Glas im Hoch- bis Spätmittelalter & in der Renaissance
Klaus A.E. Weber
Wandel vom Luxusgut zur Gebrauchsware des täglichen Lebens
Hochmittelalterliche Becher (Nuppenbecher) - nach persischem Vorbid │ 10.-12. Jh. │ 13.-14. Jh.
Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Unterlag in Italien und in den Ländern nördlich der Alpen die verfeinerte und hochentwickelte Glasgestaltung des 13. Jahrhunderts unverkennbar noch der islamischen Glaskunst, so entwickelte sich einhergehend mit einem technologischen Wandel eine eigenständige Glasherstellung in Europa.
Spange mit farblosem, grünem und blauem Glasfluss │ Erste Hälfte 13. Jh. [7]
Musée Unterlinden, Colmar
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Intensiver Fernhandel mit Ägypten, Phönizien und Syrien hatte die ursprüngliche Technik zur Glasproduktion vom Ostmittelmeerraum nach der Lagunenstadt Venedig gebracht, wo seit dem 14. Jahrhundert das Glasmacherzentrum Venedig-Murano besteht.
Hauchdünne farblose Nuppenbecher mit perfekter Auflagentechnik haben nach RICKE Vorläufer in der persischen Glaskunst.[1]
Glasbecher mit Schlaufenfadendekor zählen zu den "vollendetsten Leistungen" des hochmittelalterlichen Glasmacherhandwerks, vergleichbar mit den römischen Prachtgläsern mit Fadenschmuck, den "Kölner Schlangenfadengläsern".
Farblose Becher - Gefäßform und Dekor nach persisch-islamischenem Vorbild │ vermutl. Deutschland │ 2. Hälfte 13. / Anfang 14. Jh. [2]
- Schlaufenfadenbecher - "Düsseldorfer Becher"
- Hochgotischer Becher mit blauem Fadendekor
Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Große, frei geblasene Schsle aus farblosem Glas mit blauen Fadenauflagen │ wohl 1. Hälfte 14. Jh. │ Herstellungsort unbekannt │ Fundort Mainz
Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf [3]
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Die Herstellung von hochrangigen, technisch aufwändigen farblosen, gefärbten oder überfangenen Hohlglasgefäßen war nicht nur auf den Mittelmeerraum oder ausschließlich auf Venedig beschränkt, sondern folgte wohl auch Impulsen aus dem Norden.[1]
Dabei wandelten sich Glasgefäße zunehmend vom Luxusgut zur Gebrauchsware des täglichen Lebens - meist in Waldgebieten deutscher Mittelgebirge hergestelltes Waldglas mit
- kräftigen Grüntönen,
- gebrauchstüchtiger Wandungsstärke,
- kräftigen Nuppen für einen sicheren Griff.
Gläserne Reliquiengefäße
- Krautstrunk als Reliquienbehälter, Süddeutland/Böhmen ? │ Siegel des Brixener Weihbischofs Konrad Reinhard │ ~ 1500 [3]
- Becher mit Wachsdeckel │ Wappen eines Konstanzer Weihbischofs, Süddeutschland │ 1550-1600
Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Die gängigsten mittelalterlichen Gefäßtypen waren hierbei:
- Kuttrolf
- Maigelein
- Rippenbecher
- Krautstrunk
Krautstrunk und Nuppenbecher │ Deutschland │ 1. Viertel / 1. Hälfte 16. Jh.
Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
- Aufwändig gestaltetes Stangenglas mit Tierkopfnuppen und in feinrippigen Model geblasenes Stangenglas mit Fadendekor │ 1. Hälfte 16. Jh.
- Kuttrolf │14./15. Jh. (oder früher ?)
Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf [4]
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Maigelein (Trinkschälchen) - variantenreicher spätmittelalterlicher Gefäßtyp │ Deutschland [5]
- Maigelein │ 15. Jh.
Glasmuseum Hentrich im Museum
Kunstpalast, Düsseldorf
- Maigelein │ 16.-17. Jh.
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Rippenbecher, Deutschland ?
2. Hälfte 13. / Anfang 14. Jh.
Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Spätgotische Corpus-Christi-Flasche für Wein oder Essig │ Rheinland │ um 1530-1550
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Seit dem 15. Jahrhundert ist der Begriff "Römer" für ein Weinglas (Weißwein) überliefert, in Form und Dekor gekennzeichnet durch einen Standring, einen mit spiralförmig Fäden oder Nuppen besetzt Schaft und einer Kuppa.[6]
Römer mit aufgesetzten Nuppen (Weingläser aus Grünglas) │ 16.-17. Jh.
Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf │ Landesmuseum Mainz
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
▷ Niklaus Manuel Deutsch: Totentanz [9]
Der Berner Niklaus Manuel Deutsch (1484–1530) durchlebte die kriegerischsten Zeiten der Eidgenossenschaft und wurde zum Vorkämpfer der Reformation.
Wie seine ersten Bilder, Glasgemälde um 1508, vermuten lassen, ließ er sich bei einem Glasmacher ausbilden.
Glasfenster mit der Darstellung der Heiligen Elisabeth │ Glas/Blei
Niedersachsen oder Nordhessen │ um 1430/1440
Hessisches Landesmuseum in Kassel │ Oktober 2018
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
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[1] RICKE 1995, S. 52.
[2] RICKE 1995, S. 55 (89), 56 (90).
[3] RICKE 1995, S. 57 (91).
[4] RICKE 1995, S. 58 (92), 61 (99).
[5] RICKE 1995, S. 59 (95).
[6] Sonderausstellung des Landesmuiseums Mainz vom 13. Mai 2018 bis 28. April 2019: Ausgetrunken! Trinkgefäße von der Steinzeit bis zum Jugendstil.
[7] MUSÉE UNTERLINDEN 2016, S. 76-77.
[8] ARCHÄOLOGISCHE BODENFORSCHUNG BASEL-STADT / HISTORISCHES MUSEUM BASEL 2008, S. 331, 389, Abb. S. 328-331.
[9] Blog-Artikel des Schweizerischen Nationalmuseums vom 13. November 2020 von Christophe Vuilleumier, Historiker und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte.