Die rätselhafte „Spanische Grippe“ 1918-1920

Klaus A.E. Weber

Leitender Medizinaldirektor / Amtsarzt a. D.

 

Die Grippe = Influenza ist eine akute respiratorische, d.h. die Atemwege betreffende virale Infektionskrankheit.

Die Besonderheit von Influenzaviren ist deren Fähigkeit ihre Antigenstruktur zu verändern.

Während ihrer Vermehrung (Replikation) in den befallenen Wirtszellen kommt es zu spontanen Punktmutationen, sodass eine neue Variante des Virus entsteht, die letztlich zu schweren Epidemien und Gesundheitskrisen führen kann.

Kaum eine Viruserkrankung wütet in kurzer Zeit so heftig wie die verheerende Grippe-Epidemie von 1918-1920.

Als „deutsches Gift“, als „Spanische Grippe“ oder als „spanisch-französische Grippe" betitelt, beeinflusst diese Grippe-Epidemie am Ende des Ersten Weltkrieges das Kriegsgeschehen und verändert die Gesellschaft.[4]

Gleichwohl ein "verzweifelter Kampf gegen die Seuche" [13] und eine heftige Erschütterung der menschlichen Existenz einsetzt, ist die „Spanische Grippe“ fast völlig aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden und hinterließ auch keine Spuren in den Geschichtsbüchern.

An der weltumspannenden Influenza-Pandemie erkranken nach oft recht abweichenden Schätzungen weltweit etwa 700 Millionen Menschen - mit rund 20-50 Millionen Todesfällen.

Durch die COVID-19-Pandemie wurde in unserem Kulturkreis die „Spanische Grippe“ popularisierend wiederentdeckt - und "vermarktet".

 

Stadtpersonal im Rathaus

von Sydney mit Schutzmasken

während des Ausbruchs der

"Spanischen Grippe"

um 1919

© Foto: City Archives 093660

Schweizerisches Nationalmuseum

 

„Als ich im Juli 1918 geboren wurde, hatte Mutter die Spanische Grippe, und da es nicht danach aussah, als wenn ich überleben würde, erhielt ich noch im Krankenhaus die Nottaufe.“

Ingmar Bergman (1918-2007) in seiner Autobiografie „Laterna Magica: Mein Leben“

 

Die (fast) vergessene Influenza-Pandemie

Im Kontext des Ersten Weltkriegs (1914-1918) verbreitet eine der schlimmsten Grippeepidemien der Geschichte Angst, Schrecken und Verzweiflung.

Bereits im Spätherbst 1889 ist eine „höchst ausgedehnte“ Grippe-Epidemie in Deutschland aufgetreten, die seither nicht mehr ganz erlosch.

Den Epidemien von 1889-1895 folgt zwischen 1918 und 1920 die zeitgeschichtlich große Grippe-Pandemie, die in allen Erdteilen wütet.

Die Grippe-Pandemie fordert weltweit in drei Wellen geschätzt 30-50 Millionen Todesopfer.

Es sind somit weitaus mehr militärische und zivile Todesopfer zu verzeichnen als jene, die die hochimperialistischen Kriegshandlungen im gesamten Ersten Weltkrieg forderten (ca. 18,5 Millionen).

Über Langzeitfolgen und "nervöse Nebenkrankheiten" bei überlebenden Patient*innen der Infektionskrankheit wird berichtet.

 

Die "Spanische Grippe" tritt hinter dem Entsetzen des Ersten Weltkriegs zurück

Zwar bedeutet dieser pandemische Ausbruch für das Deutsche Kaiserreich eine tiefe sozial- und kulturgeschichtliche Zäsur, dennoch hinterließ sie kaum Spuren im kollektiven Gedächtnis und kaum aussagekräftigen Zeugnisse in der Geschichtsschreibung.

Zeitgenössisch war jene klinisch besonders schwer verlaufende Influenza-Epidemie durch taktische Kriegsberichte mit Beschönigungen und angesichts vielfältiger sozialer Herausforderungen und politischer Umwälzungen weitgehend unbeachtet geblieben.

