Gastwirtschaft Timmermann │ "Grüner Jäger"
Klaus A.E. Weber
Aufstieg und Fall einer Traditionsgaststätte - 1907 bis 1978
Der in Hellental am nordwestlichen Hang, oberhalb des historischen Dornkerns, gelegene Gebäudekomplex mit der Ass.-№ 25 (Wohnhaus und Gastwirtschaft mit Saal) der ehemals weithin bekannten "Timmermann’schen Gastwirtschaft"
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Oberer Kreuger
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Theodor Timmermann, Gastwirtschaft – Logis – Ausspann
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Café, Restaurant Grüner Jäger
- volkstümlich „bei Heinschen“
genannt, soll auf ein Fachwerkhaus aus dem Jahr 1740 zurückzuführen sein.[2]
Heute ist das umgebaute und durch Teilabriss sanierte Gebäude das stattliche Wohnhaus „Zum Winkel 2“.
Zur ehemaligen „Gastwirtschaft Nr. ass. 25“ besteht im Kreisarchiv Holzminden im Kontext mit Gaststättenerlaubnisverfahren eine recht umfangreiche Akte [3], die für die folgenden Ausführungen auszugsweise herangezogen wurde.
Die beiden Gebäudeteile der Timmermann'schen Gastwirtschaft um 1920
© Archiv HGV-HHM
(1) Theodor Timmermann │ 1907-1942
„Theodor Timmermann, Gastwirtschaft – Logis – Ausspann“
Bei ihrer Verheiratung am 01. November 1906 brachte Minna Louise Anna Auguste Timmermann (geb. Sturm; * 04. Februar 1883 in Hellental, † 07. November 1962 in Hellental) mit dem Gastwirtsohn und Brinksitzer Carl Heinrich Theodor Timmermann (* 14. Januar 1878 in Hellental, † 24. Juli 1942 in Hellental) das zweigeschossige Wohnhaus mit in die Ehe ein.[1][4]
Theodor Timmermann war der Sohn von Carl Heinrich Theodor Timmermann, der am 01. September 1850 in die Familie eines Waldarbeiters in Hellental geboren wurde.
Carl Timmermann hatte am 01. November 1877 in Heinade die am 19. Dezember 1854 in Hellental als Tochter eines Brinksitzers geborene Hanne Friederike Amalie Eikenberg geheiratet.[4]
Von der Kreisdirektion Holzminden war am 16. November 1907 die Konzession erteilt worden, eine Gastwirtschaft sowie den Kleinhandel mit Branntwein zu betreiben.[3]
Nach mündlicher Überlieferung habe das Ehepaar Anna und Theodor Timmermann um 1910/1912 für 38.000 Reichstaler ein großes, zweigeschossiges Gebäude als Anbau an das bereits vorhandene Wohnhaus errichtet.[1]
Die Gastwirtschaft firmierte unter „Theodor Timmermann, Gastwirtschaft – Logis – Ausspann“.
In dem Neubau wurde im ersten Obergeschoss ein Gast- und Clubraum, ein ebenerdiger Reisestall und Bierkeller, zwei Fremdenzimmer sowie ein Saal für Vergnügungsfeste im zweiten Obergeschoss eingerichtet.[1]
Theateraufführung: Sterntaler (Engel) im Saal um 1910 [6]
© [hmh, Foto Privatsammlung Klara Schulte, Hellental
(2) Anna Timmermann │ 1942-1952
Nach dem Ableben von Theodor Timmermann am 24. Juli 1942 übernahm die Witwe Anna Timmermann die Gaststättenkonzession und übte diese auch bis zum Jahr 1951 aus.[3]
Die Gast- und Schankwirtschaft bestand seinerzeit im Erdgeschoss aus einem Klubzimmer, einer Gaststube und einer Betriebsküche, im Obergeschoss aus zwei Fremdenzimmern und aus einem großen Saal als Versammlungsraum.[3]
Planungszeichnung für das Erd- und Obergeschoss [3]
mit großem Saal als Versammlungsraum
Juni 1952
© Historisches Museum Hellental
(3) Heinrich Timmermann - genannt „Heinschen“ │ 1952-1962
Nachdem Anna Timmermann aus Altersgründen nicht mehr in der Lage war, den Gast- und Schankwirtschaftsbetrieb weiterzuführen, stellte ihr jüngster Sohn Otto Karl Heinrich Timmermann (* 19. Dezember 1913) - genannt „Heinschen“ – am 16. November 1951 einen Konzessionsantrag mit der Bitte um Übertragung der elterlichen Erlaubnis zum Betreiben der Gast- und Schankwirtschaft, verbunden mit Kleinhandel von Branntwein.[3]
Am 23. Oktober 1952 wird dem Beschluss des Beschlussausschusses des Landkreises Holzminden Heinrich Timmermann die Erlaubnis zum Betrieb der Gastwirtschaft sowie zum Ausschank und zum Einzelhandel „sämtlicher geistiger und nicht geistiger Getränke“ erteilt.[3]
Anna Timmermann verstarb am 07. November 1962 und Heinrich Timmermann verpachtete seine allgemein beliebte Hellentaler Gastwirtschaft.
