Das Hempelsche Haus - Erinnerungen

Dieter Schlossmacher / Klaus A.E. Weber (Bearbeitung)

 

Aus der überlassenen persönlichen Aufzeichnung von Dieter Schloßmacher [1] - redaktionell überarbeitet und in leicht gekürzter Form wiedergegeben

 

Familie Friedrich Hempel (* 1873)

und Sophie Hempel, geb. Eikenberg (* 1879)

Hellental │ um 1920

mit ihren sieben Kindern (1904-1919):

Irmgard, Sophie, Karl, Friedrich,

Herta, Paul und Hans

© Historisches Museum Hellental

 

Gedanken über Erinnerungen an das Elternhaus meiner Mutter

Am 25. März 2017 habe ich es endlich geschafft, mit teilweiser Unterstützung durch meine Cousine Elisabeth Dittrich, den lange gehegten Plan auszuführen, etwas zu dem „Hempelschen Haus“ in Hellental niederzuschreiben.

Vor längerer Zeit hatte eine Frage von Herrn Dr. Weber den ersten Anstoß dazu gegeben.

 

Vorbemerkung

Eine Vorbemerkung soll meine Herkunft aus der Familie Hempel und die spezielle Beziehung zum Haus kenntlich machen:

Ich bin das älteste Enkelkind von Sophie und Friedrich Hempel, die seit ihrer Heirat am 30. September 1902, bis zu ihrem Tode ununterbrochen in ihrem Hellentaler Haus gelebt haben.

Meine Mutter Herta, geboren am 05. Januar 1904, war ihre älteste Tochter, Elisabeths Vater, Friedrich, geboren am 17. Oktober 1905 der älteste Sohn.

Bis 1919 wurden weitere fünf Kinder geboren.

 

Vorgeschichte

Nach der 1884 erfolgten Fertigstellung des Hauses, dessen Vorgängerbau durch einen Brand zerstört worden war, wohnten dort zunächst die Urgroßeltern Carl Friedrich Wilhelm und Christiane Caroline Friederike Hempel (geb. Reinhard), mit ihrer Familie.

Beide stammten aus Grünenplan und verstarben im Jahre 1916 in Hellental.

Von ihren neun Kindern überlebten vier das frühe Kindesalter nicht.

Der Urgroßvater war Forstwart.

Die Familie kam von Grünenplan aus über Pilgrim (Schorborn) nach Hellental.

Die Bewohner der ersten beiden Generationen und die damals üblichen Wirtschaftsweisen haben den Charakter des Hauses grundlegend geprägt.

Ursprünglich als Wohnstallhaus angelegt - Stall im Keller unter der Stube - mit außen liegender Toilette (Holzhäuschen hinter dem Hause, meine Mutter hat oft mit Schaudern von kalten winterlichen Klogängen berichtet), erfolgte um 1930 durch den Neubau des Stalls mitsamt der von der Scheune aus erreichbaren Toilette die Gebäudeerweiterung auf den heutigen Stand.

Auch der Anschluss an das Elektrizitätsnetz muss um diese Zeit erfolgt sein.

In diesem letzten Punkt bin ich jedoch nicht ganz sicher, es könnte auch schon einige Zeit vorher geschehen sein.

 

Bauliche Veränderungen

Mein Onkel, Hans Hempel hat das Haus meiner Erinnerung nach im Jahre 1949 übernommen und in den 1950er und 1960er Jahren viele Veränderungen vorgenommen.

Sein Ziel war, die kleine Landwirtschaft beizubehalten, daneben aber andere Möglichkeiten zu erproben und durch zusätzliche anderweitige Berufstätigkeit ein gutes Einkommen zu erzielen.

Ich führe auf, was mir zu den vorgenommenen Veränderungen einfällt:

  • Die Kellerdecke unter der Wohnstube (ehemals Stalldecke) instand gesetzt und den Fußboden der Stube erneuert.

  • Badezimmer im Obergeschoss in einer ehemaligen Vorratskammer eingerichtet.

  • Wasserleitung und Waschbecken in dem über der Stube liegenden Schlafzimmer installiert.

  • Die alte Toilette neben der Scheune modernisiert und mit Wasserspülung ausgestattet.

  • Beide Schornsteine nach unten verlängert. │ Sie reichten ursprünglich nur bis zur Höhe der Decke im Untergeschoss und waren nach unten offen. │ Für Schornsteinfegerarbeiten ließen sie sich von der Küche aus besteigen. │ Sie waren an den frei liegenden Ecken mit je einer Schiene abgefangen. │ Die einzelnen Ofenrohre mündeten in die Schornsteine. │ Abdeckungen der offenen Unterseiten verhinderten Verschmutzungen des Raumes.

  • Im Flur und an der Kellertreppe Installierung je eines Kohleofens zur Warmluftbeheizung für das ganze Hauses; wegen unbefriedigender Wirkung später mit Nachtstromspeicheröfen ergänzt.

  • Teilung der Küche durch eine hölzerne Trennwand mit Schiebetür. │ Diese ermöglichte an Schlachttagen und bei sonstigem Bedarf die Vergrößerung der Küche.

  • Einbau einer abgeteilten Dusche in der Küche (um sich nach Stall- und Außenarbeiten noch vor Betreten des eigentlichen Wohnbereichs frisch machen zu können).

  • Ausfüllen zweier Gefache mit Glasbausteinen (wegen besserer Belichtung von Küche und der ehemaligen Schlafkammer der Großeltern) │ Diese diente zunächst vorübergehend als Küche und war später endgültig Esszimmer.

  • Schaffung eines Durchgangs vom Esszimmer in die durch die Trennwand neu entstandene Küche.

  • Erneuerung der Außenfenster

  • Dacherneuerung (ehemals Sollingplatten, jetzt Ziegel)

  • Anschluss an die Kanalisation.

  • Pflasterung der Hofeinfahrt.

  • Einbau einer Absperrung an der Futterkrippe damit die Kühe während des Melkens nicht durch Futtersuche in der Krippe abgelenkt würden.

Die Liste ist vermutlich nicht vollständig und entspricht auch nicht der Reihenfolge der vorgenommenen Arbeiten.

Das Haus wurde in seinem Inneren jedenfalls erheblich verändert und, es muss leider gesagt werden, was die Ästhetik betrifft nicht immer zum Vorteil.

Andrerseits musste Hans Hempel mit seiner Familie darin leben und wirtschaften.

Er hat es sich so eingerichtet, wie es seinen Bedürfnissen und seinen wirtschaftlichen Mitteln entsprach.

Und es darf auch nicht verschwiegen werden, dass er bei alledem sich und seine Familie oft bis an die Grenzen des Leistbaren gefordert hat.

 

1942 von Düsseldorf nach Hellental

Mich (Dieter) brachten die Kriegsereignisse im Jahre 1942 nach Hellental.

Wir lebten in Düsseldorf, wo der Bombenkrieg mittlerweile ein bedrohliches Ausmaß angenommen hatte.

Die Eltern wollten mich in Sicherheit bringen.

Ich verblieb von Sommer 1942 bis Herbst 1943 allein und dann nach einem halben Jahr in Düsseldorf erneut von Frühjahr 1944 bis Juni 1945, diesmal zusammen mit meiner Mutter in Hellental bei den Großeltern.

Im Herbst 1944 brachte Onkel Paul seine Frau und die im Sommer des Jahres geborene Tochter Erika aus Kempen nach Hellental in Sicherheit.

Kurz vor Kriegsende kam noch die Familie von Onkel Karl, Tante Lenchen, Waltraud und Margret, hinzu.

So lebten für einige Zeit mit Onkel Friedrichs Familie insgesamt13 Personen im Haus.

Einen Teil meiner Erinnerungen an diese Zeiten habe ich bereits aufgeschrieben.

Das Konzept harrt der kritischen Überarbeitung.

 

Das Haus als Ausgangs- & Rückzugsort

Wichtig für mich ist jedenfalls die Bedeutung des Hauses als Ausgangs- und Rückzugsort angesichts der vielfaltigen und neuartigen Erlebnisse während der beiden Aufenthalte.

Völlig neu war der Umgang mit den Tieren:

Man konnte z.B. den Schweinen im Stall, von der Erwachsenen unbemerkt, den Finger in die Atemlöcher des Rüssels stecken (sie mochten das nicht), der Kuh die ganze Hand ins Maul halten (sie begann daran zu lutschen), ich lernte, auf Stoppelfeldern barfuß zu laufen (es tat nicht weh) und ein barfüßiger Tritt in einen warmen Kuhfladen vermittelte eine nahezu wollüstige Empfindung usw.

Das Zusammenleben mit den Menschen im Haus stellte mich ebenfalls in neue Situationen.

Auch Konflikte gehörten dazu.

Da waren Tante Anna, deren Mutter Oma ,,'Nade" (abgeleitet von Heinade), Cousine Elisabeth und Vetter Friedrich (Kinder von Tante Anna und Onkel Friedrich).

Wir spielten und zankten miteinander.

Den Hintergrund zu all den unendlich vielen Erlebnissen bildete das Haus in seinen vielfältigen Funktionen.

