Herzogliche Verordnungen von Carl I.
Klaus A.E. Weber
Mit Verordnungen verfolgte Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713-1780) vor dem Hintergrund seiner staatlichen Gewerbeförderung das Ziel, "vorhandene Holzvorräte in möglichst großem Umfange allein den Manufakturen vorzubehalten", weshalb für alle Dörfer die Einrichtung besonderer Gemeindebackhäuser vorgegeben wurde.[1]
Nach TACKE [8] fand die Verordnung von 1744 überall Durchsetzung, obgleich bei zahlreichen Dörfern das neue Gemeinde-Backhaus "noch lange wenig benutzt" wurde, "sich aus Mangel hinlänglichen Unterhalts kein Bäcker anfinden wollen".
In jenen Dörfern backten einige Einwohner*innen "zwar in denselben für sich, die meisten aber in den bei verschiedenen Höfen vorhandenen Privat-Backhäusern weiter".
Schließlich führte die Umsetzung der folgenden Verordnungen zum Verschwinden von Privat-Backhäusern im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel.
"... von Zeit zu Zeit ergangenen"
Die verpflichtende Vorgabe für alle Dörfer im "Weserdistrict" des Herzogtums Braunschweig flächendeckend "Gemeinde-Back-Häuser" anzulegen, ist auf die umfassende Verordnung vom 04. Juli 1744 zurückzuführen.[2]
Die wiederholt "von Zeit zu Zeit ergangenen Verordnungen" des Herzogs Carl I. konnten offenbar in den Dörfern die "Abschaffung der Privatbacköfen" nur allmählich durchsetzen, wie es die herzogliche Verordnung vom 21. Dezember 1772 erkennen lässt.[5]
Herzogliche Verordnung vom 4. Juli 1744 [6]
"Von Gottes Gnaden, Wir, Carl
Herzog zu Braunschweig und Lüneburg etc.
Es ist billig / sowol in Betracht des Publici, als einzelner
Personen / für eine schädliche Sache anzusehen / daß im Weser=Distri=
cte fast ein jeglicher Einwohner seinen eigenen / und noch dazu übel an=
gelegten / und auf die Holz=Menage gar nicht eingerichteten Back=O=
fen hat. Es ist natürlich / daß die Erricht= und Unterhaltung so vie=
ler Back-Oefen und Back=Häuser / einen ungemein grossen Aufwand
an Bau=Holze erfordert / und es ist eine ausgemachte Sache / daß bey
so vielen privat-Backereyen / ungleich mehr / und wol 3 bis 4 mahl
so viel Holz und Waasen verbrauchet werden / als wenn in einer jeg=
lichen Gemeinde ein einziges / oder nach Beschaffenheit der Grösse des
Ortes zween Gemeinde Back=Häuser / und in einer Stadt oder Fle=
cken ebenfalls nur einige wenige Back=Häuser vorhanden sind Die=
se Betrachtungen / und der damit verknüpfte eigene Nutzen Unserer ge=
treuen Unterthanen / haben Uns bewogen / nachfolgende Verordnung
zu machen / welche Wir aufs genaueste und sorgfältigste beobachtet
wissen wollen.
1.