So blieb die Influenza-Pandemie als historische Fußnote ohne wesentliche öffentliche Resonanz in Presseberichten, in Kunst oder Literatur.

Im „Aerztlichen Vereinsblatt“ sind der Ausbruch der tödlichen Grippe und dessen Folgen 1918 nur eine Randnotiz wert.

Ob und wie die "Novemberrevolution" und die „Spanische Grippe“ miteinander zusammenhängen, bleibt eine weitgehend offene Frage, ebenso wie deren Auswirkung auf das Leben in der Weimarer Republik.

 

Karikatur "Im Zeichen der Grippe."

Willy Stieborsky

Humoristische Wochenschrift

"Die Muskete"

Wien

07. November 1918, S. 46

 

Grippeimport aus den USA

Bei der "Spanischen Grippe" handelt es sich unter historisch-epidemiologischen Gesichtspunkten sehr wahrscheinlich um eine US-amerikanisch verursachte Grippe-Epidemie, die sie "Deutsches Gift" nannten.[3]

Nach einer Herkunftshypothese schleppen nach Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg in der Endphase des Weltkriegs US-amerikanische Truppen die außergewöhnliche, von einem aggressiven Krankheitsverlauf gekennzeichnete Influenza nach Westfrankreich und damit nach Europa ein.[11]

So sind für Anfang April 1918 Grippeerkrankungen aus der französischen Hafenstadt Brest belegt.

Ausgehend von den USA wurde die äußerst aggressive Grippe-Pandemie zwischen 1918 und 1920 durch einen ungewöhnlich virulenten Subtyp des Influenza-A-Virus verursacht.

Das „historisches Experiment unterschiedlicher Quarantäneformen“ in den USA nach dem Seuchenausbruch im September 1918 zeigt: [5]

  • Philadelphia: Duldung von Paraden und anderen öffentlichen Veranstaltungen - 719 Tote / 100.000 Einw.

  • St. Louis: weitgehende Unterbindung von Kontaktmöglichkeiten - 347 Tote / 100.000 Einw.

Binnen weniger Tage verteilt sich Influenzavirus mit Dampfschiffen über den ganzen Globus.

Es entwickelt sich eine weltumspannende Epidemie – eine Pandemie.

 

„Krankheitsstoff, der durch Mund oder Nase Eingang in den Körper findet“

Um 1913/1926 wird hausärztlich zur "Grippe" nur schlicht und eher am Rande angemerkt:

"Die "Grippe" kannte man als heftigen Schnupfen mit Luftröhrenkatarrh von altersher; nun aber, da sie an Vertiefung zugenommen, mit anderen schweren Zuständen sich verband, heißt sie "Influenza".

Sie tritt zuweilen epidemisch auf und wird nicht selten tödlich."[19]

Als „Krankheitsstoff“ der Grippe (Influenza) gilt, wenn auch medizinisch nicht unumstritten, zeitgenössisch der 1891/1892 entdeckte „Pfeiffersche Influenzabazillus“.[12]

Noch 1930 sieht man in dem "kleinen, abgerundeten Stäbchen“ aus dem Sputumabstrich, also in einem Bakterium, den Erreger der Influenza.[10]

Erst 1933 kann das hochansteckende Influenzavirus als wahrer Auslöser der Grippe isoliert werden, welches das schützende Flimmerepithel des Respirationstraktes zerstört und somit zum Schrittmacher für bakterielle Superinfektionen (u. a. Grippepneumonie) wird.

Hauptsächlich aerogen übertragen durch Tröpfchen- und als Schmierinfektionen tritt das Influenzavirus in Sub- und Untertypen mit etlichen Varianten auf.

 

Das Pandemievirus "1918 A/H1N1"

1918-1920 führt das hochansteckende Influenzavirus "1918 A/H1N1" zu einer der schlimmsten Grippeepidemien der Seuchengeschichte.