Da gab es in der Stube den großen, blauen Kachelofen, der an kalten Abenden gemütlich vor sich hin bullerte.

In zwei Stubenecken befanden sich von innen unterhalb der Decke verschlossene Belüftungsöffnungen.

Darin kraspelten abends für mich anfangs geheimnisvoll Vögel.

Das trockene Knacken bei Betätigung der Kastenschlösser oder die Geräusche aus dem abendlichen Stall schufen mit vielem anderen eine Atmosphäre, in der ich mich aufgehoben fühlte.

Verstärkt wurde das noch, wenn der Großvater abends erzählte oder mit seiner schon leicht gebrochenen Altersstimme aus der Zeitung vorlas, während die Großmutter handarbeitete.

In keinem späteren Lebensabschnitt habe ich diese Empfindungen in solcher Intensität wieder erlebt.

Hellental und das Haus wurden sozusagen zur "Achse meiner Welt", und das im Grunde bis weit in das Erwachsenenalter.

Mein Erleben war komplex und die Erinnerungen daran sind mittlerweile mit solchen aus späteren Zeiten verschmolzen und entsprechend verändert.

Deshalb habe ich mir vorgenommen, hier die Menschen zu nennen, die im Hause lebten, geboren und gestorben sind oder auf andere Weise wesentliche Erlebnisse dort hatten.

 

Zum Leben im Haus

Bis auf die Urgroßeltern Hempel und die Geschwister des Großvaters habe ich alle gut gekannt:

 

Der Urgroßvater Carl Friedrich Wilhelm Hempel war Forstwart.

Er wurde am 07. August 1837 in Grünenplan geboren und starb am 25. September 1916 in Hellental.

Von ihm gibt es eine kleine Geschichte:

Ein halbwüchsiger Junge wird an Heiligabend, als er mit einem frisch geschlagenen Tannenbaum aus dem Walde kommt, von Forstwart Hempel gestellt.

Natürlich ist der Baum geklaut.

Kräftige Standpauke!

Als der Junge ohne den Baum nach Hause gehen will, heißt es: "Un dat diu meck düssen Baom heier nich leien lässt!"

Erzählt hat mir diese Geschichte Onkel Hans.

Er hatte sie von seinem Dasseler Friseur, dessen Vater besagter Junge gewesen war.

 

Die Urgroßmutter Christiane Caroline Friederike, geb. Reinhard wurde am 08. Februar 1844 ebenfalls in Grünenplan geboren.

Sie verstarb am 02. August 1916 in Hellental.

Von ihr hat der Großvater nie erzählt.

Wohl aber, dass sie kurz nach ihrem (!) Tode, als er am Sterbebett seines Vaters wachte, in den Raum trat, ihm übers Haar gestrichen habe und still wieder gegangen sei.

Am 04. Juli 1873 wurde in Hellental mein Großvater Heinrich Friedrich Gottfried Hempel geboren.

Er starb am 04. März 1961 nach kurzer Krankheit zu Hause.

Er war ein vielseitig erfahrener Waldarbeiter, der zeitweise auch als Köhler gearbeitet haben soll.

Noch lange nach der Verrentung hat man ihn von Seiten der Forst öfter zu speziellen Arbeiten herangezogen.

 

Die Großmutter Karoline Luise Sophie Eikenberg kam am 30. September 1879 in Hellental zur Welt.

Am 08. Februar 1960 starb sie dort.

Sie war eine tatkräftige Frau.

Ihre Kinder waren (nur Ruf- und Ehenamen):

  1. Herta (Schloßmacher) │ * 05. Januar 1904 - † 12. Januar 1990 in Bodenwerder

  2. Friedrich │ * 17. Oktober 1905 - Herbst 1944, vermisst in Rumänien, später aufgrund beglaubigter Auskünfte für tot erklärt

  3. Sophie (Kümper) │ * 06. August 1907 - † 04. Dezember 1960 in Hagen

  4. Karl │ * 24. Januar 1910 - † 01. Mai 1955 in Holzminden

  5. Paul │ * 18.09.1912 - † 1960 Autounfall, Datum nicht bekannt

  6. Irmgard (Ohrmann) │ * 10. Oktober 1915 - † 16. April 2004 in Stadtoldendorf

  7. Hans │ * 25. November 1919 -† 17. März 2011 in Hardegsen

 

Enkelkinder von Friedrich und Sophie Hempel (nur Ruf- und Ehenamen):

1. von Herta:

Hans-Dieter │ * 18. Januar 1935

2. von Friedrich:

Elisabeth Dittrich │ * 04. Mai 1937

Friedrich │ * 21. August 1939 - aus dem Blickfeld der Familie geraten

3. von Karl:

Waltraud Hempel/Schloßmacher │ * 17. Oktober 1935

Margret Braun │ * 16. April 1940

Hans - Jürgen │ * 24. August 1945

4. von Paul:

Erika │ * 1944 / verstorben

Gisela Schmitz │ * 1949

5. von Hans:

Jörg │ * 03. Januar 1953

Knut │ * 12. Februar 1957

 

Außer den Urgroßeltern und den Großeltern verstarben im Hause:

1. Fritz Vollbrecht (Schwiegervater von Hans) │ † um 1970

2. Hermine Hempel, geb. Vollbrecht │ * 20. August 1922 - † 13. März 1999  │ "Minchen", Ehefrau von Hans

 

Ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl

Die Generation der Großeltern und deren Kinder zeichnete ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl aus.

Während der Sommerferien traf man sich in Hellental gerne bei der Heuernte.

Da waren zur Bewältigung der Arbeit viele Hände nötig.

Aber auch bei anderen Anlässen war das so.

Manchmal kam Onkel Karl aus Holzminden mit seiner Familie dazu, auch Tante Irmgard.

Und Tante Sophie kam mit Mann aus Hagen angereist.

Daneben traf man sich aber auch bei Onkel Karl in Holzminden.

Bei uns in Düsseldorf waren die Onkel Paul und Hans vor Kriegsbeginn und Einberufung zur Wehrmacht häufige Sonntagsgäste.

Beide arbeiteten in Düsseldorf.

Zwischen Tante Sophie und uns waren häufige gegenseitige Besuche üblich.

Sie fanden für damalige Verhältnisse häufig statt.

Durchreisen in Hagen und Holzminden zeigten wir per Postkarte an.

Tante Sophie wohnte in Sichtweite zur Bahn.

Sie pflegte stets mit einer Tischdecke vom Balkon aus zu winken, während wir mit Taschentüchern aus dem fahrenden Zug heraus bemerkbar machten.

Immer stand bei unseren Durchreisen während des Aufenthalts am Holzmindener Bahnhof jemand von Onkel Karls Familie winkend am Staket (eine Bahnsteigkarte für ein Gespräch von vielleicht fünf Minuten wäre ja zu teuer gewesen).

Bereits beim Einsteigen in den Zug achteten wir darauf, einen Platz zu finden, der vom Holzmindener Bahnhofsstaket aus gesehen werden konnte.

 

Das intensive "Zu Hause"

Das "Zu Hause", wie es bezeichnet wurde, war ein allgemeiner Bezugspunkt.

Jeder aus der Familie war immer willkommen.

Später wurde auch die Enkelgeneration, der ich angehöre, nebst Kindern ohne weiteres einbezogen.

Ebenso hatten Hans und „Minchen“ Hempel für alle ein offenes Haus.

Meine Mutter sprach von zu Hause, wenn sie Hellental meinte.

Wir reisten im Sommer nicht etwa in die Ferien, sondern "nach Hause".

Sie und ihre Geschwister pflegten "zu Hause" zu sagen, wenn sie sich über Hellental unterhielten.

Hans Hempel erzählte mir, sein 1955 verstorbener Bruder Karl habe ihn einige Jahre vor seinem Tod gebeten, das Hellentaler Anwesen einschließlich des Altenteils für die Eltern zu übernehmen, damit den Geschwistern das Elternhaus erhalten bleibe, was dann auch so geschah.

Auch für die Cousinen und Vettern war es immer ein besonderer Bezugspunkt.

Ebenfalls voll einbezogen war jederzeit auch Wolf gang Ohrmann, der Stiefsohn von Tante Irmgard.

Als Kind habe ich das Haus, weil es ein Fachwerkhaus ist, zunächst als geringwertig eingeschätzt.

In Düsseldorf herrschte ja ein schlimmer Bombenkrieg und ein Haus brauchte, um mir das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, dicke, stabile Wände.

In Düsseldorf pflegten wir Kinder die Stabilität unserer Wohnungen einzuschätzen, indem wir die Dicke der Wände ausmaßen.

Mit dieser Art von Stabilität konnte das Hellentaler Haus nicht dienen.

Jedoch gab es da aber einen Stall, in dem Kühe brummend wiederkäuten und mit ihren Ketten klirrten, Schweine grunzten und Hühner gackerten.

Die Oma zeigte, wie man erfühlen kann, ob ein Huhn am nämlichen Tage ein Ei legen werde.

