Toponyme - Orts- und Flurnamen

Klaus A.E. Weber

 

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

16.-20. Jahrhundert

Nach den Ausführungen in den lexikalischen Angaben bei CASEMIR/OHAINSKI [11] sowie in anderen Literaturangaben sind folgende alte Flur- und Ortsnamensformen für Hellental zu verzeichnen:

  • 1574: De Heldaell (Karte MASCOP)[15]
  • 1578: denn Helldall uff
  • 1587: Hellendall
  • 1596: aus dem Helden Thal (LETZNER)
  • 1603: das Helldahl (Karte KRABBE)
  • 1637: am Hellenthael
  • 1668: der Helllenthal ist ein buchholz
  • 1743: Hellenthal am Steinbeck
  • 1756: Glashütte zu Steinbeck jetzo Hellenthal
  • 1765: zu Hellenthal
  • 1768: Höllenthal (Karte GERLACH)
  • 1783: Hellen Thal
  • 1825: Grundriss des Dorfes Hellenthal

 

Helldahl Höllenthal Hellenthal Hellental

Vormals war das ursprüngliche Talgebiet, das alte Hellental, ein verborgener, abgelegener und damit wohl auch ein geheimnisvoller Ort inmitten des etwa 500 m hohen Sollingmassivs.

Es war ein von dunklen Laubwäldern umstandenes Muldental, durch das im Talgrund mäandrierend ein gurgelnder Mittelgebirgsbach floss - die Helle.

Teilweise herrschten auch baumbestandene Sümpfe vor.

Den wohl mittelalterlichen Flurnamen „Hellen-Tal“ mit seinen beiden Grundworten zu übersetzen und ob seiner ursprünglichen Bedeutung richtig zu interpretieren, ist ein schwieriges und kontroverses Unterfangen, dessen Ende wissenschaftlich-historisch nach wie vor offen und bislang wohl eher von Spekulationen geprägt ist.

Flur- und Forstortsnamen sowie insbesondere alte Karten zur Darstellung ökonomischer, forstlicher und topografischer Aspekte, topografische Landeskarten oder militär-topografische Karten können hilfsweise zur Beantwortung der Frage herangezogen werden, wann und wie erstmals Hellental als Talstruktur und dörfliche Siedlung nachvollziehbar erwähnt wurde und wie der alte Name zu deuten ist.

 

Nicht unumstrittene Darstellung des Sollings im 12. Jahrhundert nach FÖRSTER [12]

 

12. Jahrhundert

[„Heli-teile”]

Die im Band 2 der Forstortsnamensammlung von FÖRSTER [12] veröffentlichte Karte „Der Solling um 1180“ weist ist entlang der alten Gaugrenze die Flurbezeichnung „Heli-teile“ auf.

Unter anderem nach FÖRSTER sollen das Tal bzw. der „Hellentaler Berg“, ein noch heute bei älteren Hellentaler*innen gebräuchlicher Forstortname, genannt worden sein; 1668 heißt es, "der Hellenthal ist ein Buchholz, gehet hinauf bis an den Hülsbruch".

Wie FÖRSTER weiterhin ausführt, soll nach seiner Deutung die Flur, die dem ganzen Tal den Namen gab, im alten Augau gelegen haben.

Der Artikel deute an, dass "tal" sich nicht auf einen Talgrund bezogen habe, vielmehr sei die Wurzel althochdeutsch "teil" = Teil, Anteil, Stück, Seite oder altsächsisch "del" = Teil, Anteil.

Somit sei der Forstort "Hellentaler Berg" „mithin der schützende, bergende Teil des Berges (heute: Ahrensberg), die Fläche an der alten Gaugrenze.“

Nach JÜRGENS [13] soll der Wortstamm "hel" zu dem althochdeutschen Begriff "helan" (= verbergen) führen.

Die Bezeichnung "Helldahl" könnte somit auf einen Ort hindeuten, der im Wald versteckt liegt.

Der Begriff "hella" (= Unterwelt, Hölle) bedeutet ursprünglich „Versteck“ oder war eine Bezeichnung für einen „engen Raum“.

Nach der Deutung von Förster geht der ältere Begriff „Helle“ hingegen auf "hülle" zurück, „jedes deckende, bergende, umschließende“ bzw. auf das althochdeutsche "heli" = Hülle, Schutz.[1]

Das Hellental könnte somit als Flur an einer bergenden oder schützenden Grenze interpretiert werden.

