Glaswaren - Handel │ Absatz │ Umsatz

Klaus A.E. Weber

 

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Ausstellung 2015: Die fürstliche Glasmanufaktur am Schorborn [5]

 

Zum mittelalterlichen und insbesondere frühneuzeitlichen Glashandel wird auf STEPHAN [6] verwiesen.

Die fürstliche Schorborner Glasmanufaktur stellte als Produktlinien für den Handel grüne und farblose "Glaß Waaren" her:

 

Hohlglas

  • grünes Hohlglas

  • farbloses ("weißes") Hohlglas

 

Tafelglas (Flach- oder Fensterglas)

  • grünes Tafelglas

  • böhmisches Tafelglas

 

Wie das Schorborn-Ausstellungs- und Forschungsprojekt im Erich-Mäder-Glasmuseum Grünenplan im Jahr 2015 anschaulich werden ließ, weist das Produktionsspektrum der Schorborner Glashütte im 18. Jahrhundert eine große Breite auf mit Glas, das an den Standorten der Glasmanufaktur in hoher Stückzahl gefertigt wurde:

  • Gebrauchsgläser mit blauer Fadenauflage am Lippenrand

  • farbig bemalte Gläser und Flaschen

  • Medizinglas

  • Flachglas

  • Flaschen

 

Absatz

Die Aufzählung der Debitoren der Schorborner Hütte bietet einige, wenn auch nur dürftige Aufschlüsse über den Absatz der frühen Schorborner Glashütte:[1]

"Das weiße Hohlglas wurde von der Hütte selbst vorzugsweise im Kleinhandel im Lande abgesetzt.

Die Beamten des Hofes stellten einen nicht unbedeutenden Teil der Käufer.

Neben diesen waren Glashändler aus Klausthal, Blumenau und Fuhrleute aus Benneckenstein und Nordhausen die Hauptabnehmer von weißem Hohlglas.

Der Absatz und also auch wohl die Fabrikation „geschnittener und verguldeter Gläser spielten nur eine untergeordnrte Rolle.

Bedeutender als der des weißen Hohlglases war der Absatz von böhmischem Tafelglas, der u. a. nach Braunschweig, Göttingen, Paderborn, Hameln und Detmold ging.

Der wichtigste Fabrikationsgegenstand war aber das grüne Glas, das, sofern es nicht auf

Schiffen weserabwärts ging, entweder an Privatpersonen oder an Fuhrleute auch über die Grenzen Braunschweigs hinaus nach Göttingen, dem Südharz und Leipzig verkauft wurde."

Ein Verzeichnis der Lagerbestände (Übergabeprotokoll aus Jahr 1768) erwähnt u. a. folgende Erzeugnisse der Hütte:[1]

"Geschliffene Pokale mit dem königlich preußischen Wappen und Namenszuge, solche mit Pelikan und Devise, mit und ohne Deckel, mit braunschweigischem Wappen, Deckelgläser, worauf eine Jagd geschnitten war, andere mit dem herzoglichen Wappen und Namen und andere mit Hirschköpfen.

Außerdem waren noch Blumentöpfe, große Tafelaufsätze mit dazu gehörigen ,,Platde menage", Fruchtkörbe, Tafelleuchter mit und ohne Ketten, geschliffene Konfektschalen, wie auch Spitzgläser, Wein- und Biergläser vorhanden."[1]

 

Verkaufstabelle 1778

Produktpalette von in der Schorborner Glasmanufaktur gefertigten farblosen ("weißen") und grünen Hohlgläsern nach OHLMS [2]

 

1788 - Es wird bunt

In größerem Umfang wurde in Schorborn seit den 1770er Jahren auch Farbglas hergestellt.

Wie OHLMS [3] vermerkt, findet sich 1788 im Holzmindener Wochenblatt folgender Vermerk:

"Seit einiger Zeit bläst man auch Glas von blauer, rotmarmorierter, orange etc. Farbe zu Trinkfgläsern, Salzfässern, Aufsätzen, Urnen, Zucker- und Tabaksdosen, Stockknöpfen usw."

Darüber hinaus seien Glaskugeln mit farbigen Einschlüssen und eingestochenen Luftblasen als Briefbeschwerer oder Zimmerschmuck beliebt gewesen.

 

Grünes Glas

Grünes Glas bildete die wichtigste Produktlinie, hergestellt in den "grünen Hütten" in Pilgrim und im Mecklenbruch.