Seine Herkunft und Verbreitungsdynamik bleiben bis heute rätselhaft.

Bei der Influenza-Epidemie handelt es sich um Influenza-A-Viren, die sich als ungewöhnliche „Software mit Verpackung“ mit ihrem hoch virulenten Subtyp A/H1N1 explosionsartig weltumspannend ausbreiteten.

Dabei ist das Hämagglutinin-Protein H1 der Schlüssel für das Verständnis der Spanischen Grippe.

Neben der Übertragung durch Tröpfchen- und als Schmierinfektion gelang dem Grippeerreger auch der direkte Weg von den Vögeln auf den Menschen.[16]

 

„Die meisten starben an einem akuten Lungenversagen“

Wurde die Grippe-Epidemie im Frühjahr 1918 noch als relativ mild eingestuft, beginnt im Herbst eine zweite, jetzt „bösartigere“ Grippewelle.

Erkranken in der ersten Ansteckungswelle zwar sehr viele Menschen, aber relativ wenige starben.

Bei 15-35 % der Bevölkerung des Landes Braunschweig sollen sich Grippesymptome gezeigt haben.

Zusammen mit respiratorischen Symptomen begann damals die Influenza typischerweise abrupt ("sudden onset") mit

  • schwerem Krankheitsgefühl

  • hohem Fieber

  • Frösteln

  • Schüttelfrost

  • Erschöpfung, Müdigkeit

  • starken Kopf- und Gliederschmerzen

  • Rückenschmerzen.

Die Erkrankung konnte einen mehr oder minder dramatischen Verlauf nehmen - mit einem klinisch unkomplizierten oder schweren Krankheitsbild.[9]

Neben häufigen Herz-Kreislaufstörungen trat mit einer Rate von 6-25 % komplizierend „als Begleitkrankheit von großer Bösartigkeit“ eine unterschiedlich schwere Lungenentzündung auf („Grippeviruspneumonie“)

Bei einem foudroyanten klinischen Verlauf bekamen Fieberkranke auf den Wangen mahagonifarbene Flecken, spuckten Blut, die Haut verfärbte sich zyanotisch dunkelblau, am Ende erstickten sie in kürzester Zeit qualvoll.[13]

 

Röntgenbefund

rechtsseitig lobäre Ausbreitung

der "Grippeviruspneumonie"

vor 1930 [6]

 

Zitat DÄB [18]:

Das Krankheitsbild ist stets das gleiche, beginnend mit allgemeinen Übelbefinden, Kopfschmerzen, Ohrensausen, Doppelsehen, choreatischen Erscheinungen – auch klonische Zwerchfellkrämpfe mit Atemnot sind im Beginn beobachtet worden – treten Schmerzen im Occipital und Cervikalplexus mit tonischen und klonischen Zuckungen in den Extremitäten hinzu.

Auch sensorische Aphasie ist beobachtet.

In leichteren Fällen tritt Somnolenz mit Schlafsucht auf; die Kranken sind nur auf lautes Anrufen zu fixieren.

Die Pupillen reagieren dabei träge, die Lider sind halb geöffnet; auch Strabismus divergens ist beobachtet worden.

In schwereren Fällen geht die Somnolenz in Koma über, nachdem vorher Delirien und Halluzinationen besonders des Gesichts bestanden haben.

Die komatösen Kranken müssen gefüttert werden.

In leichten Fällen besteht geringes Fieber, bei schweren Fällen zu Anfang hohes Fieber, das aber nach und nach bei Eintritt der Somnolenz sinkt; es besteht kein Druckpuls.

Die Prodromalerscheinungen bis zum deutlichen Ausbruch dauern 3 bis 6 Tage.

Die schweren Fälle sterben fast alle und zwar an Bronchopneumonien und Hypostasen der Lunge im Koma, wobei naturgemäß leicht Dekubitus auftritt.

Es macht einen eigentümlichen Eindruck im Krankensaal, die sämtlichen Kranken in schlafendem Zustand zu finden.

1919/1920 erkrankte Woodrow Wilson (1856-1924) während der Versailler Friedensverhandlungen.

 

"Aus dem Nichts aufgetaucht" – Aber „zur Beunruhigung kein Anlass“

Als infolge des Ersten Weltkrieges "Hunger und Mangel in der Heimat" [14] vor allem in den Städten vorherrscht, grassiert angeblich überfallartig aus dem Nichts auftauchend, während des letzten Kriegsjahres erstmals im April 1918 die hochansteckende Grippeerkrankung unter deutschen Soldaten an der Westfront.

So kamen in den ohnehin überfüllten Krankenanstalten zu den verwundeten Frontsoldaten noch unzählige Grippeerkrankte hinzu, was die weitere Ausbreitung des viralen Erregers beschleunigte.

Wurde der Verlauf der Grippe-Epidemie vom Mai 1918 anfangs noch als recht mild eingestuft, so setzt im Juni 1918 in Deutschland eine zweite, jetzt „bösartigere“ pandemische Grippewelle ein, die 1919 und im Vorfrühling 1920 letztmals wieder zulegte.

Im warmen Monat Juli 1918 gelangt die hochansteckende Influenza als Explosivepidemie in in die Zivilbevölkerung des Deutschen Kaiserreiches und erreicht Oktober 1918 in den Städten als Hotspots ihren Höhepunkt.

Am 08. November kursiert sie in der Hilsregion.

Deutschland war im November 1918 von „Kranken, Krüppeln, Hungertoten“ gekennzeichnet, denn "nach Ende des Ersten Weltkriegs am 9. November 1918 flutete ein Millionenheer von Soldaten aus allen Front- und Besatzungsgebieten in die Heimat zurück – mit ihm fast unüberschaubare gesundheitliche und soziale Probleme.“[17]

 

Herzogtum Braunschweig

In Braunschweig wurde im Juli 1918 gemeldet, die „spanische Krankheit“ sei „nunmehr auch hier aufgetreten“.

Am herzoglichen Hof in Braunschweig erkrankten die Herzogin Victoria Luise (1892-1980) wie ihre Kinder, Erbprinz Ernst August (1887-1953) und Prinzessin Friederike Luise (1917-1988)-

Am Vorabend der „Novemberrevolution“ in Braunschweig wütend, soll die im klinischen Verlauf ungewöhnlich schwere Influenza-Epidemie allein vom 15.-22. Oktober 1918 im Land Braunschweig offiziell 156 Menschen das Leben gekostet haben.

 

„Je enger das Zusammenleben, desto mehr Fälle“

Vor allem beengte Lebensumstände vieler Arbeiterfamilien begünstigen die Weiterverbreitung der Influenzaviren, so dass sie sich vornehmlich von Stadt zu Stadt clusterartig verbreiten.

Nach VASOLD [2] fordert die in Wellen verlaufende Pandemie von 1918 innerhalb weniger Monate mehr Menschenopfer als der gesamte Erste Weltkrieg (1914-1918):

weltweit ca. 25-40 Millionen Todesfälle.

Wie für die übrigen kriegsführenden Staaten, so war auch für das Deutsche Kaiserreich diese hochansteckungsfähige Grippewelle ein erheblicher sozialgeschichtlicher Einschnitt.

Nachdem bereits im April 1918 die Influenza auch unter den deutschen Soldaten an der Westfront grassierte, litten wenige Wochen später, im warmen Monat Juli 1918, fast 400.000 Soldaten im deutschen Westheer an der echten Grippe, die von da an seuchenartig als Explosivepidemie in das Deutsche Kaiserreich vordringt, vornehmlich in die Großstädte.

Eine zweite, „bösartigere“ Grippe-Welle setzt Anfang Oktober 1918 ein und dauerte bis 1919 fort.