Man konnte bei geöffneter Herdklappe, unter Umständen auch mit der Katze auf dem Schoß, das Feuer beobachten.

Meine Mutter erzählte manchmal, sie habe als Schülerin beim Lichte der geöffneten Herdklappe zum Teil ihre nichtschriftlichen Schularbeiten machen müssen.

Zudem konnte man vieles tun, von dem das eine oder andere auch besser nicht bekannt wurde.

Das alles erzeugte eine allgemeine Atmosphäre, die ich in der Rückschau als sicher und beschützend, wenn auch nicht immer als wohlwollend erlebt habe.

Ich hatte Lieblingsplätze, zum Beispiel auf dem Saal, wo vieles zu entdecken war, im Stall, hinten im Garten, wo unbeobachtet die erste Zigarette geraucht werden konnte.

Es gab verschwiegene Orte im Wald, Maikäfer, Blumen, geklaute Äpfel und und und ....

So entwickelte sich allmählich ein anderes und neuartiges Gefühl von Sicherheit, welches aus Empfindungen im Umgang mit Natur, Mensch und Tier gespeist wurde und tiefere Schichten meiner kindlichen Persönlichkeit erreichte.

Das alles lief im Haus als Zentrum für das persönliche Sein zusammen.

Es bildete sich das sichere Gefühl heraus, dass mir da nichts passieren konnte.

 

Näheres soziales Umfeld

Heute geht es mir so, dass ich immer noch die damaligen Menschen aus dem näheren Umfeld sehe, etwa Karl, Luise, Karlchen, und Marlies Greinert; Karl und Johanne Siebers, Hannelore; Luise (Tante Wieschen) und August Timmermann, Klärchen; Tante Frieda Timmermann (später Matthias), Willi Matthias, Rudi, Richard und Karl Wilhelm; Minna Meier, Erika und Edeltraud; die beiden alten Pietrecks aus dem Nebenhaus, die immer irgendwie fremd geblieben waren, ja und auch den polnischen Zwangsarbeiter Michel, den wir manchmal ärgerten.

Unvergessen geblieben ist Großmutter Mariechen Timmermann, die eindrucksvoll mit dem Kopf wackelte und um 1943/44 über 80-jährig verstarb.

Richard und ich wollten ihr einmal einen Streich spielen, indem wir Hagebuttenkerne ("Juckpulver") auf dem Toilettenrand verteilten und uns dabei vorstellten, wie sie, erschreckt und schreiend vom Klo gerannt käme.

Außer unserem kleinen boshaften Vergnügen hat sich aber nichts dergleichen ereignet.

Zu erwähnen ist noch der Großvater Carl Timmermann.

Hermann Löns hat ihn in seiner Erzählung "Das Tal der Lieder" kurz gestreift.

Er war im Alter erblindet und starb im Januar 1945.

Ich muss gestehen, zu den Kindern gehört zu haben, die ihn manchmal so ärgerten, dass er wütend mit seinem Stock auf den Tisch haute.

Dann gaben wir Fersengeld.

Für mich ist in Bezug auf das hier Geschilderte alles mit allem in dem Begriff "Zu Hause" verbunden.

Wahrscheinlich wird man sagen müssen, dass jeder aus der Familie sein spezielles "Zu Hause" erlebt hat und mit diesem Bild durch das Leben gegangen ist bzw. geht.

Waltraud, Margret und Hans-Jürgen hatten ebenfalls intensive Erlebnisse in Hellental.

Oft waren Waltraud und Margret zu Hilfeleistungen dort.

Hans-Jürgen hingegen sollte nach dem Tode seines Vaters in Hellental ein wenig männliche Leitung erfahren.

Onkel Hans galt ja in der Familie als pädagogisch ambitioniert.

Auch meine ich, dass Onkel Pauls Tochter Erika aus vergleichbarem Grunde einige Ferien in Hellental verbracht hat.

Jörg und Knut sind die einzigen Enkel, die Ihre Kindheit und Jugend ausschließlich in Hellental verbracht haben.

Die Großeltern konnten sie lediglich aus der Klein- bzw. Schulkinderperspektive erleben, nämlich als diese bereits „Altenteiler" waren.

Früh von ihren Eltern zur Mitarbeit herangezogen, entwickelten sie ihre spezielle Heimatbeziehung, die aber neben dem Bezug zum Haus zusätzlich die Möglichkeiten des Landlebens und -erlebens junger Menschen unter diesen Gegebenheiten einschließt.

Auch für sie stellte das Haus bis zu seinem Verkauf einen nunmehr durchaus fehlenden Bezugspunkt dar.

 

____________________________________________________

[1] SCHLOSSMACHER 2017.