Jährlich wurden hier "zwei neue Öfen, jeder in etwa 20 Wochen, ausgearbeitet" bei einer Produktionsmenge von 400 Hüttentausend grünes Hohlglas und 350-380 Kisten grünes Fensterglas.[4]

Sofern nicht weserabwärts verschifft, gelangte das Grünglas auf dem Landweg in den Verkauf entweder an Privatpersoen oder an Fuhrleute.

Dabei nahm es seinen Weg auch über die Grenzen des Herzogtums Braunschweig hinaus

  • nach Göttingen, an den Südharz oder nach Leipzig.

 

Farbloses ("weißes") Hohlglas und Böhmisches Tafelglas

Der Absatz von böhmischem Tafelglas (Fensterglas) gilt als bedeutend.

Farblose Hohlglas wurde von der Schorborner Glasmanufaktur vorzugsweise über den Kleinhandel landesweit im Fürstentum vertrieben.

Sowohl die Herstellung als auch der Absatz "geschbittener und verguldeter" Gläser war wohl eher von nachrangiger Bedeutung.

Neben der bedeutendem Käuferschicht der Braunschweiger Hofbeamten, die offenbar häufig direkt von der Glashütte auf Kredit einkauften, waren Hauptabnehmer

  • Glashändler aus Clausthal und Blumenau

  • Fuhrleute aus Benneckenstein und Nordhausen.

1814 wurden in Schorborn während 44 Betriebswochen rund 293.000 "Hüttenstück ordinären weißen Hohlglases" hergestellt.[4]

Die Glashütte in Mühlenberg fertigte "jährlich in 44-46 Wochen 3.500 Bund Tafelglas und 352 Hüttentausend Medizinglas".[4]

Die Schorborner Glasmanufaktur war mit ihrer Produktion von Flaschen und "weißem Tafelglas" in der Lage, den Bedarf im Braunschweiger Land decken.

Dem hingegen war Schorborner "Weißglas" zwar in geringem Umfang, aber 4/5 des Mühlenberger Medizinglases auf den Export ins "Ausland" angewiesen.[4]

 

Preiskalkulation

Für jedes aus farblosem ("weißem") hergestelltes Hohlglas wurde der Preis für die Hüttenstückzahl danach kalkuliert, welches Glasmaterial und wieviel Zeit benötigt wurde und welche Geschicklichkeit erforderlich war.

Dieser Schlüssel bildete einerseits die Grundlage für die Entlohnung der Fabrikanten, andererseits wurde er zur Bemessung des Preises des Glases herangezogen.

Veranschlagte man den Wert eines "Weißglasgefäßes" auf ein Hüttenstück, so kostete das "Weißglas" 1 Guten Groschen 6/25 Pfennige, weil 100 Stück mit 4 1/2 Thalern berechnet wurden.[4]

In ähnlicher Weise wurden auch die Preise für grünes Hohlglas kalkuliert.

 

Stück- und Handelsmaße

  • Eine Kiste grünes Fensterglas enthielt 120 Glastafeln, die in der Regel 21 Zoll (~ 51 cm) hoch und 18 Zoll (~ 44 cm) breit waren.[4]
  • Farbloses ("weißes") Tafelglas wurde dahingegen "bundweise" verkauft, wobei man je nach Größe mehr oder weniger Glastafeln auf 1 Bund gab.[4]
  • 1 Stroh ist eine von der Anzahl Medizingläser abhängige Maßeinheit, deren Inhalt von 1/8 bis 48 Lot reichen konnte.

 

Glaspreise

  • 100 Hüttenstück farbloses ("weißes") Hohlglas kosteten einschließlich des Einfasselohnes 4 Thaler 6 Gute Groschen

  • 1 Hüttentausend grünes Hohlglas 12 Thaler

  • 1 Kiste Fensterglas 11 Thaler

  • 1 Bund farbloses ("weißes") Tafelglas 2 1/2 Thaler

  • 1 Hüttentausend Medizinglas 10 Thaler.

 

Jahresumsatz

Jährlich wurden für 18.000 Thaler Glaswaren in den "Sollinghütten" hergestellt, wovon 2/3 in das "Ausland" exportiert wurden.

Dabei kamen 12.000 Thaler "fremden Geldes" in das Land Braunschweig.