Etwa 24,8 Promille der deutschen Zivilbevölkerung soll 1918 an der Influenza verstorben sein, insgesamt geschätzt etwa 10 Millionen Menschen.[1]

 

Unterschiedlich in Stadt und Land grassierend

In unterschiedlicher Stärke verbreitet sich in einem Stadt-Landgefälle die Grippe-Epidemie clusterartig von Stadt zu Stadt, weniger von Dorf zu Dorf.

Wie bei anderen Grippe-Epidemien zuvor, so befördern beengte Lebensumstände die Ausbreitung des hochinfektiösen Influenza-Erregers, so dass sie zumeist in Großstädten auftritt und dort wochenlang kursiert.

Bei den absoluten Opferzahlen in Europa führend, sollen im Deutschen Reich verschiedenen Schätzungen zufolge 225.330 – 469.400 Menschen an der „Spanischen Grippe“ verstorben sein, auffallend oft vermeintlich robuste Personen „in der Blüte ihrer Jahre“ im Alter von 15 bis 40 Jahren.

Das entspricht einer Mortalitätsrate von 0,36 – 0,75 %.

Trotz unzureichender Datenlage könnten nach dieser Betrachtung im damaligen Kreis Holzminden zwischen 176 – 368 Einwohner*innen verstorben sein, wahrscheinlich aber regional unterschiedlich.

Anderen Betrachtungen folgend, seien während der epidemischen Welle von 1919 in der Stadt Braunschweig 456 und in Holzminden 131 Menschen der Influenzaerkrankung erlegen.

Obgleich aus epidemiologischen Gründen Influenza-Todesfälle in der DORF-REGION zu erwarten gewesen wären, wurde bei den Todesursachenfeststellungen in den herangezogenen Kirchenbüchern kein Grippe-Sterbefall für den Zeitraum 1918/1919 dokumentiert.

 

"Dass bei Arzneibehandlung viele Fälle unvollständig heilen, ist sicher"

Mit mehr oder öfters weniger Erfolg konnten Ärzte die Grippe nur symptomatisch behandeln.

Bei der therapeutischen Hilflosigkeit herrscht der Grundsatz vor, dass „im verzweifelten Kampf gegen die todbringende Seuche“ jedes Mittel recht ist.[13]

Im Vordergrund standen ärztlich verordnet Bettruhe und die Fiebersenkung mit

Um 1910 wurden „Abortivmittel“ rezeptiert, wie das quecksilberhaltige

  • Hydrargyrum Chlorat in unterschiedlicher Dosierung für Männer ("2 mal tgl. 0,1"), Frauen ("3 mal tgl. 0,05") und Kinder ("so viel cg tgl. als sie Jahre alt sind").[12]

Bei Schwächezuständen wurde

  • Coffein ("Coffeino-Natrium salicyl., auch 2-4 mal tägl. 1/2-1 Spitze subkutan"")

  • Cardiazol®

  • Campfer ("Camphora, Camph. trit. pulv., auch mehrmals 1- 2 Spritzen subkutan")

in der Genesung

  • Chinin ("3 mal tgl. 0,02 in Pillen")

  • Sanguinal ("Sanguinalpillen 3 mal tgl. 2-3 Pillen")

ärztlich verordnet.

Um das körpereigene Abwehrsystem zu stärken wurde klinisch auch

verabreicht.[13]

Auch die orale Einnahme von

  • Asperin®

  • „Aspirin-Fenaczitin“

wird benannt.

Um 1930 verabfolgt man bei Kreislauf- bzw. Herzschwäche das Herzglykosid Strophanthin durch intravenöse Injektionen.

Als Hausmittel werden

  • häufiges Gurgeln mit Borax- oder Salzwasser

  • bei Fieber öfter wechselnde Ganzwickel oder Rumpfpackungen

  • Ganz- oder Brustwickel

  • die Schwitzkur

beschrieben, aber auch [19]

  • "im Froststadium Heißluftbäder"

  • Klistiere

  • "heiße Zirtonenlimonade, um Darm und Nieren anzuregen"

  • "kühle Fieberdiät"

  • "später tägliche Halbbäder mit Abkühlung"

  • reichliche Lüftung

  • "Streichmassage des ganzen Körpers"

  • strenge Diät

Zudem soll auch Alkohol geholfen haben - in Form von Schnaps oder Rotwein.

