Merxhausen │ "Dörp undern Sollige"

Klaus A.E. Weber

 

Luftbildaufnahme: © „Die Eule“, Zeitung in Einbeck - mit freundlicher Genehmigung 2016

 

Blick auf Merxhausen und den Heukenberg

Januar 2008 │ Mai 2011

© HGV-HHM, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

Merxhausen - Blick vom Heukenberg │ 2018

© HGV-HHM, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Ortsname

CASEMIR/OHAINSKI [5]: Die Ortsnamen des Landkreises Holzminden

 

Mittelalterliches Dorf - entstanden um 1168/1268 (?)

Am nordöstlichen Rand des Sollings gelegen, erstreckt sich an der ehemaligen Sollingsstraße von Holzminden nach Einbeck vom Nordwesten nach Südosten in einem engen Tal unterhalb des Heukenberges die spätmittelalterliche Dorfanlage von Merxhausen

Ober- und Unterdorf liegen am Fuße des Steinbergs.

Die erste schriftliche Erwähnung des Grenzortes ist in der Nennung eines "Wastmodus de Merkeshusen" im Jahre 1268 hinreichend sicher überliefert.[8][9]

Das alte bäuerliche Kapellendorf "Merxhusen" befindet sich an der alten „Sollingstraße“ - ehemalige Handel- und Heeresstraße - von Holzminden nach Einbeck (heute entlang der Landesstraße 580).

Der noch als geschlossen imponierende Ortskern des alten Haufendorfes unmittelbar unter des Steinberges - mit ortstypischen Fachwerkhäusern - wird an seiner nördlichen Flanke überragt vom prominenten Heukenberg, der zur Mitte des 16. Jahrhunderts als "Harkensberge" oder "Henkenberge" bezeichnet wurde, Mitte des 18. Jahrhunderts als "Heidenberg".[1]

 

Braunschweigische General-Landes-Vermessung 1746-1783 [12]

Ausschnitt Merxhausen 1763

 

LGLN: Merxhausen [16]

Das heutige Dorf Merxhausen gilt von den drei Ortsteilen der Gemeinde Heinade gemeinhin als die älteste Ansiedlung, deutet doch die Endung "–hausen" auf eine (Neu-)Ansiedlung in der Zeitspanne zwischen dem 5.-8. Jahrhundert hin.

In der Sollingkarte von Johannes Krabbe von 1603 trägt die dörflich geschlossene Siedlung nachweislich den Namen "Marckshusen" (Haus - niederdeutsch: -husen, hochdeutsch –hausen).

Hierzu ist anzumerken, dass mit "–husen" gebildete Ortsnamen in Südniedersachsen eine namenstypische Häufung aufweisen.

In diesem östlichen Bereich des Weserberglandes stießen vormals die Grenzen der drei Bistümer Hildesheim, Mainz und Paderborn zusammen.

Ursprünglich gehörte Merxhausen wahrscheinlich zum Bistum Mainz bzw. zur Herrschaft Everstein, später zum Amt Fürstenberg und seit 1649 zu dem davon abgetrennten Amt Allersheim.[2]

Um 1890 sind die Post sowie die Kalkbrennerei besonders ortshistorische erwähnenswert.[3]

Von Bewohnern umliegender Dörfer wird das "Dörp under Sollige" noch heute gerne „Klein Berlin“ genannt, nachweislich bereits auch um 1935.[4]

Dieser beliebte Spitzname ist nach HENZE/LILGE [6] möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sich durch die weitläufigen Handelbeziehungen im Leinengewerbe in Merxhausen „gewisse Umgangsformen“ entwickelten, die „den biederen Sollingern aber höchst befremdlich vorkamen“.

Da für Merxhausen bislang keine umfassenden ortschronistischen Aufzeichnungen oder gar eine Ortschronik erstellt wurden, blieb bislang vieles der wechselvollen Dorfgeschichte weitgehend unerforscht, unbekannt und Spekulationen überlassen.[13]

 

Moderner Straßenverlauf in Merxhausen um 1985

© Foto: Wilhelm Landzettel [6]

 

Eine besondere ortsgeschichtliche Bedeutung haben die

  • Mühlen (Papier- und Kornmühle) am Spüligbach

  • Dorfschmieden

  • Trinkwasserversorgung

  • Leinenweberei und Leinenhandel

  • Dorfkapelle (Lydia-Kapelle)

  • Schulhaus

  • Familie Rothschild und der jüdische Friedhof

  • Landwirtschaft

  • handwerklichen Betrieben (Tischlereien)

  • Kalkbrennerei

  • Eisenverhüttung (Hammerhütten)

  • Versorgung mit Elektrizität

  • Vereine

  • Gastwirtschaften

  • Feuerwehr,

aber auch anderen, ortsgeschichtlich wesentlichen Themenbereichen zukommen.

