer, Feuerungskanal und Arbeitsgrube sowie eine Grube mit Rinne sowie Kalksteine und hoch verziegelte und verglaste Ofenwandungsbruchstücke.

 

Bovenden

Häufung von Brennöfen in der Umgebung von Bovenden 1730-1850 [8]

 

Kalkbrennofen Ferrera – Ausserferrera

Ereignisbericht 2021 von Mag. Christoph Walser, Archäologischer Dienst Graubünden

 

Schematisierte Rekonstruktion eines Kalkbrennofens [7]

 

„Normalofen“ nach Thomas Bitterli-Waldvogel (Basel)

① Schnauze bzw. Feuer- und Zugöffnung

② Hölle bzw. Feuerraum

③ Himmel bzw. Gewölbe, das den Feuerraum von der Kalkkammer trennt

④ Kalkkammer bzw. Raum für die zu brennenden Steine

⑤ Ofenmantel

 

Die Iversheimer Kalkfabrik in der römischen Provinz Niedergermanien [2]

Erstmals konnte in den Jahren 1966-1968 im Erfttal bei Iversheim/Nordeifel eine ganze kaiserzeitliche Kalkfabrik ("calcaria") mit Werkhallen und 6 Kalköfen ("furnus") archäologisch untersucht sowie in einem der Ofenanlagen nach römischer Art experimentell Kalk gebrannt werden.

Hierbei handelt es sich um ein Zentrum römischer Brandkalkherstellung des Heeres der Provinz Niedergermanien - mit einem periodischen Nutzungszeitraum vom 1. Jahrhundert n. Chr. bis in die 70er Jahre des 3. Jahrhunderts n. Chr.

Genannt werden

  • Kalkbrenner ("calcarii")

  • Brennmeister ("magister calcariarum")

  • Bauführer ("architectus").

 

Kalköfen bei Georgensgmünd

Gemeinde Georgensgmünd im mittelfränkischen Landkreis Roth

Vergessenes Geheimnis - Kalkbrennen

 

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[1] KÖNIG 2009, S. 227-228; KÜNTZEL 2010, S. 242-249.

[2] HISTORISCHE MUSEEN DER STADT KÖLN 1975, S. 136-137.

[3] Mitteilung von WOLFGANG WAGNER (Polle) 2013.

[4] Ausstellung in dem Heimat- und Schifffahrtsmuseum des Heimat- und Kulturvereins Heinsen.

[5] WITTKOPP, FRIEDRICH: Heinsen - Die Geschichte eines Oberweserdorfes. Selbstverlag des Heimatbundes Niedersachsen.

[6] RASSMANN 2004, S. 140 Abb. 1, 141.

[7] Abb. aus KÜNTZEL 2010, Tafel 101, 3.

[8] GEBHARDT 2023.