Ist wie obgedacht gewiß / daß bey einer so grossen Menge Back=
ofen / an Holz und Waasen / vieles überflüssiger und unnötiger Weise
verbrennet werde / da nicht nur in einem Ofen / der wohl angelegt /
wenn er einmahl durchgeheizet ist / nacheinander mit wenigerm Holze /
eben so viel kann gebacken werden / als in dreyen anderen / zu einer jeg=
lichen geringen Quantität Brodes besonders geheizten Ofen / sondern
es brauchtet auch ein Becker in einem Ofen / der beständig geheizet wird /
kaum halb so viel Holz und Waasen / als zu Heizung dreyer Ofen /
welche etwa alle 8 Tage einmahl geheizet werden / nötig ist; Wozu
noch dieses kommt / daß derer privatorum Back=Oefen / ausser denen
Häusern gemeiniglich frey liegen / und dem Winde und Wetter expo-
niret sind / dahero bey strenger Kälte / wol zweymahl so viel Holz / zu
Derselben Heizung / als zu einem im Hause liegenden / mithin der rau=
hen und kalten Luft nicht exponirten Back=Ofen erfordert wird. Es
Ist dahero Unser gnädigster Wille / daß in dem ganzen Weser=Distri-
cte und dem Amte Grena durchgängig / alle privat Back=Ofen abge=
schaffet / bey jeglicher Gemeinde ein Back=Haus / oder wie vorgedacht /
höchstens zween / zum allgemeinen Gebrauch / auf die Art / wie unten
vorgeschrieben wird / angeleget / und in demselben ein jeglicher sein Brod
backen
zu lassen / schuldig und gehalten seyn solle.
2.
Und da in einem solchen Gemeinde=Ofen / wenn er einmahl gehei=
zet ist / täglich 12 und mehr Himten Obst gedürret werden können / mit=
hin es zum Obst=trocknen keiner privat-Back=Ofen bedarf / so kann
sich auch dazu ein jeglicher des Gemeinde Back=Ofens nach Not=
durft
hinführo bedienen.
3.
Ueber die bereits angeführte ansehnliche Holz=Ersparung / wel=
che nach der diesfalls angestellten genauen Ausrechnung ein sehr gros=
ses beträgt / soll auch den Gemeinden selbst von der Anlegung der Ge=
meinde=Back=Oefen ein besonderer Nutzen zufliessen. Denn ob Wir
gleich Unserer Fürstlichen Cammer eine eigne Einkunft daher zuwei=
sen könten / und einen gewissen Back=Ofen=Zins zu nehmen befugt wä=
ren; So wollen Wir dennoch aus Landes=Väterlicher Gesinnung
für Unsere getreue Unterthanen denselben nicht nehmen / sondern einer
jeglichen Gemeinde die Verpachtung ihres Back=Ofens in Gnaden
verstatten / und soll das daher zu erhebende Pacht=Geld der Gemein=
de zum Besten angelegt / und administriret werden. Da nun dieses
im Fürstenthum Blankenburg vorlängst also eingeführet ist / und die
diesfalls gemachte Anstalten / dem Amts=Cammer=Rath Gumprecht in Holzminden bekannt seyn müssen; So
bey
demselben dieserwegen Raths zu erholen.
4.
Damit auch die Unterthanen durch das Backe=Lohn nicht beschwe=
ret werden mögen; So haben Wir dasselbe / in Betracht daß Holz und
Waasen in dortiger Gegend ziemlich wohlfeil sind / auf das leidlich=
ste gesetzt / und ist hiermit Unser gnädigster Befehl / daß von einem Him=
ten Rocken=Mehl / wenn gemeines Hausbacken=Brod davon geba=
cken wird / nicht mehr dann acht Pfennige / oder ein Marien-Grosche /
wenn aber Teller=Brode davon gebacken werden / zween Marien=
Groschen
gegeben werden sollen.
5.
Ueber die Beckere ist vielmahls geklaget worden / daß sie die Back=
Gäste bey der Abwirkung des Teigs vervortheilen / indem sie für den
denen Back=Gästen gegebenen Sauerteig / gemeiniglich noch einmahl
so viel / als sie denselben gegeben haben / von dem Brod=Teig zurück
behalten.
Damit nun dieser unerlaubte Gewinst / und die damit verknüpfte
Beschwerung der Back=Gäste abgestellet werden möge; So verord
nen Wir hiermit daß ein jeglicher Becker eine Wage anschaffen / und
mit derselben den Back=Gästen den fordernden Sauerteig zuwägen /
und wenn diese ihren Teig zum Backen bringen / so dann in derselben
Gegenwart von solchem Teige das gelieferte Gewichte des Sauerteigs
wieder abwägen / und zurück nehmen solle. Wer dawider handeln
wird / er sey Becker oder Back=Gast / soll jedesmahl in Fünf Thaler
Strafe
genommen werden.