 

Prävention

Präventionsmaßnahmen werden fast nur auf kommunaler Ebene getroffen.

Sie umfassen die Schließung öffentlicher Gemeinschaftseinrichtungen, wie Kindergärten und Schulen, aber auch von Theatern und Kinos.

Individuell angemahnt werden neben freiwilliger Kontaktvermeidung, regelmäßige Desinfektionen, besondere Reinlichkeit mit häufigem Händewaschen.

 

Auswirkungen auf den Postbetrieb

Ein Blick in die Archive der PTT zeigt, wie sich die Epidemie der „Spanischen Grippe“ 1918 auf den Postbetrieb in der Schweiz auswirkte.[8]

Als sich die „Spanische Grippe“ im Sommer 1918 auch in der Schweiz ausbreitet, fürchtet man sich vor ihrer Verbreitung über die Postwege.

Präventive Maßnahmen sind

  • auf Abstand gehen

  • Verbot, die Wohnungen von Erkrankten zu betreten

  • Empfehlungen zum häufigen Händewaschen

  • Anordnungen zur regelmäßigen Desinfektion von Diensträumen oder Bahnpostwagen.

 

„Allein im Kampf mit der Grippe“

Im Oktober 1918 breitet sich die Herbst-Welle der Influenza-Epidemie auch in der Industriegemeinde Delligsen rasch aus, so dass die Landärztin Paula Tobias von dem befreundeten Praxisvertreter zu dessen Unterstützung aus Berlin nach Delligsen zurückgerufen wurde.

Hier stand sie am 08. November 1918 „allein in einem großen Bezirk im Kampf mit der Grippe“.

In ihrer Autobiographie widmet sich Paula Tobias auch den psycho-sozialen Folgen der Grippe-Epidemie in der Industriegemeinde Delligsen.

In der zeitgenössisch nicht untypischen Gelassenheit beschreibt Paula Tobias ihre Beobachtung, wie durch die allgegenwärtigen Kriegswirren traumatisierte und durch die Folgen der schweren Infektionskrankheit geschwächten Menschen der Glauben und der Wille gebrochen worden war.

Auch seien die Menschen in der Hilsmulde für Beeinflussungen durch politische Rädelsführer aus Braunschweig empfänglich gemacht worden.

 

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[1] VASOLD 2005.

[2] VASOLD 1991, S. 270 ff.

[3] SALFELLNER 2018.

[4] SPINNEY 2018.

[5] FANGERAU/LABISCH 2020, S. 58-59.

[6] BRUGSCH 1930, S. 391 Abb. 68.

[8] Blog-Artikel des Schweizerischen Nationalmuseums vom 05. Oktober 2020 von Jonas Veress, wissenschaftlicher Mitarbeiter im PTT-Archiv (Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe).

[9] BRUGSCH 1930, S. 387-394.

[10] BRUGSCH 1930, S. 387-388.

[11] BRUGSCH 1930, S. 388.

[12] DORNBLÜTH 1910, S. 416-417.

[13] Robert Jütte in: Deutsches Ärzteblatt │ Jg. 103 │ Heft 1–2 │ 9. Januar 2006 A 33.

[14] Wolfgang U. Eckart in: Dtsch Arztebl 2015; 112(6): A 230–2.

[16] Rüdiger Meyer in: Deutsches Ärzteblatt │ Jg. 101 │ Heft 10 │ 5. März 2004 A 609.

[17] Wolfgang U. Eckart in: Deutsches Ärzteblatt | Jg. 115 | Heft 45 | 9. November 2018 A 2058.

[18] Zitat aus dem Deutschen Ärzteblatt │ Jg. 102 │ Heft 43 │ 28. Oktober 2005 A 2944.

[19] FISCHER-DÜCKELMANN 1926, S. 679.