Diese wie andere Namensdeutungen von Förster dürfen allerdings nicht unkritisch betrachtet werden, da sie aus wissenschaftlicher Sicht als nicht in jedem Fall tragfähig oder nachvollziehbar eingestuft werden.[2]

 

1603

"Das Helldahl"

Nach LESSMANN [14] wurde Ende des 16. Jahrhunderts im Fürstenberger Erbregister ein „Grund” mit Namen "Hellendahl" erwähnt.

Das von "Marckshusen" nach Neuhaus hinaufziehende Tal wird in der topografischen Solling-Jagdkarte von 1603 [3] durch deren „bilingualen“ Autor KRABBE als "Das Helldahl" (Blatt 11) und "Helldahl" (Blatt 8) bezeichnet, wobei er also die niederdeutsche Form "–dal" für das hochdeutsche „Tal“ verwendete.

Es ist in der Kartendarstellung deutlich die weitgehend geradlinige, vom Südwesten nach Nordosten verlaufende Grabenstruktur zu erkennen (nordöstlicher Ausläufer des Derental-Merxhausener-Grabens).

Das "Helldahl" ist kartografisch als langgezogenes schmales Tal, im nordöstlichen Drittel offen mit waldfreien Flächen, dargestellt, gesäumt von dichten Buchenbeständen und den mehr nördlich flankierenden Fluren "An der Winterlith" im Osten (mit einer als "Wiesen" ausgewiesenen Freifläche) und "In der Steinla" im Westen, weiter südwestlich "Der Arnsberg" (Ahrensberg) mit dem "Peterzillegen Grundt" (Petersilienplacken) und einer danach folgenden Flur, die als "Buchstrang" eingetragen ist.

Dabei gilt das Namenselement "–strang" oder "–lith" als eher seltene Bergbezeichnung, wobei "–lith" Berglehne bzw. -abhang meint, "-grund" Vertiefung oder Tal. Die Elemente "–lah" und "–holz" beziehen sich auf Wald.[4]

Das "Helldahl" wird von einem namenlosen, nach Süden hin vermehrt mäandrierenden Bachlauf (Fließgewässer Helle) durchzogen dargestellt.

Es finden sich im gesamten Talverlauf aber keine eindeutigen Hinweise auf einen Fahrweg; ebenso wenig für menschliche Siedlungen.

Demnach bestand um 1600 nachweislich keine ortsfest angelegte (dörfliche) Siedlung im Hellental.

Ebenso wenig enthält die Sollingkarte die Darstellung einer Glashütte im Hellental bzw. in dessen Nahbereich.

Die Blätter 8 und 11 der frühneuzeitlichen Sollingkarte beinhalten zugleich die erste (älteste) urkundlich-kartografisch belegbare Flurbezeichnung für das tektonisch im Tertiär entstandene Muldental im nördlichen Solling.

 

1735/1736

"Hellenthal"

Das "Sollingische Forstbereitungsprotocoll" von 1735-1736 der Königlichen Domänenkammer in Hannover erwähnt in der "Tabelle derer jenigen Berge und Örter", welche 1714-1715 dem "Uslarischen Eisen-Hüttenwerke abzukohlen in Vorschlag gebracht", im Zusammenhang mit dem "Daßelschen Mittelberg" auch das angrenzende "Hellenthal".

 

1745/1746

"Höll Thaler Glashütte"

Die historische Flurkarte mit Abteilungsnummern der Forst von Merxhausen aus dem Jahr 1745 [5] - "Geometrischer Grundriss Der Merxhäuser-Forst Wie selbiger in Anno 1745 aufgenommen worden von Ludwig August Müller" - zeigt im Bereich des westlichen Taleinschnitts, in dem das heutige Dorf Hellental am Berghang liegt, vereinfachte Gebäudemarkierungen (Signaturen) sowie die nur schwer erkennbare Namensangabe "Höll Thaler Glashütte".

Der "Geometrische Grundriß derer Hochfürstl. Braunschweig.-Lüneburg. an den Weser- und Leineflüssen belegenen Landen [der im Sollinger Revier belegenen Forsten], aufg. von 1745/46 durch J. F. Hintzmann auf Befehl des Herzogs Carl unter d. Direction d. Hofjägermeisters v. Langen, kopiert von Grotian"[6] enthält lediglich in der Abteilung des Amtes Allersheim die Beschreibung "Hell Thal Glashütte", jedoch ohne eine erkennbare Signatur für Häuser bzw. Häusergruppen.

Es ist die Phase zwischen der ersten und zweiten Besiedlung des Hellentaler Seitentals.

 

1768

"Höllenthal" (Gerlachsche Karte des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel)[10]

Unmittelbar nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges im Jahr 1763 erhielt aus wirtschaftlichen und politischen Gründen der Braunschweiger Vermessungsingenieur und Kartograf Johann Heinrich Daniel Gerlach (1735-1798) von Herzog Carl I. den Auftrag, eine topografische Karte des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel mit einer geografisch-statistischen Beschreibung anzufertigen.

In den Jahren 1763-1775 entstand so die „Gerlachsche Karte des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel“ als erstes topografisches Kartenwerk aus dem 18. Jahrhundert.

Der bildhaft-anschauliche Plan des Weserdistrikts - und damit der Dörfer Heinade, Hellental und Merxhausen - war 1768 aufgenommen worden (5. Abteilung, Blatt 5).

Mit dem Namen "Höllenthal" ist die Hellentaler Dorfanlage mit roten Gebäudesignaturen und farblich abgesetzten umliegenden Gärten wiedergegeben, einschließlich einer Wassermühle.

Hingegen findet sich keine statistische Angabe zur Anzahl (besteuerungs-)relevanter Feuerstellen.

 

Ausschnitt "Hellental" aus der Karte der Generalvermessung des Landes Braunschweig 1792 [7]

 

1792

Braunschweigische General-Landes-Vermessung

Die Braunschweigische General-Landesvermessung erfolgte zwischen 1746-1783.

Die Hellentaler Flure waren in den Feldrissen allerdings nicht erfasst worden.

Erst 1792 wurde der heute im Naturschutzgebiet „Hellental” liegende Talbereich als "Im Höllen-Tal" sowie das Dorf selbst topografisch für Landeszwecke aufgenommen.

Sie fallen somit nicht unter die Generalvermessung des Landes Braunschweig.[7]

Als Flurbezeichnungen finden sich hierbei nordöstlich des Dorfes im Talabschnitt nach Merxhausen hin:

  • "Auf den Salz-Cämpen"

  • "Auf den Cämpen"

  • "Auf den Langen Felde"

  • "Auf der Wrige"

  • "Auf dem Anger"

  • "An der Winter-Lied".

Auch die topographische Landesaufnahme des Kurfürstentums Hannover von 1764-1786 weist nördlich des "Dasßelschen Mittel Berges" ein "Hellen Thal" aus.[8]

 

1806

"Höllenthal"

Der vom späteren preußischen Generalmajor Carl Ludwig v. Le Coq während der „napoleonischen Zeit“ (1805–1813) aufgenommenen topografischen Karte von Westfalen (Blatt 14)[9] ist zu entnehmen, dass sowohl das Tal als auch die dörfliche Siedlung kartografiert wurden, wenn auch ohne eindeutige Siedlungsstruktur.

Das Dorf trägt den Namen "Höllenthal".

 

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[1] DWB 10, 1897 – zit. in FÖRSTER 1996 .

[2] CASEMIR 2004, S. 28.

[3] Ausschnitt aus der gesüdeten Sollingkarte von Johannes Krabbe [NLA WO, K 202, Blatt 8, 11], Maßstab 1:15.000 - 1:18.000.

[4] CASEMIR 2004, S. 28 f.

[5] NLA WO, 92 Neu F 501 (Anlage Karte).

Grundriss der Forstreviere im Solling im Maßstab 1:40.000.

NLA WO, K 7651 (Karte-Nr. 39, Kapsel-Nr. 35; Findbuch: Hauptabt. X, Reihe 9-II (Nds. Feva), S. 2-7.

[6] Im Höllental (Schwarzwald) besteht noch heute die Glasbläserkunst fort, deren Wurzeln auch im 18. Jahrhundert liegen („Hofgut Sternen“, 79874 Breitnau/Höllsteig).

[7] KRAATZ 1975.

[8] ENGEL 1978.

[9] Lecoqsche Karte, einer Kupferstichreproduktion (Original von 1806) entnommen (Privatsammlung von Dr. Wolfram Grohs, Holzminden): Topographische Karte den größten Theil von Westfalen enthaltend ... Karte eines Theils von Hannover, Braunschweig, Lippe-Detmold, Hessen-Schaumburg, Minden, Ravensberg, Paderborn, Corvey und der Grafschaft Pyrmont. Maßstab 1:86.400 – Section XIV von 1805 der preußischen Karte.

[10] ARNOLDT/CASEMIR/OHAINSKI 2006.

[11] CASEMIR/OHAINSKI 2007, S. 109-110.

[12] FÖRSTER 1996.

[13] JÜRGENS 1995.

[14] LESSMANN 1984.

[15] OHAINSKI/REITEMEIER 2012, Tafel 6 Amt Fürstenberg, S. 186-187.