6.
Da es auch eine ausgemachte Sache ist / daß von dem Teige durch
das Ausbacken / höchstens nicht mehr als der zehende Theil abgehet;
So soll der Becker das Brod auf solchen Fuß ausbacken / sich den Teig
von jedem Back=Gaste zuwägen lassen / und das daraus gebackene
Brod den Back=Gästen / nach Abzug des zehenden Theils / hinwiede=
rum
zuwägen / und zurück liefern.
7.
Damit diesem also gebührlich nachgelebet / und den betrüglichen Ver=
Vortheilungen
/ so viel immer möglich gesteuret werden möge; So hat
der Beamte oder die Gerichts=Obrigkeit hierauf fleißige Acht zu ge=
ben / das Gemeinde Back=Haus / insonderheit die erste Zeit öfters und
unvermuthet zu visitiren / oder visitiren zu lassen; Und wie Uns derglei=
chen sorgfältige Aufsicht zu gnädigstem Wolgefallen gereichen wird;
Also sind Wir allenfalls gnädigst zu frieden / daß dem Beamten / oder
der Gerichts=Obrigkeit / von denen Back=Ofen=Einkünften etwas für
ihre
Mühe gereichet werde.
8.
Wie keinem Zweifel unterworfen ist / daß die Wasen / eben so gut /
und besser als das harte Holz zum Backen gebrauchet werden können /
indem der Ofen durch Feuer von Waas=Holze eher / als durch den Ge=
brauch des harten Holzes / in die Hitze gebracht wird / wie dann im Blan=
kenburgischen so gar mit rauen tannen Waasen / und im Halberstäd=
tischen an vielen Orten mit Stroh gebacken wird; So ist hiermit Un=
ser gnädigster Befehl / daß das Backen hinführo so viel immer mög=
lich
/ mit Waas=Holze geschehen solle.
9.
Die Structur der dortigen Back=Oefen / contribuiret auch nicht
wenig zu dem bisherigen Holz=Verderb / da dem Vernehmen nach /
die Oefen allzu hoch sind / der Boden nur von Leimen=Schlag gemacht /
das Ofen=Loch ebenfalls viel zu weit ist / und statt einer eisernen Thür /
nur mit einem Stücke Holz zugesetzet wird.
Es sollen demnach /
a) die neu anzulegende Back=Ofen / nur ¾ Ellen in der Höhe halten.
b) Der Boden soll von Barnsteinen / 2 Steine hoch gemachet werden.
c) Das Ofen=Loch soll eine Elle breit / und 1 ½ Viertel hoch gemacht /
auch mit einer eisernen Thür verwahret werden.
Wie nun auf solche Weise die Hitze desto besser und länger zusam=
men gehalten werden kann; Also wird auch dadurch vieles an Holz
und Waasen ersparet werden.
Die in denen Städten bereits vorhandene Back=Oefen sollen hier=
nach
geändert und eingerichtet werden.
10.
Das so genannte Haller=Brod / erfordert sehr viel mehr Holz und
Waasen / als das Loß=Brod / wie es im Blankenburgischen gebacken
wird; Ueber dieses / ist das Loß=Brod besser vom Geschmack / und wird
reiner ausgebacken. Wir erwarten dahero Bericht
und Gutachten / ob das Loß=Brod dortigen Orts nicht nach und nach
eingeführet
werden könne.
11.
So bald an einem Orte der Gemeinde Back=Ofen / auf vorbeschrie=
bene Maasse fertig ist; sollen die anderen eingeschlagen werden: und
stehet den Gemeinden frey / ob sie von den Eigenthümern derer jetzigen
und zu destruirenden Back=Oefen die Materialien zu Ersparung der
Kosten erhandeln wollen. Wir befehlen demnach
gnädigst hiermit / über dieses alles auch Orts sträck=
lich
zu halten / und das nötige geordneter massen zu besorgen.
