Waldglashütten im 12./13. Jahrhundert

Klaus A.E. Weber

 

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Portal des Palas

stauferzeitliche Kaiserpfalz

Gelnhausen

"Barbarossaburg"

erbaut 1160-1190

August 2015

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die Zeitspanne zwischen der Antike und der Frühen Neuzeit wird im lateinisch-katholischen Europa als "Mittelalter" bezeichnet.

Nachträglich als Übergangszeit empfunden, wurde diese Phase ab dem 14./15. Jahrhundert als mittleres Zeitalter benannt.[15]

Das verbildlichende Mittelalter - die Zeit der Fürsten, Kaufleute, Mönche und Nonnen, Leibeigenen, Kreuzrittern und Minnesängern - wird allgemein unterteilt in

  • Frühmittelalter 5.-10. Jahrhundert │ um 500 - um 1050
  • Hochmittelalter 11.-13. Jahrhundert │ um 1050 - um 1250
  • Spätmittelalter 14./15. Jahrhundert │ um 1250 - um 1500
 

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Waldglashütten im Zeitalter des Umbruchs und der Erneuerung

Alternative neuartige Betriebsform im "hölzernen Zeitalter"

In den heute dicht bewaldeten Mittelgebirgen Hils, Vogler, Homburgwald und Solling konnten zahlreiche Glashüttenstandorte des 12.-14./15. Jahrhunderts dokumentiert werden - im Solling bereits seit dem 9. Jahrhundert.

Die frühe mittelalterliche Glasherstellung erlebte zwar in der Zeit zwischen etwa 1150 und 1250 die ersten großen Höhepunkte im Kontext mit der sakralen und gehobenen profanen Bautätigkeit.

Aber bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts beginnend, verstärkt jedoch während des 14. Jahrhunderts, kam es im Weserbergland zu einem konjunkturellen Abschwung in der Glasherstellung.[2]

So findet sich nach STEPHAN [8] für den Solling eine auffallende, unregelmäßig verteilte Konzentration früher Waldglashütten im Zeitraum um 1150/1200-1250, spätmittelalterliche Glashütten des 14. Jahrhunderts sind hingegen besonders schwer nachweisbar.

Die Stimmigkeit der zeitlichen Datierungen früher Waldglashütten im Umfeld des Hellentals vorausgesetzt, wurde hier mit der Glasherstellung zur Zeit des Stauferkaisers Friedrich I. Barbarossa (1122-1190) begonnen.

 

Mittelalterliche Waldglashütten

Geländestandorte mit Aktivitätszone

im Umfeld des Hellentals

Forschungsstand

Januar 2023

© Historisches Museum Hellental, Grafik: Klaus A.E. Weber

 

Zeit mittelalterlicher Blüte

Im Hinblick auf die Entstehung der Glashüttenlandschaft im Mittelalter - wie auch jene im Umfeld des Hellentals - kann eine Reihe allgemeiner sozial-, kultur- und technikgeschichtlicher Faktoren angenommen werden:

  • der mittelalterliche Landesausbau im Weserbergland strebte um 1250 seinem Höhepunkt zu [14]
  • aufblühende Entwicklung von Wirtschaft, der Wissenschaften und der Gesellschaft einhergehend mit europaweitem Kultur- und Wissenstransfer und zunehmende großräumige Mobilität
  • städtisches Leben und bürgerliches Selbstbewusstsein nehmen einen bislang nicht gekannten Aufschwung, verbunden mit gestiegenen Ansprüchen beim Lebensstandard
  • die Städtegründungsperiode zwischen 1150 und 1300 führte zu einem erhöhten Bedarf an verschiedenen Glaswaren
  • infolge große Bevölkerungsgruppen erfassender kirchlicher Reformbewegungen erhielt die Baukunst der Romanik mit den reichen bunten Glasfenstern eine neue kirchliche Akzentuierung
  • Klostergründungen wie auch eine Vielzahl von Neubauten und Neustiftungen von Klöstern und Pfarrkirchen erzeugten eine Baudynamik und einen zunehmenden Glasbedarf.

Die früh einsetzende Eisengewinnung und Metallverarbeitung am Sollingrand um Dassel und Markoldendorf dürfte in direkter Konkurrenz mit den ebenfalls holzintensiven Glashütten und ihrer potentiellen Anlage gestanden haben.[51]

Im 11./12. Jahrhundert errichteten die Glasmacher saisonale Betriebe, die zeitlich befristet Hohl- und Flachgläser in Glasöfen herstellten, die sich aus arbeitstechnischen Gründen möglichst eng beieinander auf einer Fläche von etwa 10 mal 7 Metern befanden.[1]

Inmitten lichter Laubwälder mittelalterlicher Prägung brannten die mit Buchenholzscheiden gefeuerten Arbeitsöfen von Ostern bis Martini (11. November) pausenlos Tag für Tag und Nacht für Nacht.

Der kontinuierliche, wenig kontrollierbare Vorgang der Glasschmelze erforderte ein produktionsortnahes Wohnen der Glasmacher sowie eine Betriebsorganisation im Schichtdienst rund um die Uhr.

Während der Winterzeit ruhte die „heiße“ Glasproduktionsphase.

Gegen Entgelt schlugen die Glasmacher zur Bevorratung für die kommende Produktion ausreichend Holz in den amtlich zugewiesenen Sollingforsten ein.

Zudem wurden Gebäudeteile und die „kalt gelegten“ Ofenanlagen ausgebessert oder erneuert.

Sie waren durch die hohen Schmelztemperaturen stark beansprucht.

Eine Holzascheglas fertigende, normal große mittelalterliche Glashütte soll nach STEPHAN [6] bei volllaufendem Betrieb und beschränktem Holzeinschlag „auf das unmittelbare Umfeld der Hütte ... nach etwa 20-30 Jahren theoretisch eine Vernichtung des Waldes im Radius von über einem Kilometer zur Folge“ gehabt haben.

Die durchschnittliche Produktionsdauer einer mittelalterlichen Glashütte war aber vermutlich nur kurz und kann bei Nebenhütten mit etwa 1-3 Jahren, bei Haupthütten mit etwa 5-10/15 Jahren angenommen werden.[52]

 

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[1] DBU 2018, S. 68.

[2] STEPHAN 2022b, S. 52.

[6] STEPHAN 2010, S. 133-134.

[14] STEPHAN 2020, S. 128.

⦋15⦌ HISTORISCHES MUSEUM BASEL.

[51] STEPHAN 2010, S. 133, 514.

[52] LEIBER 1994, S. 24; STEPHAN 2010, S. 137, 143; STEPHAN 2020, S. 135.