Aus einer Werbeansichtskarte "Café-Restaurant Grüner Jäger
Mitte 1960er Jahre
© Archiv HGV-HHM
(4) Hans-Joachim Sehring │ 1962-1968
"Café, Restaurant Grüner Jäger"
Im Jahr 1962 wurde die Gaststätte von Heinrich Timmermann von dem Bäcker und Konditor Hans-Joachim Sehring (* 17. Dezember 1909 in Berlin) aus Osterode am Harz verpachtet übernommen und erfolgreich weitergeführt.
Nach räumlicher und schanktechnischer Neuausstattung, u. a. durch die Brauerei Allersheim, war die Gastwirtschaft nunmehr als "Café, Restaurant Grüner Jäger" neu im „Luftkurort 3451 Hellental/Solling (Ruf 05564/598)“ eröffnet worden.
Am 26. April 1952 hatte Hans-Joachim Sehring den Antrag auf Erlaubnis zum Betrieb der Gastwirtschaft gestellt.
Bereits ein Tag später, am 27. April 1962, wurde dem neuen Inhaber die Vorerlaubnis nach § 7 des Gaststättengesetzes seitens des Landkreises Holzminden erteilt.
Auch folgte die Erlaubnis zum Betreiben der Schankwirtschaft.
Das "Café, Restaurant Grüner Jäger" Nr. 25 hatte im Erdgeschoss zwei Schankräume und eine Betriebsküche und im Obergeschoss einen Saal für 120 Personen.[3]
Zudem war zunächst vorgesehen, einen Kaffeegarten (ca. 10 x 6,5 m) einzurichten.
Wie Dorfbewohner*innen heute berichten, sei der Plan eines „Kaffeegartens“ jedoch nicht umgesetzt worden.
(5) Erika Otto │ 1968-1969
Am 16. September 1968 stellte Erika Otto, geb. Weiberg (* 1945 in Naensen, Kreis Gandersheim) einen Antrag auf Erteilung zum Betreiben der Schankwirtschaft in Hellental.
Am 19. September 1968 wurde ihr die Vorerlaubnis nach § 7 des Gaststättengesetzes seitens des Landkreises Holzminden erteilt.
(6) Elli Assmann │ 1969-1970
Bereits ein Jahr später übernahm 1969 die Hausfrau Elli Assmann die weiterhin als „Grüner Jäger“ betriebene Schankwirtschaft, nachdem ihrem Erlaubnisantrag vom 27. Mai 1969 ordnungsbehördlich stattgegeben worden war.
Im Zusammenhang mit dem neuen Antrag auf Erteilung zum Betreiben der Schankwirtschaft vom 16. September 1969 wurde von der Inhaberin einschränkend erklärt, dass der Saal als Versammlungsraum nicht mehr benutzt und der Betrieb zum 31. Januar 1970 aufgegeben werden soll.
(7) Elke Maria Voll │ 1970-1971
In der Absicht, die Gaststätte „Grüner Jäger“ mit zwei Schankzimmern, einer Betriebsküche und einem Saal zu übernehmen, stellte die Verkäuferin resp. Serviererin Elke Maria Voll, geb. Fischer (* 1945 in Eltze, Kreis Peine), am 17. Juli 1970 den Antrag zur Erlaubnis zum Betrieb einer Schankwirtschaft mit der Bemerkung, dass der Saal noch umgebaut und renoviert und daher vor dem 01. November 1970 nicht benutzt werde.
Anträge zu Vorerlaubnissen nach § 7 des Gaststättengesetzes wurden wiederholt gestellt – am 27. Juli und 09. November 1970, am 03. Februar und 14. Juni 1971.
Dies geschah vor dem Hintergrund wiederkehrender ordnungsbehördlicher Beanstandungen wegen Mängeln (auch Hygienemängel).
Schließlich wurde am 26. August 1871 ordnungsbehördlich festgestellt, dass die Inhaberin „die Pachtung der Gastwirtschaft aufgegeben“ habe, der Betrieb ruhe – und „Frau Voll Hellental bereits verlassen“ habe.
(8) Schaefer │ 1972
Zunächst bewarb sich Harald Schaefer aus Einbeck (* 1949) um die Erlaubnis zum Betreiben der Schankwirtschaft in Hellental.
Jedoch konnte seinem Antrag vom 18. Oktober 1972 ordnungsbehördlich nicht entsprochen werden, da bei ihm die erforderliche Zuverlässigkeit nicht vorlag.[5]
Wenig später bemühte sich Karla Schaefer aus Einbeck als Pächterin um die Erlaubnis zum Betrieb der Hellentaler Schankwirtschaft.
