Glas der Wikinger │ Haithabu
Klaus A.E. Weber
Händler │ Krieger │ Abenteurer │ Entdecker des frühen Mittelalters
Im Fühmittelalter zwischen der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts bis Anfang des 11. Jahrhunderts beherrschten Nordeuropa die „Nordmänner“ - die Wikinger.[13][14][15]
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Handelszentrum und Fernhandel
Zu den bedeutendsten frühmittelalterlichen Siedlungen und frühurbanen Handelszentren der Wikingerzeit zählte einst Haithabu (Haiðabýr bzw. HēþabȳR) mit Hafenbereich am westlichen Ende des Ostsee-Seitenarms Schlei am Haddebyer Noor bei Schleswig (heute archäologisches Bodendenkmal in Schleswig-Holstein).[11][15]
Heute gilt die Siedlungsentwicklung des frühurbanen Haithabu als eine der ersten Städte Nordeuropas.
֍ UNESCO Weltkulturerbe SH 2
Wikinger Kultur │ Museum Haithabu
Das Wikinger Museum Haithabu besteht aus einem Ausstellungshaus und einem Freigelände mit rekonstruierten Wikinger Häusern.
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Teilrekontruktion
des frühstädtischen wikingerzeitlichen Fernhandelszentrums Haithabu │ August 2016
Flechtwandhäuser ⃒ 9.-11. Jahrhundert [16]
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Um 750, spätestens aber um 770, von dänischen Wikingern (Normannen bei den Franken) bzw. schwedischen Warägern (Waräger in Rußland) gegründet, war Haithabu bis 1066 ein Hauptumschlagsplatz für den Handel zwischen Skandinavien, Westeuropa, Nordseeregion und Baltikum.[5]
Schiffsfragment aus dem frühmittelalterlichen Seehafen von Haithabu ⃒ August 2016
Rekonstruierter Drachenkopf als Zierte eines Schiffsstevens
Dauerausstellung des Wikinger Museums Haithabu
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Gebrauchs- und Schmuckglas im frühurbanen Haithabu
8.-11. Jahrhundert n. Chr.
Frühmittelalterlich an der westlichen Ostsee am Haddebeyer Noor gegründet, gilt die frühurbane Ansiedlung mit Hafenbereich als bedeutsamer zentraler Umschlagsplatz im Warenverkehr zwischen Mitteleuropa und den Rohstoffmärkten Nord- und Osteuropas.
Hier wurde die Glasherstellung als eine der am höchsten spezialisierten Handwerkstechniken auf qualtativ hohem Niveau ausgeübt.
Hoher Stand der Glasverarbeitung
Wie zahlreiche und vielfältige Herstellungsreste und Halbfabrikate glasarchäologisch belegen [17], hatte auch die Herstellung und Verarbeitung von Glas für Haithabu eine besondere Bedeutung als nordeuropäischer Handelsort.
Obgleich im Einzelfall schwierig zu unterscheiden, lässt sich sowohl der Import als auch die lokale Herstellung und Verarbeitung von Glas auf qualitativ hohem Niveau nachweisen.
Wie SCHIETZEL [17] ausführt, diente zunächst Pflanzenasche als Grundstoff für das Flussmittel Natriumkarbonat, "später trat importierte Pottasche (Kaliumkarbonat) an deren Stelle" (Kaliumgläser).
So wurden innerhalb des Halbkreiswalles von Haithabu Spuren mehrerer Werkstattkomplexe, ein Glasschmelzofen sowie mehr als 8.000 Glasobjekte gefunden:[16][17][19]
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Rohmaterial, wie Glasmasse, Stäbchen, Glaswürfel
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Halbfabrikate (Zwischenprodukte)
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Abfall, wie Schmelzkügelchen und -tropfen
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fertige Glasprodukte, wie verschiedene Glasperlen, Hohlglas (Rand- und Bodenscherben von Gefäßgläsern, Trichtergläser) sowie einfarbiges braunes und grünes Flachglas zur Fensterverglasung.
Vorgefertigte, unterschiedlich gefärbte Glasmosaiksteine (Tesserae) wurden zum Einfärben der Glasschmelze als Handelsware aus norditalienischen Werkstätten bezogen.[9]
Zudem gab es den Nachweis unterschiedlich gefärbter Glasstäbe (Fragmente).
Geblasene Hohlgläser gelten als besondere Luxusware aus dem Fränkischen Reich.[10]
Hierzu zählten unverzierte, spitzbodige Trichterbecher (Sturzbecher) aus hellgrünem Glas, wie auch kugelige Traubenbecher.
