Überfall auf die Glashütte am "rothen Wasser"?
Klaus A.E. Weber
... während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648)
Erstausgabe des Romans "Der Abenteuerliche Simpliccisimus Teutsch“
von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen 1668/1669
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Wie in das Leben der Allgemeinbevölkerung so verursachte der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) auch tiefe Einschnitte in das Leben und Arbeiten von Glasmacherfamilien, deren Hüttenanlage und Glaswaren von Soldaten mehrfach ausgeplündert und zerstört wurden.
Nach TSCHIRR [1] seien letztlich alle Glashütten "von jedem überfallen" und im Zeitraum des Dreißigjährigen Krieges "so gut wie keine Hüttenanlage mehr gegründet" worden.
Erst rund acht Jahrzehnte später sollte es nach einer "Erholungsphase" um 1715 zur Gründung der neuzeitlichen ortsfesten Glashütte Steinbeke kommen - der zugleich letzten Glashütte im Hellental.
In der Frühphase des Dreißigjährigen Krieges bildeten die beiden "Inländischen Glashütten" im "Hellthall" jeweils eine wirtschaftliche und soziale Einheit im Solling als abgelegene "Hüttendörfer" auf Zeit.
Am 14. Januar 1624 war es zu einem feindlichen Einfall des Feldherrn Tilly (1559-1632) mit seinen kaiserlichen Truppen in das braunschweigische Holzminden gekommen.
Im Sommer des gleichen Jahres kam es durch Tillys Truppen der Katholischen Liga zur Besetzung, Plünderung und teilweisen Brandschatzung von Stadtoldendorf.
Im Zeitraum 1625-1627 blieben letztlich kein Dorf und keine Stadt der Sollingregion von dem Krieg und seinen Folgen verschont.
Archivalisch wie archäologisch gut dokumentiert ist, dass während des Dreißigjährigen Krieges eine 1624 von Meister Hans Greiner errichtete frühneuzeitliche Waldglashütte im Hils bereits ein Jahr später im Sommer 1625 von marodierenden Soldaten der Katholischen Liga überfallen, niedergebrannt und eine Glaswarenlieferung zerstört wurde.[4]
Zwei Jahre später wurde durch den Einfall kaiserlicher Soldaten eine auch von Meister Hans Greiner im Vogler betriebene Glashütte 1627 wochenlang "vom selbigen Glaßebrennen gantz verhindert und abgehalten".[5]
1633 wurde "durch das Krieges wesen" wiederum eine Glashütte in der Hilsregion mitsamt ihrer Glasvorräte zerstört, ebenso 1635/1636 eine von Meister Franz Seidensticker und Wentzel Muth "unter dem Hilsborn" betriebene Glashütte.[5]
Unterschiedliche kugelförmige Bleiprojektile im Umfeld der Waldglashütte "Oberes Hellental"
werfen einen langen, dunklen Schatten auf die regionalen Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Geschosskugeln und Bleigussreste
Im Umfeld des Betriebsgeländes der Glashütte "Oberes Hellental" {HtGfN 1-1} konnte ein Streufund von bislang acht Bleikugeln geborgen werden [2], abgefeuert aus Musketen, Karabinern und/oder Pistolen in nicht allzu großer, möglicherweise aus nur etwa 60 – 70 m Entfernung.
-
Geschosskugeln mit unveränderter Kugelform Kaliber: 14–16 mm │ Durchschnittsgewicht: 20,2 g
-
unterschiedlich deformierte Geschosskugeln
Im Spiegel der von LEIBER archivalisch wie insbesondere archäologisch dokumentierten Überfälle auf Glashütten im Hils (1625) und Vogler (1627) während des Dreißigjährigen Krieges, könnten - bei aller vorsichtigen Interpretation - die Geschosskugeln möglicherweise auch in einem kausalen Zusammenhang mit einem zerstörerischen Überfall kaiserlicher Soldaten auf die abgelegene Waldglashütte stehen.[6]
Auch der Bodenfund der wahrscheinlich kompletten Glasmacherpfeife könnte in dieser Richtung diskutiert werden, da die Fundumstände und die unbewöhnliche Lage im Boden nahe legen, dass das an sich glashandwerklich wertvolle Werkzeug bei einem Überfall (um 1625?) unkontrolliert verloren oder fluchtartig weggeworfen wurde.
Nach TSCHIRR [1] seien im Zitraum des Dreißigjährigen Krieges "so gut wie keine Hüttenanlage mehr gegründet worden".
_____________________________________________________________________
[1] TSCHIRR 2009, S. 25.
[2] Bodenuntersuchung von Michael Begemann, Holtensen (Einbeck).
[5] LEIBER 2015 (ebd.), S. 285.