Hierzu ist hervorzuheben, dass in Folge eines Zimmerbrandes Betriebsräume der Schankwirtschaft verwüstet wurden.
Durch Fristablauf verliert am 30. Juni 1972 die erteilte Vorerlaubnis ihre Gültigkeit, weshalb der Gaststättenbetrieb nicht weitergeführt werden durfte.
Schließlich wurde am 25. April 1972 ordnungsbehördlich in Erfahrung gebracht, dass der Betrieb der Gaststätte wieder aufgenommen wurde.
(9) Hannelore Wutzel │ 1972
Am 23. August 1972 stellte die österreichische Gastwirtin Hannelore Wutzel (* 1950) aus Einbeck den Antrag, die Gaststätte, nunmehr „Im Winkel 25“, als Schankwirtschaft betreiben zu dürfen.
War die Gaststätte "Grüner Jäger" von der Baumgarten's Brauerei Allersheim GmbH gepachtet und am 16. August 1972 eröffnet worden, so musste sie wegen fehlender Erlaubnis nach dem Gaststättengesetz bereits am 21. August 1972 geschlossen werden.
Nur wenige Zeit später wurde am 13. September 1972 ordnungsbehördlich festgehalten, dass inzwischen der Betrieb der Schankwirtschaft wieder aufgegeben wurde.
Hierbei ist bemerkenswert, dass im Sommer 1972 ein "noch unbekannter türkischer Staatsangehöriger" den "Grünen Jäger" gepachtet haben soll.
Gegen ihn bestand seitens der Landeskriminalpolizei Hildesheim ein Ermittlungsverfahren wegen eines Vergehens gegen das Betäubungsmittelsetz.
(10) Elfriede Ziegler │ 1972-1973
Die Hausfrau Elfriede Ziegler (* 1935) aus Hameln beantragte am 03. Oktober 1972 den Betrieb der Gaststätte, jedoch ohne Saal und Kaffeegarten.
Am 04. Oktober 1972 erhielt sie hierfür die vorläufige Erlaubnis.
Nach dem diese ihre Gültigkeit verloren hatte, war seit dem 04. Januar 1973 der Gaststättenbetrieb ordnungsbehördlich nicht mehr gestattet.
Eine erneut beantragte und erteilte vorläufige Erlaubnis vom 21. Februar 1973 verlor aber mit Ablauf des 20. April 1973 ihre Gültigkeit.
(11) Frieda Linnemann │ 1975-1978
Die Berliner Hausfrau Frieda Linnemann (* 1930) strebte mit einem Erlaubnisantrag vom 09. April 1976 eine Gaststättenpacht über fünf Jahre ab dem 01. Mai 1975 an, unterstützt von der Baumgarten's Brauerei Allersheim GmbH.
Für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft wurde am 14. April 1975 die vorläufige Erlaubnis erteilt und bis zum 31. März 1976 verlängert.
Mit Schreiben vom 01. März 1976 bat Herr Schulte als Vorsitzender des Verkehrsvereins Hellental, die Gaststätte "Grüner Jäger" zu schließen, "weil sich die Art und Weise der Führung des Betriebes auf den Fremdenverkehr in Hellental in besonderem Maße nachteilig auswirkt".
Es lagen Beschwerden "von Urlaubern und sonstigen Gästen" vor.
Nach abwägender rechtlicher Würdigung des Vorganges wurden ordnungsbehördlich Verlängerungen der Betriebserlaubnis bis zum 11. August 1976 und 11. Oktober 1976 erteilt; eine Erlaubniserteilung für die Betriebsart "Schankwirtschaft" am 06. Oktober 1976.
Wegen Betriebsaufgabe erfolgte am 01. August 1978 die endgültige Schließung der ehemaligen Traditionsgaststätte in Hellental.
Die Gaststätte wurde danach von dem Ehepaar Hans-Jürgen und Waltraud Kuschel als privates Wohnhaus umgebaut und aufwändig renoviert.
In diesem Zusammenhang wurde der baufällig gewordene Gebäudeteil mit dem großen Saal entfernt.
Nunmehr beherbergt das Haus „Wiesenblick“ in der Straße „Zum Winkel 2“ im dritten Obergeschoss - in Verbindung mit dem „LandHotel Lönskrug“ - eine große Ferienwohnung.
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[1] Persönliche Mitteilung von Friedrich Schütte, Holzminden.
[2] Persönliche Mitteilung des ehemaligen Privateigentümers Hans-Jürgen Kuschel im Jahr 2009.
[3] KreisA HOL 1063.
[4] NÄGELER/WEBER 2005, S. 1129 Ziff. 6109.
[5] s. BILD-Zeitung Nr. 265 vom 12. November 1968.
[6] zur Fotografie: dritte Person von rechts: Tante von Klara Schulte, Emilie (wurde 92 Jahre alt), Schwester von Klara Schultes Vater; 1. Person rechts: Mina Eikenberg.