 

"Merxhausen (Braunschweig) bei Dassel Kreis Einbeck" │ Grußpostkarte [11]

© HGV-HHM

 

Merxhausen │ Grußpostkarte

© HGV-HHM

 

Die nahe von Merxhausen gelegene, heutige Kreisgrenze zwischen den beiden Landkreisen Holzminden und Northeim war bis zum 01. August 1941 zugleich auch Landesgrenze zwischen Braunschweig und der preußischen Provinz Hannover.

Die Selbstverwaltung als eigenständige Gemeinde im Landkreis Holzminden endete für Merxhausen am 31. Dezember 1972 durch den Zusammenschluss mit Hellental zur heutigen Gemeinde Heinade.

Der als geschlossen imponierende Ortskern des spätmittelalterlichen bäuerlichen Haufendorfs - mit vielen zeittypischen Fachwerkhäusern - wird an seiner nördlichen Flanke überragt vom naturgeschützten Heukenberg - vergleichende Dorf-Fotografien (1886 und heute) in "Zeitreise in den braunschweigischen Weserdistrikt.[10]

Zahlreiche der ursprünglichen Fachwerkhäuser (alte „Einhäuser“) sind teils bis heute erhalten geblieben.

Das älteste erhaltene Fachwerkhaus stammt aus dem Jahr 1704.

 

Einst klapperten die Mühlen

am "Merxhäuser Mühlenbach"

Wie für die Berglandschaft des Sollings und seiner vorgelagerten Landschaften typisch, so waren auch in und um Merxhausen am Spüligbach - dem "Merxhäuser Mühlenbach" [15] - Wassermühlen vorherrschend.

Angetrieben vom Wasser des Spüligbachs wurden um 1780 drei Mühlen betrieben - zwei Getreidemühlen und eine Papiermühle.

Die drei Mühlenanlagen sind noch heute als kulturhistorisch bedeutende Bauwerke des Dorfes weitgehend erhalten.

Sie verdeutlichen zugleich, dass Mühlengebäude auch als Repräsentationsbauten errichtet wurden.

 

Leinengewerbe und die Familie Rothschild

Merxhausen erlebte während der norddeutschen Blütezeit des Leinenhandels im 18. Jahrhundert seine „größte Zeit”.

Abraham Joseph Rothschild, 1772 in Merxhausen geboren, eröffnete 1808 im Dorf einen einträglichen Leinenhandel mit eigenem Warenlager für Garne und Leinenstoffe.

 

Merxhausen um 1985

 

Der alte Dorfkern von Merxhausen in den 1980er Jahren

Bleistiftzeichnung von Adolf Reihe [7]

© HGV-HHM

 

© Fotos: Wilhelm Landzettel [8]

 

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[1] ANDERS 2004, S. 20.

[2] ANDERS 2004, S. 15; RAULS 1983, S. 22 f., 50.

[3] KNOLL/BODE 1891, S. 395.

[4] aus dem mundartsprachlichen Zeitungsartikel „Im Blauen Engel to Brunswiek“, Fragment aus einer unbekannten Zeitung, datiert 1935.

[5] CASEMIR/OHAINSKI 2007, S. 156-157.

[6] Abb. 7 in LANDZETTEL 1986, S. 111.

[7] Bleistiftzeichnung von Adolf Reihe, Lehrer in Merxhausen, wohnhaft in Merxhausen bis etwa Mitte 1980  ⃒  Ortsarchiv HGV-HHM Heinade.

[8] Abb. 3-5 in LANDZETTEL 1985, S. 111.

[9] Festvortrag von Frau Dr. Gudrun Pischke vom Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Göttingen und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Südniedersächsische Heimatforschung am 24. April 2018 im Gasthaus Grenzkrug bei Merxhausen.

[10] HGV HOLZMINDEN 2018, S. 132-133.

[11] Ortsarchiv HGV-HHM in Heinade.

[12] KRAATZ 1975.

[13] MERXHAUSEN 2020.

[14] HEINEMANN 1977, S. 182-204.

[15] HASSEL/BEGE 1803, S. 336 (12.).

[16] LGLN: Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen │ GeobasisdatenViewer Niedersachsen.

[27] STEINACKER 1907, S. 191.

[28] Urkunde des Wolfenbüttelschen Consistoriums.

[29] Braunschweigische Anzeigen, März 1829, 18. Stück, 889.

[30] Braunschweigische Anzeigen, Januar 1899.

[31] 40 cm hoher Kronleuchter mit 6 erneuerten Armen und Doppeladler; zwei 27 cm hohe Altarleuchter mit breitem rundem Fuss mit Teller, Schaft im Durchschnitt vierpassig, neuer Lichtteller.

[32] Braunschweigische Anzeigen, Januar 1899.