Funde der trichterförmigen "Sturzbecher" stammen auch aus Birka in Schweden.[22]
Wandungsscherben, u.a. eines gläsernen Traubenbechers │ Siedlung Haithabu
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Königliches Tafelgeschirr
"Imitatio Imperii" │ Nachahmung fränkischer Hofkultur als gehobener Lebensstil [8]
Irisch-imsulares Bronzeschale
unverzierter, spitzbodiger Trichterbecher (karolingischer Sturzbecher) aus hellgrünem Glas
Siedlung Haithabu ⃒ Bootkammergrab ⃒ 9./10. Jahrhundert [3][4]
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Farbig gestaltete Gefäßgläser (Becher) [20]
Fragmente aufgeschmolzener Mündungsstreifen
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Gniedelstein und Glättbrett
Als "Bügeleisen" waren massiv oder hohl gefertigte Glättgläser (Gniedelsteine) in der jüngeren Wikingerzeit fast kaum in der Form verändert in Gebrauch, besonders häufig zum sorgfältigen Glätten, feinen Fälteln wertvoller Textilien (Leinenstoff) und/oder Reiben.[1][2]
An vielen Fundstellen lag ein Glättglas auf einem Brett aus Walknochen oder Kirschholz, das eine glatt geschliffene Oberseite aufwies und mit zwei geschnitzten Tierköpfen verziert war (Birka).[21]
Glasperlen als Halsschmuck ⎸zugleich auch Zahlungsmittel ⎸ 9.-10. Jh.
Glättglas, massiv, dunnkelgrün │ Haithabu │ 9.-11. Jh.
Nachbildungen
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Glasperlen am offenen Feuer geformt
Verschiedenfarbige Glasperlen als Halsschmuck waren im 9.-10. Jahrhundert ein beliebter und fester Bestandteil wikingerzeitlicher Frauentracht, zugleich aber auch ein Zahlungsmittel.
Glasperlen als Körperschmuck und als Zahlungsmittel │ Haithabu │ 9.-11. Jh.
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Glaspielsteine
Auch sind für Brettspiele mit strategischer Figurenführung bunte Spielsteine aus Glas bei der vielfältigen Freizeitbeschäftigung von Wikingern bekannt (Birka).[12][23][24]
Ausstellungshaus und Freigelände
Rekonstruierte Wikinger Häuser
Das Ausstellungshaus Wikinger Museum Haithabu vor den Toren Schleswigs ist mit dem Freigelände mit rekonstruierten Wikinger Häusern eines der bedeutendsten archäologischen Museen Deutschlands.[6][25]
Am Rande der ehemaligen Handelsmetropole der Wikinger zeigt die Dauerausstellung - im historischen Kontext der Zeit vor rund 1000 Jahren - spektakuläre archäologische Funde.
Am 30. Juni 2018 hat das Welterbekomitee der Vereinten Nationen das Grenzbauwerk Danewerk und den wikingerzeitlichen Handelsplatz Haithabu in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen.
Arbeiten am Haithabu-Haus des Holzhandwerkers (Haus 4) ⃒ um 882
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Reinhard Erichsen - Der Meister der Langbögen
Wikinger Museum Haithabu ⃒ August 2016
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
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[1] STEPPUHN 1998, S. 74-76.
[2] SCHIETZEL 2014, S. 367.
[3] STEPPUHN 1998, S. 58-69.
[4] SCHIETZEL 2014, S. 276.
[5] MAIXNER 2012.
[6] ELSNER 2004.
[7] MAIXNER 2012, S. 46-49, 104, Abb. 123, 129.
[8] MAIXNER 2012, S. 92-93, Abb. 106, 173, Abb. 198.
[9] MAIXNER 2012, S. 177, Abb. 201.
[10] MAIXNER 2012, S. 173.
[11] MAIXNER 2012, S. 18-19.
[12] MAIXNER 2012, S. 66-67, Abb. 72.
[13] ELSNER 2004, S. 9-15.
[14] MAIXNER 2012, S. 8-11.
[15] Literaturübersicht bei ELSNER 2004, S. 122-126; MAIXNER 2012, S. 204-205; SCHIETZEL 2014 im Text.
[16] ELSNER 2004, S. 104.
[17] SCHIETZEL 2014, S. 452-458.
[18] DEKÓWNA 1990, S. 9-63.
[19] STEPPUHN 1998, S. 62-71.
[20] SCHIETZEL 2014, S. 458.
[21] Anschauliche Darstellung bei LAUWIGI 2014, S. 38.
[22] Anschauliche Darstellung bei LAUWIGI 2014, S. 88.
[23] Anschauliche Darstellung bei LAUWIGI 2014, S. 90.
[24] SCHIETZEL 2014, S. 287.
[25] Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen.