Lager- und Kontorhaus Rothschild
Klaus A.E. Weber │ Rolf Clauditz
„Lager- und Kontorhauses Rothschild“ │ um 1950
Fachwerkhaus vor seinem Abriss im Jahr 1974
© Foto (Ausschnitt): Privatsammlung Rolf Clauditz
Buntsandsteinpfosten und Holzzaun markieren den Eingangsbereich
zum jüdischen Lager- und Kontorhaus │ undatiert
© HGV-HHM, Arciv
Relikte des 1974 von der Gemeinde beseitigten Lager- und Kontorhauses
Mai 2020
S.I.R = Samson Ioseph (Joseph) Rothschild (1785-1867)
© HGV-HHM, Fotos: Klaus A.E. Weber
„Reichs-Landdienstlager" 1939-1945
Um 1900 bestehen in Merxhausen ein dreistöckiges Gebäude, ein Lagerhaus und ein Verkaufscomptoir der Familie Rothschild.
Das Wohnhaus wurde im Nationalsozialismus zum „Reichs-Landdienstlager" (Landjahrmädchen), das von 1939 bis 1945 bestand.
Abriss des historischen „Lager- und Kontorhauses Rothschild“
Wegen der später eingetretenen Baufälligkeit des früheren Geschäftshauses (Lager- und Kontorhauses) der Familie Rothschild - in offiziellen Schreiben auch als „Judenhaus“ bezeichnet - kam es in den Jahren zwischen 1971–1974 zu einem recht umfänglichen Schriftverkehr und zu einem sich allmählich zuspitzenden Verwaltungsstreit.
Hierzu ist anzumerken, dass das Kontor- und Lagerhaus fälschlicherweise oft als „Judenhaus“ bezeichnet wird.
Das „Judenhaus“ jedoch wurde nie abgebrochen, sondern von Manfred Kämpf, Schlossermeister in Oberhausen, am 21. März 1973 gekauft.
Verkäufer waren die Erbengemeinschaft nach Julius Rothschild Liesel Geismar geb. Heineberg, London / Walter Heineberg, Kibbuz bei Tel-Aviv / Dr. Julius Weinberg, Forest Hills N.Y.
Der Eintrag in das Grundbuch erfolgte sm 12. Februar 1975.
Aus Niederschriften des Gemeinderates der Gemeinde Heinade ergeben sich zum "Abriss des so genannten Lager- und Kontorhauses Rothschild Merxhausen" die folgenden Hinweise.
Lager- und Kontorhaus = "Judenhaus"
Ratssitzungen
14. Mai 1973
Zum Tagesordnungspunkt 1 - Ankauf des ehemaligen Judenhauses in Merxhausen:
Vom Ratsvorsitzenden wird die Sachlage eingehend erläutert.
Über den Ankauf des so genannten Judenhauses entwickelt sich eine lebhafte Aussprache, mit dem Ergebnis, dass es sich hier um eine einmalige Kaufangelegenheit handele und dass dieses Grundstück im Sinne des zukünftigen Fremdenverkehrs im Ortsteil Merxhausen unbedingt aufgekauft werden müsse.
Beschluss des Rates bei 8 Ja-Stimmen, 1 Gegenstimme und 1 Stimmenthaltung:
Das so genannte Lagerhaus der Juden wird mit der angrenzenden Wiese zum Zwecke der Errichtung einer Freizeitanlage gekauft.
Der Kaufpreis beträgt rund 16.000 DM und ist aus Mitteln des ordentlichen Haushaltes zu bezahlen.
Nr. 18 vom 23. Februar 1974 in Merxhausen
Tagesordnungspunkt Vergabe der Abbrucharbeiten in Merxhausen
Angebot: Fa. Ebeling über 7.500 DM │ Fa. Gröne (Stadtoldendorf ) über 8.500 DM │ Fa. Timmermann ( Negenborn) 6.200 DM
Der Rat beschließt einstimmig – Voraussetzung ist, dass die Fa. Timmermann die Ausschreibungsbedingungen anerkennt – dieser Firma die Abbrucharbeiten zu übertragen.
Nr. 21 vom 09. Mai 1974
Bei Abbrucharbeiten des „Judenhauses“ ist im Ortsteil Merxhausen durch schwere Baufahrzeuge eine Brücke eingestürzt. Eine Ausbesserung erscheint nicht mehr möglich.
Nr. 22 vom 04. Juni 1974
Der Ratsvorsitzende berichtet über bisher geführte Gespräche, die die Wiederherstellung der eingestürzten Brücke betreffen und legt einen Kostenvoranschlag der F. Timmermann, Negenborn, vor.
Nr. 61 vom 11. Mai 1976
Die Fa Förstermann verpflichtet sich laut vorliegendem Kostenvoranschlag über 7.600 DM einschließlich Mehrwertsteuer die Grünanlage am „Judenhaus“ nach Plan herzustellen.
Am 05. August 1974 teilte schließlich die Gemeinde Heinade abschließend dem Landkreis Holzminden (Bauaufsicht) schriftlich mit, dass das Gebäude von ihr angekauft und inzwischen durch einen Unternehmer abgebrochen worden sei; der Platz sei einplaniert und somit die Gefahrenstelle beseitigt.
In Merxhausen erinnert man sich noch heute an die drei Brüder Julius Rothschild (1853-1921), Salomon Rothschild (1863-1930) und Ephraim Rothschild (1859-1934).
Spuren einer "Vergangenheitsbewältigung" in Merxhausen
Nur noch wenige bauliche Reste in der Grünfläche erinnern an das 1974 beseitigte historische jüdische Geschäfts-/Lagerhaus
Mai 2020
© HGV-HHM, Fotos: Klaus A.E. Weber
_______________________
[1] Hinweise aus den Ratsprotokollen der Gemeinde Heinade von Heini Brodhage zu dem Abriss des Lagerhauses der Fa. Rothschild.