Für den Import von Materialien aus dem "Ausland" wurden nur 1.500 Thaler aufgewandt.

Der jährlich für die Fuhrleute aufzuwendende Betrag belief sich auf 4.000 Thaler.

Nach einer Untersuchung des Kammerrates von Eschwege aus dem Jahr 1828 ergeben sich für den 10-Jahres-Zeitraum 1818-1827 bei einem Gesamtwert von 189.698 Thalern folgende Einzelwerte in Thalern für die Glasproduktion der drei "Sollinghütten":[4]

 

Jahr

Schorborn

Pilgrim

Mühlenberg

Gesamt

1818

6.224

8.224

7.142

21590

1819

6.524

7.512

8.524

22560

1820

4.340

6.557

8.106

19003

1821

6.960

7.921

7.694

22575

1822

6.720

5.599

7.128

19447

1823

5.640

4.666

6.287

16593

1824

5.612

3.779

5.108

14499

1825

5.572

4.314

7.017

16903

1826

5.896

4.408

6.172

16476

1827

5.705

5.662

8.685

20052

         

10 Jahre

59.193

58.642

71.863

189.698

 

31,2%

30,9%

37,9%

100 %

 

Verlauf des Jahresumsatzes der "Sollinghütten" 1818-1827 in Thalern (WEBER 2021)

 

Absatzorte

1786

"Inländisch" in braunschweigischen Städten, so  u.a.in

  • Braunschweig

  • Wolfenbüttel

  • Königslutter

1794

Außer den "inländischen" Städten sind für Schorborner Glaswaren dem Inventar von 1794 folgende "ausländische" Städte zu entnehmen:

  • Benneckenstein

  • Elberfeld

  • Göttingen

  • Haag

  • Halberstadt

  • Hameln

  • Hannover

  • Kassel

  • Lübeck

  • Malaga

  • Münden

  • Nordhausen

  • Osnabrück

  • Pyrmont

  • Rostock

  • Rüdesheim

  • Uslar

 

Glashändler Christoph Runge

Der noch auf der Glashütte Steinbeke im Hellental geborene Johann Christoph Runge (um 1735-1800) war einer der beiden Glashändler der Schorborner Glasmanufaktur.[8]

Einem Zeitungsartikel von BLOSS [7] im Täglichen Anzeiger Holzminden vom 03. Januar 1963 ist zu dem Schorborner Glashändler Johann Christoph Runge das Folgende zu entnehmen:

Der Glashändler Christoph Runge in Schorborn hatte eine Konzession zum Verkauf von Gewürzen und Lebensmitteln an der dortigen Glashütte und nahm die Waren größtenteils auf der Rückfahrt von Bremen mit, kaufte aber auch einen Teil bei den Holzmindener Kaufleuten, wozu er nach Konzession nicht verpflichtet war.

Im Lande könne kein Glas absetzen sondern schicke es nach Holland und Bremen und würde dort schlechten Absatz machen, wenn er nicht wieder Waren dafür nähme.

Er setze jährlich für etwa zweitausend Gulden Glas ohne Großhandelsrabatt ab und könne dafür nur im Tausch gegen Waren bestehen.

Der Herzog schätze solche nützlichen  „Devisenbringer“, wie Runge einen war, dagegen konnte die Kaufgilde nichts machen.“

 

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[1] BECKER 1927, S. 61-62; BLOSS 1950a, S. 23-24.

[2] OHLMS 2006, S. 15: Clausthal-Zellerfeld OBA III F nr. 20, Akten der Glashütte Osterwald.

[3] OHLMS 2006, S. 17.

[4] BECKER 1927, S. 77; OHLMS 2006, S. 22-23.

[5] Ausstellungsplakat: Die fürstliche Glasmanufaktur am Schorborn 2015 │ Herausgegeben vom Glasmuseum Grünenplan │ Prometheus-Verlag Wuppertal │ Mai 2015.

[6] STEPHAN 2022, S. 174-177.

[7] O. BLOSS im TAH vom 03. Januar 1963: Von ehrbarer Kaufmannschaft im alten Holzminden. Historischer Rückblick zu der heutigen Versammlung der Kaufmannsstiftung. Zeitungsausschnitt als Fotografie von Dr. Wolfram Grohs am 11. März 2023 dankenswerterweise dem Autor überlassen.

[8] NÄGELER 2013, Ziff. 1090.