Zwangsarbeit in den Staatsforsten 1939-1945

Klaus A.E. Weber

 

Holzgebäude des Zwangsarbeiterlagers "Torfhaus" von 1943/1944

nahe Silberborn an der Landesstraße 549

im Forstamt Neuhaus/Solling

Januar 2019

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Zwangsarbeiterlager "Torfhaus"

bei Silberborn 1943/1944

In Torfhaus [6] bestand 1943/1944 auf der abgelegenen Silberborner Hochebene auf ca. 490 m Höhe ein Zwangsarbeiterlager, dessen Insassen (Kriegsgefangene) überwiegend im Staatsforst als "Waldarbeiter" arbeiteten.

1886 war in Torfhaus eine Försterei eingerichtet worden, in der in den Jahren 1924-1948 der Revierförster Prigge eingesetzt war.[6]

Nach CREYDT [5] waren in dem "ukrainischen Waldarbeiterlager" in Torfhaus 12 kriegsgefangene Ukrainer untergebracht.

Wie STEINSIEK [4] dem hingegen ausführt, sei das Lager von Kriegsgefangenen aus Frankreich und der UdSSR sowie möglicherweise von "Ostarbeitern" belegt gewesen.

Beaufsichtigt von einem Haumeister, wurden die "Waldarbeiter" in dem Revier der Försterei Lakenhaus eingesetzt, um für die Bremer Holzfirma "Kellner" in großen Mengen Fichtenstammholz im Solling einzuschlagen.

Das große Stallgebäude an der Straße soll von 1943 bis zu seiner Auflösung 1944 als "Freigängerlager" gedient haben, ausgestattet mit einem Holzfußboden, holzvertäfelten Decken und Wänden, mit Tischen und Bänken sowie mit doppelstöckigen Betten, versehen mit einem Strohsack und zwei Decken.[5]

1944 sei der 20jährige Vasili Kopalki erkrankt und im Holzmindener Krankenhaus verstorben.

Das Holzgebäude des Zwangsarbeiterlagers "Torfhaus" im Forstamt Neuhaus/Solling besteht noch heute - 1,25 Kilometer östlich vom Silberborner Ortskern an der Landesstraße 549.

 

Peter-Michael Steinsiek:

Zwangsarbeit in den staatlichen Forsten des heutigen Landes Niedersachsen 1939-1945

Hg.: Niedersächsische Landesforsten, 2018 [1][2]

"'Dass die deutsche Kriegsforstwirtschaft wie selbstverständlich von der Verschleppung und Ausbeutung ungezählter Menschen profitierte, ist bedrückend', betont der Forsthistoriker Dr. Peter-Michael Steinsiek. [...]

Am Beispiel von Harz und Solling dokumentiert die Untersuchung, in welchem Ausmaß und unter welchen Umständen zwischen 1939 und 1945 Zwangsarbeit in den staatlichen Forsten auf dem Gebiet des heutigen Landes Niedersachsen stattgefunden hat.

Nahezu in allen der untersuchten 40 Forstämter gab es Lager, in denen Kriegsgefangene und zivile ausländische Zwangsarbeiter, in einigen Fällen auch Zwangsarbeiterinnen untergebracht waren.

Der Bedarf stieg mit zunehmender Kriegsdauer permanent an, weil der einheimische Waldarbeiterstamm kriegsbedingt schrumpfte und zugleich die Nachfrage nach Holz stetig wuchs.

So ging es in der alltäglichen Arbeit um eine 'Leistungssteigerung' mit allen verfügbaren Kräften, erklärte Steinsiek.

Über die Gefangenen sei verfügt worden, als handele es sich um 'Sachen'.

Formale Gesetze und Verordnungen hätten diesen ein ordentliches Verfahren oder gar Rechtsstaatlichkeit vorgegaukelt.

Die Zwangsarbeit im Wald war ein bislang vernachlässigter Aspekt in der Aufarbeitung der Schrecken des Nationalsozialismus.

Die Studie kann nachfolgenden Generationen als Gedächtnis dienen.

Zeitzeugen werden immer rarer, daher ist es umso wertvoller, dass das Buch ihre Aussagen für die Nachwelt sichert.

Mit der Studie wollen die Landesforsten, so ihr Präsident Dr. Merker, die forstliche Zwangsarbeit erstmalig in einen größeren räumlichen Zusammenhang stellen.

Dazu habe Dr. Steinsiek zahlreiche neue Quellen ausgewertet und Zeitzeugen zu den unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter befragt.

'Die Landesforsten kommen mit der Studie ihrer Verantwortung als heutiger Flächeneigentümer nach.

Der akribischen Recherche Dr. Steinsieks ist es zu verdanken, dass wir dieses schreckliche Kapitel nun so aufarbeiten konnten.

Die Studie soll Mahnung für die Zukunft sein, dergleichen nie wieder geschehen zu lassen, und sie soll den von Verschleppung, Entrechtung und Demütigung Betroffenen ein Andenken bewahren', erläuterte Dr. Merker.

Dr. forest. Peter-Michael Steinsiek ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie der Universität Göttingen.

Er forscht seit vielen Jahren zu verschiedenen forstgeschichtlichen Themen.

Sein Spezialgebiet ist die Forstgeschichte in den Jahren 1933 bis 1950."

 

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[1] Buchvorstellung von Friedhart Knolle, Spurensuche Harzregion.

[2] Landtagspräsidentin und Landesforsten stellten am 10. März 2018 die forsthistorische Studie vor.

[3] Vortrag von Dr. Peter-Michael Steinsiek im Dorfgemeinschaftshaus Holzen: "Zwangsarbeit in den staatlichen Forsten des heutigen Landes Niedersachsen" am 27. Januar 2019 anlässlich der Gedenkveranstaltung zum "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" in Holzen.

[4] STEINSIEK 2018, S. 147-148 Abb. 33, 231.

[5] CREYDT 1995, S. 103-104.

[6] BRODHAGE/MÜLLER 1996, S. 97-101.