Gege=
ben Salzthal / den 4 ten Juli 1744.
Herzogliche Verordnung vom 21. Dezember 1772 [7][9]
Von Gottes Gnaden, Wir, Carl,
Herzog zu Braunschweig und Lüneburg etc. etc.
fügen hiedurch zu wissen: wasgestallt Wir mißfällig vernommen, daß
Unsere, wegen Anlegung und gehöriger Einrichtung der Gemeinde=Backöfen, auch
Abschaffung der Privatbacköfen von Zeit zu Zeit ergangene Verordnungen in Unseren Landen allenthal=
ben gehörig nicht befolget worden.
Wie Wir nun gnädigst, jedoch ernstlich wollen, daß denen hierunter sich annoch äussernden, Unsern Unterthanen und Landen zu nicht ge=
ringem Nachtheil gereichenden Mängeln durchaus abgeholfen werden soll: Als verordnen Wir hierdurch anderweit:
1) Daß alle Gemeinde=Backhäuser, woran sich noch Defecte befinden, nach Maasgabe Unserer an die Obrigkeiten jeglichen Orts be=
reits vorhin ergangenen Verordnungen, in völligen Stand gesetzet, an denjenigen Orten aber, wo noch keine Gemeinde=Backhäuser vor=
handen, solche unverzüglich vorgerichtet, und in gutem Stande erhalten werden sollen.
2) Soll ein proportionirtes Backlohn von Amts= und Obrigkeitswegen ausgemacht und festgesetzt werden;
3) In den großen Dörfern sollen die Backhäuser mit Bäckern, in den kleinen aber mit Häuslingen die auf das Backen Acht haben,
besetzet,
4) sowohl durch diese Bäcker und Häuslinge, als die Amts= Unter= und Revier-Forstbedienstete darauf genaue Achtung gegeben werden,
daß in keinem anderen als diesen Oefen gebacken werde.
5) Von den übrigen Backöfen sollen diejenigen, so in gutem und gegen die Feuersgefahr sicherm Stande sind, zum Obstbacken al=
lein, bey Vermeidung deren Demolition, gebrauchet; dagegen aber
6) die Feuergefährlichen ohne Anstand eingeschlagen werden.
Wir befehlen demnach Unsere Ober= und Beamte, auch Gerichtsobrigkeiten, über diese Unsere Verordnung mit Nachdruck zu halten;
und haben Unsere verordnete Districts-Commissarien fleißig dahin zu sehen, daß solcher gehörig nachgelebet werde.
Damit nun solche zu jedermanns Wissenschaft gelangen möge, und sich niemand mit der Unwissenheit entschuldigen könne; als haben Wir
befohlen, daß solche durch den Druck bekannt gemacht, und an den gewöhnlichen Orten affigiret werde.
Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift, und beygedruckten Fürstl. Geheimen=Canzleysiegels. Gegeben in unserer Stadt Braunschweig, den 21. December 1772.
CARL
Herz. z. Br. u. L. L. S. H. B. v. Schliestedt." [8]
__________________________________
[1] TACKE 1943, S. 131.
[2] StAWb 40 Slg 6339 Bl 1.
[5] StAWb 40 Slg 11472 Bl. 2; StAWb 40 Slg 11472 Bl. 3.
[6] StAWb 40 Slg 6339 Bl 1.
[7] StAWb 40 Slg 11472 Bl. 3.
[8] Heinrich Bernhard Schrader (von Schliestedt) (1706-1773); engster Berater von Carl I. als Hofrat, Mitglied der Justizkanzlei, ab 1754 als Geheimer Rat, ab 1771 zudem als Kammer- und Kriegspräsident.
[9] MOHS 2004, S.90-91.