Glasmacher wanderten dem Holz nach

Klaus A.E. Weber

 

'Sonst auf verschiedenen auswärtigen Glashütten gearbeitet'

Glasmacher wanderten vormals dem Holze nach und legten häufig ihre Glashüttensiedlungen in großer Entfernung zu den nächsten dörflichen oder städtischen Siedlungen an.

Deshalb wie auch durch den Produktionsablauf bedingt, bestand bei den Glasmachern stets eine enge Verknüpfung zwischen dem Familien- und Arbeitsleben.

Im 17. Jahrhundert entwickelte wahrscheinlich manche Waldglashütte, wie beispielsweise im Hils, bereits einen dorfähnlichen Charakter.

Die Wohngebäude wurden auf Grund des absehbaren Standortwechsels aus Holz errichtet.

Doch hatten diese frühen „fliegenden" oder "Wanderglashütten“ noch nichts mit den späteren ortsfesten Manufakturen gemein.

Durch den immensen Holzverbrauch wurden die Glashütten, ursprünglich aus dem Süden kommend, immer weiter in nördliche Waldgebiete verlegt, schließlich auch in das Weser-Leine-Bergland und somit auch in den Solling.

Die Dauer der Produktion einer Glashütte an gleicher Stelle richtete sich primär nach dem Verbrauch der distanznah verfügbaren Ressource „Holz“.

War das Holzvorkommen um die Glashütte erschöpft bzw. musste das Holz über eine zu große Entfernung herangeführt werden, wurde die Produktionsstätte meist talaufwärts oder in ein benachbartes Tal verlegt, wo wiederum Holz in ausreichender Menge vorhanden war.

Hierbei waren Tallagen oder die Quellnähe zur Wasserversorgung besonders wichtig.

 

„Fliegende” Glashütten

Eine einfache „fliegende” Waldglashütte bestand aus einem Gebäude, in dessen Zentrum sich der mit Holz beheizte Glasschmelzofen (Werkofen) befand, das „Herz“ der Glashütte.

Dabei ist erkennbar, dass die die einstigen Glasmacher in örtlicher Selbständigkeit einer kleinteiligen Produktion nachgingen.

Im Zentrum der Werkhalle befand sich mutmaßlich der mit Buchenholz beheizte Typ eines liegenden, also länglich-rechteckigen Glasschmelzofens, in dem die Funktionen hintereinander angelegt waren.

Der mehrere Meter große Hauptofen wurde aus roten, feuerbeständigen Sandsteinen (Sollingsandsteine) errichtet.

Er wies mehrere umrahmte, fensterartige Arbeitsöffnungen zur Entnahme flüssiger Glasmassen auf.

Im Ofeninneren mit einer Betriebstemperatur um ca. 1.200-1.300° C befanden sich zu beiden Seiten des Feuerungskanals Hafenbänke, auf denen mehrere, aus feuerfestem Ton gefertigte Schmelztiegel standen, „Hafen“ genannt (technische Keramik).

Wie die heutigen großen industriellen Schmelzwannen, so waren auch die kleinen Glashäfen sensible Konstrukte, die stetig auf Temperatur gehalten werden mussten.

Darüber hinaus gab es möglicherweise zusätzlich auch mehrere Nebenöfen oder Annexofenkonstruktionen am Hauptofen, u.a. zum allmählichen Heruntertemperieren der Gläser auf Umgebungstemperatur (Kühlöfen).

Die am "heißen Ende" der Produktion extrem heißen Glaserzeugnisse mussten - um nicht zu zerspringen - in so genannte Kühlöfen langsam und kontrolliert abgekühlt werden.

Zudem gab es Frittöfen, in denen das Rohstoffgemenge zur Glasvorschmelze (Vorprodukt) in Fritte-Tiegeln (Hafen) vorgefrittet wurde.[2]

Bei den Hüttenöfen handelte es sich um „liegende“, länglich-rechteckige Schmelzöfen, in denen die Funktionen hintereinander angelegt waren.

Der Hüttenboden bestand aus Lehm und die Hütte selbst war aus Holz errichtet.

Die Glashüttenbelegschaften wohnten samt ihren Familien in unmittelbarer Nähe der Glashütten.

Im näheren Umfeld des Betriebsgeländes wurden hierzu mehr oder minder notdürftige Wohngebäude des Glasmachermeisters und der Hüttenbelegschaften angeordnet.

Einfache Wirtschaftsgebäude und Stallungen kamen hinzu.

Die Unterkünfte für die Glasmacher und für das von ihnen gehaltene, wenige Vieh dürften eher dürftig gewesen sein.

Die Standortwahl und damit der Bau und wirtschaftliche Betrieb früher Glashütten war abhängig von topographischen Rahmenbedingungen und verschiedener Standortfaktoren in Gunstlagen:

  • Vorkommen von Roh- und Brennstoffen

  • Verfügbarkeit feuerfester Gesteine

  • (Fließ-)Gewässer.

Aber auch "handfeste forstwirtschaftliche Überlegungen" dürften für die Standortwahl zum Betrieb einer Waldglashütte zugrunde gelegen haben - "... weil sich sonst daß Holz dort nur schwerlich nutzen läßt."[3]

Um die ehemals schier unerschöpflich geltenden Holzressourcen der Sollingwälder konkurrierte das traditionelle, energieintensive Gewerbe der Glasherstellung mit jenem der Köhlerei.

Das Holz aus den Solling-Forsten wurde staatlich verwertet und zugleich das Steueraufkommen aufgebessert.

Umwelthistorisch gesehen blieb deren holzintensiver Betrieb nicht ohne Auswirkungen auf das Ökosystem des Sollings.

Er könnte zugleich auch zur Veränderung der Wald-Feld-Grenzen im Hellental mit Entstehen landwirtschaftlich nutzbaren Grün- und Ackerlandes beigetragen haben, wie es die von Johannes Krabbe erstellte „Sollingkarte“ von 1603 nahe legt.

 

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[1] STEPHAN 2013, S. 6-9; STEPHAN 2014.

[2] STEPHAN 2010, S. 136.

[3] ALMELING 2006, S. 28.